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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Mit der Schlacht von Arbela war Darius Macht gebrochen
und so gut wie vernichtet; von seinem zersprengten Heere sammel-
ten sich einige tausend Baktrische Reuter, die Ueberreste der Grie-
chischen Söldnerschaar, die Melophoren und Verwandten, im Gan-
zen ein Heer von etwa dreitausend Reutern und sechstausend Mann
zu Fuß; mit diesen wandte sich Darius in unaufhaltsamer Flucht
oftwärts durch die Pässe Mediens gen Ekbatana; dort hoffte er
vor dem furchtbaren Feinde wenigstens für den Augenblick sicher zu
sein, dort wollte er abwarten, ob sich Alexander mit den Reichthü-
mern von Susa und Babylon begnügen und über sie das Altpersi-
sche Land vergessen werde, das mächtige Gebirgswälle von dem
Aramäischen Tieflande scheiden; erstiege der unersättliche Eroberer
dennoch die hohe Burg Irans, dann war es sein Plan, weit und
breit verwüstend über die Nordabhänge des Hochlandes nach Tu-
ran, dem letzten Quartier des einst so ungeheueren Reiches zu flüch-
ten. -- Zu gleicher Zeit hatte sich auf der Südstraße, nach dem
hohlen Persien zu, ein zweiter Haufe aus fünfundzwanzigtausend, nach

anderer gewesen; ja Alexanders Sieg über den linken Flügel hätte
vielleicht nicht der Niederlage Parmenions das Gleichgewicht zu hal-
ten vermocht, wenn sich die durchbrechenden Reuterschwärme auf die
zweite Linie geworfen hätten; die Thessalier hätten gegen Mazäus
erliegen müssen. Alexander hat dieser ungeordneten Kampfweise der Bar-
baren, auf die er rechnen durfte, eben so viel zu danken, als seinem
in der That großen Entschluß, um die Gefahr Parmenions unbeküm-
mert seinen Angriff zu machen und die Hauptmacht des Feindes zu
zerschmettern. -- Guichards Darstellung dieser Schlacht, so geist-
reich sie ist, leidet an mehreren Fehlern; namentlich meint er, die
vorgeschobenen Corps seien nicht in, sondern vor der Linie aufgestellt
gewesen, eine Meinung, die eben so sehr dem Charakter der Griechi-
schen (nicht der Römischen) Taktik, wie der besonderen Physiognomie
dieser Schlacht, der gegenseitigen zwiefachen Ueberflügelung, wider-
speechen würde. -- Die Chronologie anlangend bemerken wir, daß
St. Croix in seinem Eifer gegen den sorgfältigen Arrian ungerecht
ist. Ideler hat in seiner durch Gründlichkeit und Eleganz gleich
ausgezeichneten Weise alles hierauf Bezügliche erklärt und berich-
tigt. -- Endlich erwähnen wir, daß die Ansicht, als seien in dieser
Schlacht in Alexanders Heere bereits Asiatische Truppen aus den er-
oberten Ländern gewesen, gänzlich falsch ist.

Mit der Schlacht von Arbela war Darius Macht gebrochen
und ſo gut wie vernichtet; von ſeinem zerſprengten Heere ſammel-
ten ſich einige tauſend Baktriſche Reuter, die Ueberreſte der Grie-
chiſchen Söldnerſchaar, die Melophoren und Verwandten, im Gan-
zen ein Heer von etwa dreitauſend Reutern und ſechstauſend Mann
zu Fuß; mit dieſen wandte ſich Darius in unaufhaltſamer Flucht
oftwärts durch die Päſſe Mediens gen Ekbatana; dort hoffte er
vor dem furchtbaren Feinde wenigſtens für den Augenblick ſicher zu
ſein, dort wollte er abwarten, ob ſich Alexander mit den Reichthü-
mern von Suſa und Babylon begnügen und über ſie das Altperſi-
ſche Land vergeſſen werde, das mächtige Gebirgswälle von dem
Aramäiſchen Tieflande ſcheiden; erſtiege der unerſättliche Eroberer
dennoch die hohe Burg Irans, dann war es ſein Plan, weit und
breit verwüſtend über die Nordabhänge des Hochlandes nach Tu-
ran, dem letzten Quartier des einſt ſo ungeheueren Reiches zu flüch-
ten. — Zu gleicher Zeit hatte ſich auf der Südſtraße, nach dem
hohlen Perſien zu, ein zweiter Haufe aus fünfundzwanzigtauſend, nach

anderer geweſen; ja Alexanders Sieg über den linken Flügel hätte
vielleicht nicht der Niederlage Parmenions das Gleichgewicht zu hal-
ten vermocht, wenn ſich die durchbrechenden Reuterſchwärme auf die
zweite Linie geworfen hätten; die Theſſalier hätten gegen Mazäus
erliegen müſſen. Alexander hat dieſer ungeordneten Kampfweiſe der Bar-
baren, auf die er rechnen durfte, eben ſo viel zu danken, als ſeinem
in der That großen Entſchluß, um die Gefahr Parmenions unbeküm-
mert ſeinen Angriff zu machen und die Hauptmacht des Feindes zu
zerſchmettern. — Guichards Darſtellung dieſer Schlacht, ſo geiſt-
reich ſie iſt, leidet an mehreren Fehlern; namentlich meint er, die
vorgeſchobenen Corps ſeien nicht in, ſondern vor der Linie aufgeſtellt
geweſen, eine Meinung, die eben ſo ſehr dem Charakter der Griechi-
ſchen (nicht der Römiſchen) Taktik, wie der beſonderen Phyſiognomie
dieſer Schlacht, der gegenſeitigen zwiefachen Ueberflügelung, wider-
ſpeechen würde. — Die Chronologie anlangend bemerken wir, daß
St. Croix in ſeinem Eifer gegen den ſorgfältigen Arrian ungerecht
iſt. Ideler hat in ſeiner durch Gründlichkeit und Eleganz gleich
ausgezeichneten Weiſe alles hierauf Bezügliche erklärt und berich-
tigt. — Endlich erwähnen wir, daß die Anſicht, als ſeien in dieſer
Schlacht in Alexanders Heere bereits Aſiatiſche Truppen aus den er-
oberten Ländern geweſen, gänzlich falſch iſt.
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[231/0245] Mit der Schlacht von Arbela war Darius Macht gebrochen und ſo gut wie vernichtet; von ſeinem zerſprengten Heere ſammel- ten ſich einige tauſend Baktriſche Reuter, die Ueberreſte der Grie- chiſchen Söldnerſchaar, die Melophoren und Verwandten, im Gan- zen ein Heer von etwa dreitauſend Reutern und ſechstauſend Mann zu Fuß; mit dieſen wandte ſich Darius in unaufhaltſamer Flucht oftwärts durch die Päſſe Mediens gen Ekbatana; dort hoffte er vor dem furchtbaren Feinde wenigſtens für den Augenblick ſicher zu ſein, dort wollte er abwarten, ob ſich Alexander mit den Reichthü- mern von Suſa und Babylon begnügen und über ſie das Altperſi- ſche Land vergeſſen werde, das mächtige Gebirgswälle von dem Aramäiſchen Tieflande ſcheiden; erſtiege der unerſättliche Eroberer dennoch die hohe Burg Irans, dann war es ſein Plan, weit und breit verwüſtend über die Nordabhänge des Hochlandes nach Tu- ran, dem letzten Quartier des einſt ſo ungeheueren Reiches zu flüch- ten. — Zu gleicher Zeit hatte ſich auf der Südſtraße, nach dem hohlen Perſien zu, ein zweiter Haufe aus fünfundzwanzigtauſend, nach 31) 31) anderer geweſen; ja Alexanders Sieg über den linken Flügel hätte vielleicht nicht der Niederlage Parmenions das Gleichgewicht zu hal- ten vermocht, wenn ſich die durchbrechenden Reuterſchwärme auf die zweite Linie geworfen hätten; die Theſſalier hätten gegen Mazäus erliegen müſſen. Alexander hat dieſer ungeordneten Kampfweiſe der Bar- baren, auf die er rechnen durfte, eben ſo viel zu danken, als ſeinem in der That großen Entſchluß, um die Gefahr Parmenions unbeküm- mert ſeinen Angriff zu machen und die Hauptmacht des Feindes zu zerſchmettern. — Guichards Darſtellung dieſer Schlacht, ſo geiſt- reich ſie iſt, leidet an mehreren Fehlern; namentlich meint er, die vorgeſchobenen Corps ſeien nicht in, ſondern vor der Linie aufgeſtellt geweſen, eine Meinung, die eben ſo ſehr dem Charakter der Griechi- ſchen (nicht der Römiſchen) Taktik, wie der beſonderen Phyſiognomie dieſer Schlacht, der gegenſeitigen zwiefachen Ueberflügelung, wider- ſpeechen würde. — Die Chronologie anlangend bemerken wir, daß St. Croix in ſeinem Eifer gegen den ſorgfältigen Arrian ungerecht iſt. Ideler hat in ſeiner durch Gründlichkeit und Eleganz gleich ausgezeichneten Weiſe alles hierauf Bezügliche erklärt und berich- tigt. — Endlich erwähnen wir, daß die Anſicht, als ſeien in dieſer Schlacht in Alexanders Heere bereits Aſiatiſche Truppen aus den er- oberten Ländern geweſen, gänzlich falſch iſt.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/245>, abgerufen am 29.03.2024.