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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Flußbrücke; bald war der Heerweg frei, aber Alexander mußte, da
Pferde und Reuter von der ungeheueren Anstrengung auf das äu-
ßerste ermüdet waren, einige Stunden rasten lassen. Um Mitter-
nacht, als der Mond aufgegangen war, brach man von Neuem
auf gen Arbela, wo man Darius, sein Feldgeräth, seine Schätze
zu erbeuten hoffte. Man kam im Laufe des Tages dort an, Da-
rius war fort; seine Schätze, sein Wagen, sein Bogen und Schild,
sein und seiner Großen Feldgeräth, ungeheuere Beute fiel in Ale-
xanders Hände.

Dieser große Sieg auf der Ebene von Gaugamela kostete den
Macedoniern nach Arrian nur hundert Todte, dagegen waren über
tausend Pferde, von denen die Hälfte bei der Macedonischen Ritter-
schaft, gestürzt oder getödtet; nach den höchsten Angaben fielen Ma-
cedonischer Seits fünfhundert Mann; Zahlen, die gegen den Ver-
lust der Feinde, deren an hunderttausend und mehr gefallen sein
sollen, unverhältnißmäßig erscheinen, wenn man nicht bedenkt, daß
einerseits, bei der trefflichen Bewaffnung der Macedonier, im Hand-
gemenge nicht Viele tödtlich verwundet wurden, und daß anderer-
seits erst beim Verfolgen das Fleischhandwerk beginnen konnte; alle
Schlachten des Alterthums beweisen, daß der Verlust der Fliehen-
den bis ins Unglaubliche größer ist, als der der Kämpfenden 31).

31) Natürlich ist die ganze Darstellung dieser Schlacht aus Ar-
rian entnommen, dessen Bericht sich durch sich selbst und durch die
handgreiflichen Mißgriffe der anderen Autoren, bis Polyän herab, als
der allein glaubwürdige zeigt. Man hat seine Angabe über die
Größe des feindlichen Heeres in Zweifel gezogen; indeß bleibt es sich ziem-
lich gleich, ob die ungeheuere Uebermacht der Feinde einige Hunderttan-
send mehr oder weniger betrug. -- Die Schlacht war für Alexander ver-
loren, ohne jenen glänzenden Angriff auf den linken feindlichen Flü-
gel; er siegte durch den großen strategischen Grundsatz, im entschei-
denden Momente am entscheidenden Punkte die höchste Kraft concen-
trirt zu haben. Das feindliche Heer erlag der eigenen Masse; hätte
es gegen Alexanders schräge Schlachtlinie die Fronte schnell genug zu
verändern, hätten sich die Massen der zweiten Linie gehörig zu ent-
wickeln vermocht, hätte endlich das Zurückströmen der geworfenen
Massen nicht furchtbarer als die kleine Zahl der Siegenden auf die
nahe stehenden Haufen gedrängt, der Ausgang des Tages wäre ein

Flußbrücke; bald war der Heerweg frei, aber Alexander mußte, da
Pferde und Reuter von der ungeheueren Anſtrengung auf das äu-
ßerſte ermüdet waren, einige Stunden raſten laſſen. Um Mitter-
nacht, als der Mond aufgegangen war, brach man von Neuem
auf gen Arbela, wo man Darius, ſein Feldgeräth, ſeine Schätze
zu erbeuten hoffte. Man kam im Laufe des Tages dort an, Da-
rius war fort; ſeine Schätze, ſein Wagen, ſein Bogen und Schild,
ſein und ſeiner Großen Feldgeräth, ungeheuere Beute fiel in Ale-
xanders Hände.

Dieſer große Sieg auf der Ebene von Gaugamela koſtete den
Macedoniern nach Arrian nur hundert Todte, dagegen waren über
tauſend Pferde, von denen die Hälfte bei der Macedoniſchen Ritter-
ſchaft, geſtürzt oder getödtet; nach den höchſten Angaben fielen Ma-
cedoniſcher Seits fünfhundert Mann; Zahlen, die gegen den Ver-
luſt der Feinde, deren an hunderttauſend und mehr gefallen ſein
ſollen, unverhältnißmäßig erſcheinen, wenn man nicht bedenkt, daß
einerſeits, bei der trefflichen Bewaffnung der Macedonier, im Hand-
gemenge nicht Viele tödtlich verwundet wurden, und daß anderer-
ſeits erſt beim Verfolgen das Fleiſchhandwerk beginnen konnte; alle
Schlachten des Alterthums beweiſen, daß der Verluſt der Fliehen-
den bis ins Unglaubliche größer iſt, als der der Kämpfenden 31).

31) Natürlich iſt die ganze Darſtellung dieſer Schlacht aus Ar-
rian entnommen, deſſen Bericht ſich durch ſich ſelbſt und durch die
handgreiflichen Mißgriffe der anderen Autoren, bis Polyän herab, als
der allein glaubwürdige zeigt. Man hat ſeine Angabe über die
Größe des feindlichen Heeres in Zweifel gezogen; indeß bleibt es ſich ziem-
lich gleich, ob die ungeheuere Uebermacht der Feinde einige Hunderttan-
ſend mehr oder weniger betrug. — Die Schlacht war für Alexander ver-
loren, ohne jenen glänzenden Angriff auf den linken feindlichen Flü-
gel; er ſiegte durch den großen ſtrategiſchen Grundſatz, im entſchei-
denden Momente am entſcheidenden Punkte die höchſte Kraft concen-
trirt zu haben. Das feindliche Heer erlag der eigenen Maſſe; hätte
es gegen Alexanders ſchräge Schlachtlinie die Fronte ſchnell genug zu
verändern, hätten ſich die Maſſen der zweiten Linie gehörig zu ent-
wickeln vermocht, hätte endlich das Zurückſtrömen der geworfenen
Maſſen nicht furchtbarer als die kleine Zahl der Siegenden auf die
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[230/0244] Flußbrücke; bald war der Heerweg frei, aber Alexander mußte, da Pferde und Reuter von der ungeheueren Anſtrengung auf das äu- ßerſte ermüdet waren, einige Stunden raſten laſſen. Um Mitter- nacht, als der Mond aufgegangen war, brach man von Neuem auf gen Arbela, wo man Darius, ſein Feldgeräth, ſeine Schätze zu erbeuten hoffte. Man kam im Laufe des Tages dort an, Da- rius war fort; ſeine Schätze, ſein Wagen, ſein Bogen und Schild, ſein und ſeiner Großen Feldgeräth, ungeheuere Beute fiel in Ale- xanders Hände. Dieſer große Sieg auf der Ebene von Gaugamela koſtete den Macedoniern nach Arrian nur hundert Todte, dagegen waren über tauſend Pferde, von denen die Hälfte bei der Macedoniſchen Ritter- ſchaft, geſtürzt oder getödtet; nach den höchſten Angaben fielen Ma- cedoniſcher Seits fünfhundert Mann; Zahlen, die gegen den Ver- luſt der Feinde, deren an hunderttauſend und mehr gefallen ſein ſollen, unverhältnißmäßig erſcheinen, wenn man nicht bedenkt, daß einerſeits, bei der trefflichen Bewaffnung der Macedonier, im Hand- gemenge nicht Viele tödtlich verwundet wurden, und daß anderer- ſeits erſt beim Verfolgen das Fleiſchhandwerk beginnen konnte; alle Schlachten des Alterthums beweiſen, daß der Verluſt der Fliehen- den bis ins Unglaubliche größer iſt, als der der Kämpfenden 31). 31) Natürlich iſt die ganze Darſtellung dieſer Schlacht aus Ar- rian entnommen, deſſen Bericht ſich durch ſich ſelbſt und durch die handgreiflichen Mißgriffe der anderen Autoren, bis Polyän herab, als der allein glaubwürdige zeigt. Man hat ſeine Angabe über die Größe des feindlichen Heeres in Zweifel gezogen; indeß bleibt es ſich ziem- lich gleich, ob die ungeheuere Uebermacht der Feinde einige Hunderttan- ſend mehr oder weniger betrug. — Die Schlacht war für Alexander ver- loren, ohne jenen glänzenden Angriff auf den linken feindlichen Flü- gel; er ſiegte durch den großen ſtrategiſchen Grundſatz, im entſchei- denden Momente am entſcheidenden Punkte die höchſte Kraft concen- trirt zu haben. Das feindliche Heer erlag der eigenen Maſſe; hätte es gegen Alexanders ſchräge Schlachtlinie die Fronte ſchnell genug zu verändern, hätten ſich die Maſſen der zweiten Linie gehörig zu ent- wickeln vermocht, hätte endlich das Zurückſtrömen der geworfenen Maſſen nicht furchtbarer als die kleine Zahl der Siegenden auf die nahe ſtehenden Haufen gedrängt, der Ausgang des Tages wäre ein

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/244>, abgerufen am 29.03.2024.