Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

Truppen begannen den sehr reißenden Strom zu durchwaten; mit
der größten Anstrengung, doch ohne weiteren Verlust gewannen sie
das östliche Ufer. Alexander gewährte seinen erschöpften Kriegern
für diesen Tag Ruhe; sie lagerten sich längs den schönen bergigen
Ufern des Stromes. Das war am 20sten September. Der
Abend kam, die ersten Nachtwachen rückten auf ihre Posten am
Fluß und auf den Bergen, der Mond erhellte die Gegend, die
nach Vieler Meinung manches mit den Macedonischen Bergen
Aehnliche hatte; da begann sich plötzlich das Licht des Vollmondes
zu verdunkeln; bald war die Scheibe des hellen Gestirnes völlig in
Dunkel gehüllt; es schien ein großes Zeichen der Götter; besorgt
traten die Kriegsleute aus ihren Zelten; Viele fürchteten, daß die
Götter zürnten, Andere erinnerten, daß, als Xerxes gegen Grie-
chenland gezogen, seine Magier die Sonnenfinsterniß, die er in
Sardes gesehen, dahin gedeutet hätten, daß die Sonne das Gestirn
der Hellenen, der Mond das Gestirn der Perser sei 22), jetzt ver-
hüllten die Götter das Gestirn der Perser, zum Zeichen ihres bal-
digen Unterganges. Dem Könige selbst deutete der zeichenkundige
Aristander, das Ereigniß sei zu seinen Gunsten, noch in demselben
Monate werde es zur Schlacht kommen; dann opferte Alexander
dem Mond, der Sonne, der Erde, und auch die Opferzeichen ver-
hießen Sieg. Mit Anbruch des Morgens brach das Heer auf, um
dem Heere der Perser zu begegnen 23).

In südlicher Richtung, auf der linken Seite die Vorhöhen der
Gordyäischen Gebirge, auf der rechten den reißenden Tigris, zog das
Macedonische Heer weiter, ohne auf eine Spur der Feinde zu sto-
ßen. Endlich am 24sten wurde von der Vorhut gemeldet, im
Blachfelde zeige sich feindliche Reuterei, wie stark, lasse sich nicht

Mosul als den Ort bezeichnet, wo Alexander den Tigris passirte; er
hat übersehen, daß Alexander von dort noch vier Tagemärsche bis in
die Nähe der Feinde brauchte (Arrian.), und Gaugamela liegt doch
wenige Stunden östlich von Mosul. Jene vier Tagemärsche führen
ungefähr auf Bedzabde, eine im Alterthum mehrfach genannte Posi-
tion am Tigris, deren Wichtigkeit der heutige Ort Dschesireh, sechs-
zehn Meilen oberhalb Mosul, bezeichnet; cf. Rennel p. 125 und
156.
22) Herod. VII. 37.
23) Arriau. III. 7. Curt. IV. 9.
5. c. intpp.

Truppen begannen den ſehr reißenden Strom zu durchwaten; mit
der größten Anſtrengung, doch ohne weiteren Verluſt gewannen ſie
das öſtliche Ufer. Alexander gewährte ſeinen erſchöpften Kriegern
für dieſen Tag Ruhe; ſie lagerten ſich längs den ſchönen bergigen
Ufern des Stromes. Das war am 20ſten September. Der
Abend kam, die erſten Nachtwachen rückten auf ihre Poſten am
Fluß und auf den Bergen, der Mond erhellte die Gegend, die
nach Vieler Meinung manches mit den Macedoniſchen Bergen
Aehnliche hatte; da begann ſich plötzlich das Licht des Vollmondes
zu verdunkeln; bald war die Scheibe des hellen Geſtirnes völlig in
Dunkel gehüllt; es ſchien ein großes Zeichen der Götter; beſorgt
traten die Kriegsleute aus ihren Zelten; Viele fürchteten, daß die
Götter zürnten, Andere erinnerten, daß, als Xerxes gegen Grie-
chenland gezogen, ſeine Magier die Sonnenfinſterniß, die er in
Sardes geſehen, dahin gedeutet hätten, daß die Sonne das Geſtirn
der Hellenen, der Mond das Geſtirn der Perſer ſei 22), jetzt ver-
hüllten die Götter das Geſtirn der Perſer, zum Zeichen ihres bal-
digen Unterganges. Dem Könige ſelbſt deutete der zeichenkundige
Ariſtander, das Ereigniß ſei zu ſeinen Gunſten, noch in demſelben
Monate werde es zur Schlacht kommen; dann opferte Alexander
dem Mond, der Sonne, der Erde, und auch die Opferzeichen ver-
hießen Sieg. Mit Anbruch des Morgens brach das Heer auf, um
dem Heere der Perſer zu begegnen 23).

In ſüdlicher Richtung, auf der linken Seite die Vorhöhen der
Gordyäiſchen Gebirge, auf der rechten den reißenden Tigris, zog das
Macedoniſche Heer weiter, ohne auf eine Spur der Feinde zu ſto-
ßen. Endlich am 24ſten wurde von der Vorhut gemeldet, im
Blachfelde zeige ſich feindliche Reuterei, wie ſtark, laſſe ſich nicht

Moſul als den Ort bezeichnet, wo Alexander den Tigris paſſirte; er
hat überſehen, daß Alexander von dort noch vier Tagemärſche bis in
die Nähe der Feinde brauchte (Arrian.), und Gaugamela liegt doch
wenige Stunden öſtlich von Moſul. Jene vier Tagemärſche führen
ungefähr auf Bedzabde, eine im Alterthum mehrfach genannte Poſi-
tion am Tigris, deren Wichtigkeit der heutige Ort Dſcheſireh, ſechs-
zehn Meilen oberhalb Moſul, bezeichnet; cf. Rennel p. 125 und
156.
22) Herod. VII. 37.
23) Arriau. III. 7. Curt. IV. 9.
5. c. intpp.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0234" n="220"/>
Truppen begannen den &#x017F;ehr reißenden Strom zu durchwaten; mit<lb/>
der größten An&#x017F;trengung, doch ohne weiteren Verlu&#x017F;t gewannen &#x017F;ie<lb/>
das ö&#x017F;tliche Ufer. Alexander gewährte &#x017F;einen er&#x017F;chöpften Kriegern<lb/>
für die&#x017F;en Tag Ruhe; &#x017F;ie lagerten &#x017F;ich längs den &#x017F;chönen bergigen<lb/>
Ufern des Stromes. Das war am 20&#x017F;ten September. Der<lb/>
Abend kam, die er&#x017F;ten Nachtwachen rückten auf ihre Po&#x017F;ten am<lb/>
Fluß und auf den Bergen, der Mond erhellte die Gegend, die<lb/>
nach Vieler Meinung manches mit den Macedoni&#x017F;chen Bergen<lb/>
Aehnliche hatte; da begann &#x017F;ich plötzlich das Licht des Vollmondes<lb/>
zu verdunkeln; bald war die Scheibe des hellen Ge&#x017F;tirnes völlig in<lb/>
Dunkel gehüllt; es &#x017F;chien ein großes Zeichen der Götter; be&#x017F;orgt<lb/>
traten die Kriegsleute aus ihren Zelten; Viele fürchteten, daß die<lb/>
Götter zürnten, Andere erinnerten, daß, als Xerxes gegen Grie-<lb/>
chenland gezogen, &#x017F;eine Magier die Sonnenfin&#x017F;terniß, die er in<lb/>
Sardes ge&#x017F;ehen, dahin gedeutet hätten, daß die Sonne das Ge&#x017F;tirn<lb/>
der Hellenen, der Mond das Ge&#x017F;tirn der Per&#x017F;er &#x017F;ei <note place="foot" n="22)"><hi rendition="#aq">Herod. VII.</hi> 37.</note>, jetzt ver-<lb/>
hüllten die Götter das Ge&#x017F;tirn der Per&#x017F;er, zum Zeichen ihres bal-<lb/>
digen Unterganges. Dem Könige &#x017F;elb&#x017F;t deutete der zeichenkundige<lb/>
Ari&#x017F;tander, das Ereigniß &#x017F;ei zu &#x017F;einen Gun&#x017F;ten, noch in dem&#x017F;elben<lb/>
Monate werde es zur Schlacht kommen; dann opferte Alexander<lb/>
dem Mond, der Sonne, der Erde, und auch die Opferzeichen ver-<lb/>
hießen Sieg. Mit Anbruch des Morgens brach das Heer auf, um<lb/>
dem Heere der Per&#x017F;er zu begegnen <note place="foot" n="23)"><hi rendition="#aq">Arriau. III. 7. Curt. IV. 9.<lb/>
5. c. intpp.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>In &#x017F;üdlicher Richtung, auf der linken Seite die Vorhöhen der<lb/>
Gordyäi&#x017F;chen Gebirge, auf der rechten den reißenden Tigris, zog das<lb/>
Macedoni&#x017F;che Heer weiter, ohne auf eine Spur der Feinde zu &#x017F;to-<lb/>
ßen. Endlich am 24&#x017F;ten wurde von der Vorhut gemeldet, im<lb/>
Blachfelde zeige &#x017F;ich feindliche Reuterei, wie &#x017F;tark, la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich nicht<lb/><note xml:id="note-0234" prev="#note-0233" place="foot" n="21)">Mo&#x017F;ul als den Ort bezeichnet, wo Alexander den Tigris pa&#x017F;&#x017F;irte; er<lb/>
hat über&#x017F;ehen, daß Alexander von dort noch vier Tagemär&#x017F;che bis in<lb/>
die Nähe der Feinde brauchte (<hi rendition="#aq">Arrian.</hi>), und Gaugamela liegt doch<lb/>
wenige Stunden ö&#x017F;tlich von Mo&#x017F;ul. Jene vier Tagemär&#x017F;che führen<lb/>
ungefähr auf Bedzabde, eine im Alterthum mehrfach genannte Po&#x017F;i-<lb/>
tion am Tigris, deren Wichtigkeit der heutige Ort D&#x017F;che&#x017F;ireh, &#x017F;echs-<lb/>
zehn Meilen oberhalb Mo&#x017F;ul, bezeichnet; <hi rendition="#aq">cf. Rennel p.</hi> 125 und<lb/>
156.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0234] Truppen begannen den ſehr reißenden Strom zu durchwaten; mit der größten Anſtrengung, doch ohne weiteren Verluſt gewannen ſie das öſtliche Ufer. Alexander gewährte ſeinen erſchöpften Kriegern für dieſen Tag Ruhe; ſie lagerten ſich längs den ſchönen bergigen Ufern des Stromes. Das war am 20ſten September. Der Abend kam, die erſten Nachtwachen rückten auf ihre Poſten am Fluß und auf den Bergen, der Mond erhellte die Gegend, die nach Vieler Meinung manches mit den Macedoniſchen Bergen Aehnliche hatte; da begann ſich plötzlich das Licht des Vollmondes zu verdunkeln; bald war die Scheibe des hellen Geſtirnes völlig in Dunkel gehüllt; es ſchien ein großes Zeichen der Götter; beſorgt traten die Kriegsleute aus ihren Zelten; Viele fürchteten, daß die Götter zürnten, Andere erinnerten, daß, als Xerxes gegen Grie- chenland gezogen, ſeine Magier die Sonnenfinſterniß, die er in Sardes geſehen, dahin gedeutet hätten, daß die Sonne das Geſtirn der Hellenen, der Mond das Geſtirn der Perſer ſei 22), jetzt ver- hüllten die Götter das Geſtirn der Perſer, zum Zeichen ihres bal- digen Unterganges. Dem Könige ſelbſt deutete der zeichenkundige Ariſtander, das Ereigniß ſei zu ſeinen Gunſten, noch in demſelben Monate werde es zur Schlacht kommen; dann opferte Alexander dem Mond, der Sonne, der Erde, und auch die Opferzeichen ver- hießen Sieg. Mit Anbruch des Morgens brach das Heer auf, um dem Heere der Perſer zu begegnen 23). In ſüdlicher Richtung, auf der linken Seite die Vorhöhen der Gordyäiſchen Gebirge, auf der rechten den reißenden Tigris, zog das Macedoniſche Heer weiter, ohne auf eine Spur der Feinde zu ſto- ßen. Endlich am 24ſten wurde von der Vorhut gemeldet, im Blachfelde zeige ſich feindliche Reuterei, wie ſtark, laſſe ſich nicht 21) 22) Herod. VII. 37. 23) Arriau. III. 7. Curt. IV. 9. 5. c. intpp. 21) Moſul als den Ort bezeichnet, wo Alexander den Tigris paſſirte; er hat überſehen, daß Alexander von dort noch vier Tagemärſche bis in die Nähe der Feinde brauchte (Arrian.), und Gaugamela liegt doch wenige Stunden öſtlich von Moſul. Jene vier Tagemärſche führen ungefähr auf Bedzabde, eine im Alterthum mehrfach genannte Poſi- tion am Tigris, deren Wichtigkeit der heutige Ort Dſcheſireh, ſechs- zehn Meilen oberhalb Moſul, bezeichnet; cf. Rennel p. 125 und 156.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/234
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/234>, abgerufen am 29.03.2024.