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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Alexander fand die Höhen mit starken Posten besetzt; deshalb
ließ er das übrige Heer lagern, und brach selbst mit den Hypas-
pisten, den Schützen und Agrianern um die erste Nachtwache auf,
um die Feinde beim Dunkel der Nacht zu überfallen; kaum hörten
die Wachen ihn anrücken, so verließen sie in eiligster Flucht den
Paß, welchen sie mit leichter Mühe hätten sperren können, wenn
sie sich nicht auf verlorenem Posten geglaubt hätten; denn Arsames,
der Cilicische Satrap, schien sie nur vorgeschoben zu haben, um
Zeit zu gewinnen, das Land zu plündern und zu verwüsten, und
sich dann sicher, eine Einöde in seinem Rücken, auf Darius, der
bereits vom Euphrat her anrückte, zurückziehen zu können. Desto
eiliger zog Alexander durch die Pässe, und mit seiner Reuterei und
den leichtesten der Leichtbewaffneten auf Tarsus los, so daß Arsa-
mes, der die Feinde weder so nah, noch so rasch geglaubt hatte, in
eiliger Flucht, ohne die Stadt oder das Land geplündert zu haben,
sein Leben für einen baldigen Tod rettete.

Von Nachtwachen, Eilmärschen und der Mittagssonne eines
heißen Sommertages ermattet, kam Alexander mit seinen Geschwa-
dern zum Cydnus, einem klaren und falten Bergstrome, der durch
die Stadt Tarsus hinströmt. Schnell und nach dem Bade verlan-
gend, warf er Helm, Harnisch und Kleid ab, und eilte in den
Strom; da überfiel ihn ein Fieberschauer, er sank unter; halbtodt,

rus gelagert hatte. Von hier steigt der Weg bergauf, bald gelangt
man an den Sihoun (Sarus), an dem der Weg nach Cilicien hin-
führt; ungefähr sieben Meilen seitwärts von Tyana theilt sich der
Weg, südöstlich gen Adana, südlich gen Tarsus; auf dem letzteren zog
Alexander und Cyrus; drittehalb Meilen von der bezeichneten Stelle
südwärts beginnt der eigentliche Engpaß, wird immer enger und
gefährlicher, bis er zwei Meilen weiter durch ein Castell auf dem ho-
hen Felsen zur Seite gesperrt wird; cf. Kinneir p. 118 und 120.,
der die Schwierigkeiten dieses Terrains genau beschreibt. Etwa vier
Meilen südwärts erreicht man in der Richtung S. S. O. die Ebene
von Tarsus, der Weg wendet sich ein wenig südwestwärts, bis er an
das Ufer des Cydnus gelangt ist. In vielen neueren Karten erhält
der Sihoun (Sarus) einen sehr weit ostwärts entfernten Ursprung;
er ist kleiner als der Gihoun (Pyramus), und entspringt in der
Richtung von Tyana; cf. Ebn Edrisi p. 196. (ed. Paris. 1619).

Alexander fand die Höhen mit ſtarken Poſten beſetzt; deshalb
ließ er das übrige Heer lagern, und brach ſelbſt mit den Hypas-
piſten, den Schützen und Agrianern um die erſte Nachtwache auf,
um die Feinde beim Dunkel der Nacht zu überfallen; kaum hörten
die Wachen ihn anrücken, ſo verließen ſie in eiligſter Flucht den
Paß, welchen ſie mit leichter Mühe hätten ſperren können, wenn
ſie ſich nicht auf verlorenem Poſten geglaubt hätten; denn Arſames,
der Ciliciſche Satrap, ſchien ſie nur vorgeſchoben zu haben, um
Zeit zu gewinnen, das Land zu plündern und zu verwüſten, und
ſich dann ſicher, eine Einöde in ſeinem Rücken, auf Darius, der
bereits vom Euphrat her anrückte, zurückziehen zu können. Deſto
eiliger zog Alexander durch die Päſſe, und mit ſeiner Reuterei und
den leichteſten der Leichtbewaffneten auf Tarſus los, ſo daß Arſa-
mes, der die Feinde weder ſo nah, noch ſo raſch geglaubt hatte, in
eiliger Flucht, ohne die Stadt oder das Land geplündert zu haben,
ſein Leben für einen baldigen Tod rettete.

Von Nachtwachen, Eilmärſchen und der Mittagsſonne eines
heißen Sommertages ermattet, kam Alexander mit ſeinen Geſchwa-
dern zum Cydnus, einem klaren und falten Bergſtrome, der durch
die Stadt Tarſus hinſtrömt. Schnell und nach dem Bade verlan-
gend, warf er Helm, Harniſch und Kleid ab, und eilte in den
Strom; da überfiel ihn ein Fieberſchauer, er ſank unter; halbtodt,

rus gelagert hatte. Von hier ſteigt der Weg bergauf, bald gelangt
man an den Sihoun (Sarus), an dem der Weg nach Cilicien hin-
führt; ungefähr ſieben Meilen ſeitwärts von Tyana theilt ſich der
Weg, ſüdöſtlich gen Adana, ſüdlich gen Tarſus; auf dem letzteren zog
Alexander und Cyrus; drittehalb Meilen von der bezeichneten Stelle
ſüdwärts beginnt der eigentliche Engpaß, wird immer enger und
gefährlicher, bis er zwei Meilen weiter durch ein Caſtell auf dem ho-
hen Felſen zur Seite geſperrt wird; cf. Kinneir p. 118 und 120.,
der die Schwierigkeiten dieſes Terrains genau beſchreibt. Etwa vier
Meilen ſüdwärts erreicht man in der Richtung S. S. O. die Ebene
von Tarſus, der Weg wendet ſich ein wenig ſüdweſtwärts, bis er an
das Ufer des Cydnus gelangt iſt. In vielen neueren Karten erhält
der Sihoun (Sarus) einen ſehr weit oſtwärts entfernten Urſprung;
er iſt kleiner als der Gihoun (Pyramus), und entſpringt in der
Richtung von Tyana; cf. Ebn Edrisi p. 196. (ed. Paris. 1619).
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[154/0168] Alexander fand die Höhen mit ſtarken Poſten beſetzt; deshalb ließ er das übrige Heer lagern, und brach ſelbſt mit den Hypas- piſten, den Schützen und Agrianern um die erſte Nachtwache auf, um die Feinde beim Dunkel der Nacht zu überfallen; kaum hörten die Wachen ihn anrücken, ſo verließen ſie in eiligſter Flucht den Paß, welchen ſie mit leichter Mühe hätten ſperren können, wenn ſie ſich nicht auf verlorenem Poſten geglaubt hätten; denn Arſames, der Ciliciſche Satrap, ſchien ſie nur vorgeſchoben zu haben, um Zeit zu gewinnen, das Land zu plündern und zu verwüſten, und ſich dann ſicher, eine Einöde in ſeinem Rücken, auf Darius, der bereits vom Euphrat her anrückte, zurückziehen zu können. Deſto eiliger zog Alexander durch die Päſſe, und mit ſeiner Reuterei und den leichteſten der Leichtbewaffneten auf Tarſus los, ſo daß Arſa- mes, der die Feinde weder ſo nah, noch ſo raſch geglaubt hatte, in eiliger Flucht, ohne die Stadt oder das Land geplündert zu haben, ſein Leben für einen baldigen Tod rettete. Von Nachtwachen, Eilmärſchen und der Mittagsſonne eines heißen Sommertages ermattet, kam Alexander mit ſeinen Geſchwa- dern zum Cydnus, einem klaren und falten Bergſtrome, der durch die Stadt Tarſus hinſtrömt. Schnell und nach dem Bade verlan- gend, warf er Helm, Harniſch und Kleid ab, und eilte in den Strom; da überfiel ihn ein Fieberſchauer, er ſank unter; halbtodt, 10) 10) rus gelagert hatte. Von hier ſteigt der Weg bergauf, bald gelangt man an den Sihoun (Sarus), an dem der Weg nach Cilicien hin- führt; ungefähr ſieben Meilen ſeitwärts von Tyana theilt ſich der Weg, ſüdöſtlich gen Adana, ſüdlich gen Tarſus; auf dem letzteren zog Alexander und Cyrus; drittehalb Meilen von der bezeichneten Stelle ſüdwärts beginnt der eigentliche Engpaß, wird immer enger und gefährlicher, bis er zwei Meilen weiter durch ein Caſtell auf dem ho- hen Felſen zur Seite geſperrt wird; cf. Kinneir p. 118 und 120., der die Schwierigkeiten dieſes Terrains genau beſchreibt. Etwa vier Meilen ſüdwärts erreicht man in der Richtung S. S. O. die Ebene von Tarſus, der Weg wendet ſich ein wenig ſüdweſtwärts, bis er an das Ufer des Cydnus gelangt iſt. In vielen neueren Karten erhält der Sihoun (Sarus) einen ſehr weit oſtwärts entfernten Urſprung; er iſt kleiner als der Gihoun (Pyramus), und entſpringt in der Richtung von Tyana; cf. Ebn Edrisi p. 196. (ed. Paris. 1619).

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/168>, abgerufen am 19.04.2024.