Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Da kriecht er in's Gebüsch, legt an den Mund
Mir seine Schnauze, schnuppert mir am Gurt;
Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort,
Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort
Noch immer an der Erde wie gebannt.
Du magst ermessen was ich wohl empfand,
Da all mein Trost in Traumes Hoffnung stand.
Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt,
Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Lust,
Versuchte auch zu regen meine Hand;
Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt,
Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt.
Da saß ich aufrecht, aber wüst und schwer.
Der Wald war stumm, die Fichten starrten her,
Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer,
Und Alles schien dem Traume zu gehören.

Da saß ich, schweißbedeckt, von Kälte zitternd,
Ein scharfer Ost an Strauch und Halmen knitternd
Verkündete des Tages Wiederkehr.
Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth
Aus halbgeschloßner Wolkenpforte droht'
Und spülte kleine Feuerwellchen her.
Es streckt sich, dehnt sich, gleitet in den Raum,
Die rothe Welle schlägt der Berge Saum,
Allmählig zündet's, geht in Flammen auf:
Der Tag, der Tag beginnt den frischen Lauf!
Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren,
Hoch oben läßt der Geier Ruf sich hören
Und tausend Kehlen stimmen jubelnd ein.

Da kriecht er in's Gebüſch, legt an den Mund
Mir ſeine Schnauze, ſchnuppert mir am Gurt;
Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort,
Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort
Noch immer an der Erde wie gebannt.
Du magſt ermeſſen was ich wohl empfand,
Da all mein Troſt in Traumes Hoffnung ſtand.
Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt,
Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Luſt,
Verſuchte auch zu regen meine Hand;
Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt,
Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt.
Da ſaß ich aufrecht, aber wüſt und ſchwer.
Der Wald war ſtumm, die Fichten ſtarrten her,
Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer,
Und Alles ſchien dem Traume zu gehören.

Da ſaß ich, ſchweißbedeckt, von Kälte zitternd,
Ein ſcharfer Oſt an Strauch und Halmen knitternd
Verkündete des Tages Wiederkehr.
Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth
Aus halbgeſchloßner Wolkenpforte droht'
Und ſpülte kleine Feuerwellchen her.
Es ſtreckt ſich, dehnt ſich, gleitet in den Raum,
Die rothe Welle ſchlägt der Berge Saum,
Allmählig zündet's, geht in Flammen auf:
Der Tag, der Tag beginnt den friſchen Lauf!
Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren,
Hoch oben läßt der Geier Ruf ſich hören
Und tauſend Kehlen ſtimmen jubelnd ein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="24">
              <pb facs="#f0498" n="484"/>
              <l>Da kriecht er in's Gebü&#x017F;ch, legt an den Mund</l><lb/>
              <l>Mir &#x017F;eine Schnauze, &#x017F;chnuppert mir am Gurt;</l><lb/>
              <l>Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort,</l><lb/>
              <l>Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort</l><lb/>
              <l>Noch immer an der Erde wie gebannt.</l><lb/>
              <l>Du mag&#x017F;t erme&#x017F;&#x017F;en was ich wohl empfand,</l><lb/>
              <l>Da all mein Tro&#x017F;t in Traumes Hoffnung &#x017F;tand.</l><lb/>
              <l>Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt,</l><lb/>
              <l>Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Lu&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;uchte auch zu regen meine Hand;</l><lb/>
              <l>Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt,</l><lb/>
              <l>Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt.</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;aß ich aufrecht, aber wü&#x017F;t und &#x017F;chwer.</l><lb/>
              <l>Der Wald war &#x017F;tumm, die Fichten &#x017F;tarrten her,</l><lb/>
              <l>Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer,</l><lb/>
              <l>Und Alles &#x017F;chien dem Traume zu gehören.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="25">
              <l>Da &#x017F;aß ich, &#x017F;chweißbedeckt, von Kälte zitternd,</l><lb/>
              <l>Ein &#x017F;charfer O&#x017F;t an Strauch und Halmen knitternd</l><lb/>
              <l>Verkündete des Tages Wiederkehr.</l><lb/>
              <l>Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth</l><lb/>
              <l>Aus halbge&#x017F;chloßner Wolkenpforte droht'</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;pülte kleine Feuerwellchen her.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;treckt &#x017F;ich, dehnt &#x017F;ich, gleitet in den Raum,</l><lb/>
              <l>Die rothe Welle &#x017F;chlägt der Berge Saum,</l><lb/>
              <l>Allmählig zündet's, geht in Flammen auf:</l><lb/>
              <l>Der Tag, der Tag beginnt den fri&#x017F;chen Lauf!</l><lb/>
              <l>Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren,</l><lb/>
              <l>Hoch oben läßt der Geier Ruf &#x017F;ich hören</l><lb/>
              <l>Und tau&#x017F;end Kehlen &#x017F;timmen jubelnd ein.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0498] Da kriecht er in's Gebüſch, legt an den Mund Mir ſeine Schnauze, ſchnuppert mir am Gurt; Doch auf ein fernes Pfeifen trabt er fort, Läßt mich in kaltem Schweiß gebadet dort Noch immer an der Erde wie gebannt. Du magſt ermeſſen was ich wohl empfand, Da all mein Troſt in Traumes Hoffnung ſtand. Denn wenn ich träumte, war ich mir's bewußt, Und daß ich träume, dacht' ich halb mit Luſt, Verſuchte auch zu regen meine Hand; Vergebens anfangs: doch ein Finger ruckt, Und plötzlich bin ich in die Höh' gezuckt. Da ſaß ich aufrecht, aber wüſt und ſchwer. Der Wald war ſtumm, die Fichten ſtarrten her, Die Dämm'rung um mich wogte wie ein Meer, Und Alles ſchien dem Traume zu gehören. Da ſaß ich, ſchweißbedeckt, von Kälte zitternd, Ein ſcharfer Oſt an Strauch und Halmen knitternd Verkündete des Tages Wiederkehr. Noch kämpfte Dämm'rung, doch das Morgenroth Aus halbgeſchloßner Wolkenpforte droht' Und ſpülte kleine Feuerwellchen her. Es ſtreckt ſich, dehnt ſich, gleitet in den Raum, Die rothe Welle ſchlägt der Berge Saum, Allmählig zündet's, geht in Flammen auf: Der Tag, der Tag beginnt den friſchen Lauf! Zum hohlen Stamme Nachtgevögel kehren, Hoch oben läßt der Geier Ruf ſich hören Und tauſend Kehlen ſtimmen jubelnd ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/498
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/498>, abgerufen am 23.04.2024.