Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Was selbst den Wurm im Staub sich krümmen macht:
Ich wußte daß der Tod ihm angesagt.
Den Namen jener Frau dann hört' ich nennen,
Und einen Laut sich von der Kehle trennen,
Gewaltsam zwar, so hohl und heißer doch,
Wie ihn die Woge ächzt im Klippenloch.
Mit raschem Flüstern ein der Andre fällt,
Was Wildes seiner Stimme war gesellt;
"Sie folgt dir!" Ein dann eine Pause trat,
Und dann, und dann -- hält um den Arzt man Rath.
Alsbald der Jüngre hatte sich gewandt,
Daß beider Antlitz mir in Schatten stand.

Was meinst du was durch meine Adern bebte,
Als über'm Haupt des Richters Stäbchen schwebte?
Nur Lispeln hört' ich, wie die Pappel rauscht,
Doch Angst dem Lispeln selber Deutung gab;
So feinen Ohres hab' ich nie gelauscht.
Es stieg und sank, mit einem Mal brach's ab,
Und plötzlich eine Hand sich aufwärts ruckt,
Die winkt und winkt und nach der Pforte zuckt.
Dann fiel sie schlaff hinab -- es war vorbei --
Gott lösche ihm die Schuld! er gab mich frei!
Der Jüngling blickte auf den todten Mann,
Wie sehr er ihn geliebt, man sah's ihm an.
Doch Etwas lag im Auge offenbar,
Was dämpfen mochte allzu herbe Glut;
Mich dünkt so blickt man auf verwandtes Blut,
Deß Schmach uns bittrer als die eigne war,

Was ſelbſt den Wurm im Staub ſich krümmen macht:
Ich wußte daß der Tod ihm angeſagt.
Den Namen jener Frau dann hört' ich nennen,
Und einen Laut ſich von der Kehle trennen,
Gewaltſam zwar, ſo hohl und heißer doch,
Wie ihn die Woge ächzt im Klippenloch.
Mit raſchem Flüſtern ein der Andre fällt,
Was Wildes ſeiner Stimme war geſellt;
„Sie folgt dir!“ Ein dann eine Pauſe trat,
Und dann, und dann — hält um den Arzt man Rath.
Alsbald der Jüngre hatte ſich gewandt,
Daß beider Antlitz mir in Schatten ſtand.

Was meinſt du was durch meine Adern bebte,
Als über'm Haupt des Richters Stäbchen ſchwebte?
Nur Liſpeln hört' ich, wie die Pappel rauſcht,
Doch Angſt dem Liſpeln ſelber Deutung gab;
So feinen Ohres hab' ich nie gelauſcht.
Es ſtieg und ſank, mit einem Mal brach's ab,
Und plötzlich eine Hand ſich aufwärts ruckt,
Die winkt und winkt und nach der Pforte zuckt.
Dann fiel ſie ſchlaff hinab — es war vorbei —
Gott löſche ihm die Schuld! er gab mich frei!
Der Jüngling blickte auf den todten Mann,
Wie ſehr er ihn geliebt, man ſah's ihm an.
Doch Etwas lag im Auge offenbar,
Was dämpfen mochte allzu herbe Glut;
Mich dünkt ſo blickt man auf verwandtes Blut,
Deß Schmach uns bittrer als die eigne war,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="16">
              <pb facs="#f0489" n="475"/>
              <l>Was &#x017F;elb&#x017F;t den Wurm im Staub &#x017F;ich krümmen macht:</l><lb/>
              <l>Ich wußte daß der Tod ihm ange&#x017F;agt.</l><lb/>
              <l>Den Namen jener Frau dann hört' ich nennen,</l><lb/>
              <l>Und einen Laut &#x017F;ich von der Kehle trennen,</l><lb/>
              <l>Gewalt&#x017F;am zwar, &#x017F;o hohl und heißer doch,</l><lb/>
              <l>Wie ihn die Woge ächzt im Klippenloch.</l><lb/>
              <l>Mit ra&#x017F;chem Flü&#x017F;tern ein der Andre fällt,</l><lb/>
              <l>Was Wildes &#x017F;einer Stimme war ge&#x017F;ellt;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sie folgt dir!&#x201C; Ein dann eine Pau&#x017F;e trat,</l><lb/>
              <l>Und dann, und dann &#x2014; hält um den Arzt man Rath.</l><lb/>
              <l>Alsbald der Jüngre hatte &#x017F;ich gewandt,</l><lb/>
              <l>Daß beider Antlitz mir in Schatten &#x017F;tand.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="17">
              <l>Was mein&#x017F;t du was durch meine Adern bebte,</l><lb/>
              <l>Als über'm Haupt des Richters Stäbchen &#x017F;chwebte?</l><lb/>
              <l>Nur Li&#x017F;peln hört' ich, wie die Pappel rau&#x017F;cht,</l><lb/>
              <l>Doch Ang&#x017F;t dem Li&#x017F;peln &#x017F;elber Deutung gab;</l><lb/>
              <l>So feinen Ohres hab' ich nie gelau&#x017F;cht.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;tieg und &#x017F;ank, mit einem Mal brach's ab,</l><lb/>
              <l>Und plötzlich eine Hand &#x017F;ich aufwärts ruckt,</l><lb/>
              <l>Die winkt und winkt und nach der Pforte zuckt.</l><lb/>
              <l>Dann fiel &#x017F;ie &#x017F;chlaff hinab &#x2014; es war vorbei &#x2014;</l><lb/>
              <l>Gott lö&#x017F;che ihm die Schuld! er gab mich frei!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="18">
              <l>Der Jüngling blickte auf den todten Mann,</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;ehr er ihn geliebt, man &#x017F;ah's ihm an.</l><lb/>
              <l>Doch Etwas lag im Auge offenbar,</l><lb/>
              <l>Was dämpfen mochte allzu herbe Glut;</l><lb/>
              <l>Mich dünkt &#x017F;o blickt man auf verwandtes Blut,</l><lb/>
              <l>Deß Schmach uns bittrer als die eigne war,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0489] Was ſelbſt den Wurm im Staub ſich krümmen macht: Ich wußte daß der Tod ihm angeſagt. Den Namen jener Frau dann hört' ich nennen, Und einen Laut ſich von der Kehle trennen, Gewaltſam zwar, ſo hohl und heißer doch, Wie ihn die Woge ächzt im Klippenloch. Mit raſchem Flüſtern ein der Andre fällt, Was Wildes ſeiner Stimme war geſellt; „Sie folgt dir!“ Ein dann eine Pauſe trat, Und dann, und dann — hält um den Arzt man Rath. Alsbald der Jüngre hatte ſich gewandt, Daß beider Antlitz mir in Schatten ſtand. Was meinſt du was durch meine Adern bebte, Als über'm Haupt des Richters Stäbchen ſchwebte? Nur Liſpeln hört' ich, wie die Pappel rauſcht, Doch Angſt dem Liſpeln ſelber Deutung gab; So feinen Ohres hab' ich nie gelauſcht. Es ſtieg und ſank, mit einem Mal brach's ab, Und plötzlich eine Hand ſich aufwärts ruckt, Die winkt und winkt und nach der Pforte zuckt. Dann fiel ſie ſchlaff hinab — es war vorbei — Gott löſche ihm die Schuld! er gab mich frei! Der Jüngling blickte auf den todten Mann, Wie ſehr er ihn geliebt, man ſah's ihm an. Doch Etwas lag im Auge offenbar, Was dämpfen mochte allzu herbe Glut; Mich dünkt ſo blickt man auf verwandtes Blut, Deß Schmach uns bittrer als die eigne war,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/489
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/489>, abgerufen am 25.04.2024.