Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch nicht zu fern auf rohbehau'nen Stein
Die Lampe warf den halbentschlafnen Schein
Aus einer Schale wie mich dünkte reich
Mit Wappen oder Bildern ausgeziert.
O, daß man mich an diesen Ort geführt,
Von übler Vorbedeutung schien mir's gleich!
Denn wie man die Umgebung so vergaß,
Nachläßig war es über alles Maaß!

So irrend trifft mein Aug' auf jene Frau;
Sie ist verwandelt, in den schönen Bau
Kam Leben, aber erst wie Dämmerlicht
Sich mählig, mählig durch die Nebel bricht.
Sie sitzt nicht mehr, sie hat sich aufgerichtet,
Hält mit der Hand des Kranken Haupt gelichtet,
Sie blickt wie ein vom Schlaf erwachtes Reh.
Auf ihre Wange zog ein zarter Schein,
Wie Morgenhimmel wogend über'n Schnee
Ihm seine lichte Spuren drückte ein.
Nun hebt den Arm sie, rückt die Locken, ja!
Da plötzlich tritt mir die Erinn'rung nah,
Wien, Carneval, der Maskenball sind da.
Um diesen Nacken Perlenschnüre spielten,
In diesen dunklen Locken lag ein Kranz,
Es war als ob auf sie die Fackeln zielten,
Wenn sie vorüberglitt, ein Lichtstrom ganz.
Noch seh ich wie der milde Kerzenschein
In Atlasfalten schlüpfte aus und ein,
Wie eine Rose sich, gelös't vom Band,
Ob ihrer Augen Bronnen schien zu bücken.

Auch nicht zu fern auf rohbehau'nen Stein
Die Lampe warf den halbentſchlafnen Schein
Aus einer Schale wie mich dünkte reich
Mit Wappen oder Bildern ausgeziert.
O, daß man mich an dieſen Ort geführt,
Von übler Vorbedeutung ſchien mir's gleich!
Denn wie man die Umgebung ſo vergaß,
Nachläßig war es über alles Maaß!

So irrend trifft mein Aug' auf jene Frau;
Sie iſt verwandelt, in den ſchönen Bau
Kam Leben, aber erſt wie Dämmerlicht
Sich mählig, mählig durch die Nebel bricht.
Sie ſitzt nicht mehr, ſie hat ſich aufgerichtet,
Hält mit der Hand des Kranken Haupt gelichtet,
Sie blickt wie ein vom Schlaf erwachtes Reh.
Auf ihre Wange zog ein zarter Schein,
Wie Morgenhimmel wogend über'n Schnee
Ihm ſeine lichte Spuren drückte ein.
Nun hebt den Arm ſie, rückt die Locken, ja!
Da plötzlich tritt mir die Erinn'rung nah,
Wien, Carneval, der Maskenball ſind da.
Um dieſen Nacken Perlenſchnüre ſpielten,
In dieſen dunklen Locken lag ein Kranz,
Es war als ob auf ſie die Fackeln zielten,
Wenn ſie vorüberglitt, ein Lichtſtrom ganz.
Noch ſeh ich wie der milde Kerzenſchein
In Atlasfalten ſchlüpfte aus und ein,
Wie eine Roſe ſich, gelöſ't vom Band,
Ob ihrer Augen Bronnen ſchien zu bücken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="11">
              <pb facs="#f0484" n="470"/>
              <l>Auch nicht zu fern auf rohbehau'nen Stein</l><lb/>
              <l>Die Lampe warf den halbent&#x017F;chlafnen Schein</l><lb/>
              <l>Aus einer Schale wie mich dünkte reich</l><lb/>
              <l>Mit Wappen oder Bildern ausgeziert.</l><lb/>
              <l>O, daß man mich an die&#x017F;en Ort geführt,</l><lb/>
              <l>Von übler Vorbedeutung &#x017F;chien mir's gleich!</l><lb/>
              <l>Denn wie man die Umgebung &#x017F;o vergaß,</l><lb/>
              <l>Nachläßig war es über alles Maaß!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="12">
              <l>So irrend trifft mein Aug' auf jene Frau;</l><lb/>
              <l>Sie i&#x017F;t verwandelt, in den &#x017F;chönen Bau</l><lb/>
              <l>Kam Leben, aber er&#x017F;t wie Dämmerlicht</l><lb/>
              <l>Sich mählig, mählig durch die Nebel bricht.</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;itzt nicht mehr, &#x017F;ie hat &#x017F;ich aufgerichtet,</l><lb/>
              <l>Hält mit der Hand des Kranken Haupt gelichtet,</l><lb/>
              <l>Sie blickt wie ein vom Schlaf erwachtes Reh.</l><lb/>
              <l>Auf ihre Wange zog ein zarter Schein,</l><lb/>
              <l>Wie Morgenhimmel wogend über'n Schnee</l><lb/>
              <l>Ihm &#x017F;eine lichte Spuren drückte ein.</l><lb/>
              <l>Nun hebt den Arm &#x017F;ie, rückt die Locken, ja!</l><lb/>
              <l>Da plötzlich tritt mir die Erinn'rung nah,</l><lb/>
              <l>Wien, Carneval, der Maskenball &#x017F;ind da.</l><lb/>
              <l>Um die&#x017F;en Nacken Perlen&#x017F;chnüre &#x017F;pielten,</l><lb/>
              <l>In die&#x017F;en dunklen Locken lag ein Kranz,</l><lb/>
              <l>Es war als ob auf &#x017F;ie die Fackeln zielten,</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;ie vorüberglitt, ein Licht&#x017F;trom ganz.</l><lb/>
              <l>Noch &#x017F;eh ich wie der milde Kerzen&#x017F;chein</l><lb/>
              <l>In Atlasfalten &#x017F;chlüpfte aus und ein,</l><lb/>
              <l>Wie eine Ro&#x017F;e &#x017F;ich, gelö&#x017F;'t vom Band,</l><lb/>
              <l>Ob ihrer Augen Bronnen &#x017F;chien zu bücken.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[470/0484] Auch nicht zu fern auf rohbehau'nen Stein Die Lampe warf den halbentſchlafnen Schein Aus einer Schale wie mich dünkte reich Mit Wappen oder Bildern ausgeziert. O, daß man mich an dieſen Ort geführt, Von übler Vorbedeutung ſchien mir's gleich! Denn wie man die Umgebung ſo vergaß, Nachläßig war es über alles Maaß! So irrend trifft mein Aug' auf jene Frau; Sie iſt verwandelt, in den ſchönen Bau Kam Leben, aber erſt wie Dämmerlicht Sich mählig, mählig durch die Nebel bricht. Sie ſitzt nicht mehr, ſie hat ſich aufgerichtet, Hält mit der Hand des Kranken Haupt gelichtet, Sie blickt wie ein vom Schlaf erwachtes Reh. Auf ihre Wange zog ein zarter Schein, Wie Morgenhimmel wogend über'n Schnee Ihm ſeine lichte Spuren drückte ein. Nun hebt den Arm ſie, rückt die Locken, ja! Da plötzlich tritt mir die Erinn'rung nah, Wien, Carneval, der Maskenball ſind da. Um dieſen Nacken Perlenſchnüre ſpielten, In dieſen dunklen Locken lag ein Kranz, Es war als ob auf ſie die Fackeln zielten, Wenn ſie vorüberglitt, ein Lichtſtrom ganz. Noch ſeh ich wie der milde Kerzenſchein In Atlasfalten ſchlüpfte aus und ein, Wie eine Roſe ſich, gelöſ't vom Band, Ob ihrer Augen Bronnen ſchien zu bücken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/484
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/484>, abgerufen am 24.04.2024.