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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Die Träume ziehen, schwer wie Blei und leicht wie Dunst,
um Flaum und Streue,
In Gold der hagere Poet, der dürre Klepper wühlt im
Heue,
Vom Kranze träumt die Braut, vom Helm
Der Krieger, und vom Strick der Schelm.

In jener Kammer, wo sich matt der Fenster tiefes Grau
schattiret,
Hörst du ein Rieseln, wie die Luft der Steppe zarten Staub
entführet?
Und ein Gesäusel, wie im Glas gefangner Bremse Flügel
wispelt?
Vielleicht 'ne Sanduhr die verrinnt? ein Mäuschen das im
Kalke rispelt?
So scharf es geht, so bohrend ein
Wie Sensenwetzen am Gestein.
Und dort am Hange -- Phosphorlicht, wie's kranken Gliedern
sich entwickelt?
Ein grünlich Leuchten, das wie Flaum mit hundert Fäden
wirrt und prickelt,
Gestaltlos, nur ein glüher Punkt in Mitten wo die Fasern
quellen,
Mit klingelndem Gesäusel sich an der Phiole Wände schnellen,
Und drüber, wo der Schein zerfleußt,
Ein dunkler Augenspiegel gleißt.
Und immer krimmelts, wimmelts fort, die grüne Wand des
Glases streifend,
Ein glüher gieriger Polyp, vergebens nach der Beute greifend,

Die Träume ziehen, ſchwer wie Blei und leicht wie Dunſt,
um Flaum und Streue,
In Gold der hagere Poet, der dürre Klepper wühlt im
Heue,
Vom Kranze träumt die Braut, vom Helm
Der Krieger, und vom Strick der Schelm.

In jener Kammer, wo ſich matt der Fenſter tiefes Grau
ſchattiret,
Hörſt du ein Rieſeln, wie die Luft der Steppe zarten Staub
entführet?
Und ein Geſäuſel, wie im Glas gefangner Bremſe Flügel
wiſpelt?
Vielleicht 'ne Sanduhr die verrinnt? ein Mäuschen das im
Kalke riſpelt?
So ſcharf es geht, ſo bohrend ein
Wie Senſenwetzen am Geſtein.
Und dort am Hange — Phosphorlicht, wie's kranken Gliedern
ſich entwickelt?
Ein grünlich Leuchten, das wie Flaum mit hundert Fäden
wirrt und prickelt,
Geſtaltlos, nur ein glüher Punkt in Mitten wo die Faſern
quellen,
Mit klingelndem Geſäuſel ſich an der Phiole Wände ſchnellen,
Und drüber, wo der Schein zerfleußt,
Ein dunkler Augenſpiegel gleißt.
Und immer krimmelts, wimmelts fort, die grüne Wand des
Glaſes ſtreifend,
Ein glüher gieriger Polyp, vergebens nach der Beute greifend,
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[387/0401] Die Träume ziehen, ſchwer wie Blei und leicht wie Dunſt, um Flaum und Streue, In Gold der hagere Poet, der dürre Klepper wühlt im Heue, Vom Kranze träumt die Braut, vom Helm Der Krieger, und vom Strick der Schelm. In jener Kammer, wo ſich matt der Fenſter tiefes Grau ſchattiret, Hörſt du ein Rieſeln, wie die Luft der Steppe zarten Staub entführet? Und ein Geſäuſel, wie im Glas gefangner Bremſe Flügel wiſpelt? Vielleicht 'ne Sanduhr die verrinnt? ein Mäuschen das im Kalke riſpelt? So ſcharf es geht, ſo bohrend ein Wie Senſenwetzen am Geſtein. Und dort am Hange — Phosphorlicht, wie's kranken Gliedern ſich entwickelt? Ein grünlich Leuchten, das wie Flaum mit hundert Fäden wirrt und prickelt, Geſtaltlos, nur ein glüher Punkt in Mitten wo die Faſern quellen, Mit klingelndem Geſäuſel ſich an der Phiole Wände ſchnellen, Und drüber, wo der Schein zerfleußt, Ein dunkler Augenſpiegel gleißt. Und immer krimmelts, wimmelts fort, die grüne Wand des Glaſes ſtreifend, Ein glüher gieriger Polyp, vergebens nach der Beute greifend,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/401>, abgerufen am 28.03.2024.