Aus Strandgebälken, morsch, zertrümmert, Hat man den Galgen, dicht am Meer, In wüster Eile aufgezimmert. Dort dräut er von der Düne her!
Welch ein Getümmel an den Schranken! -- "Da kömmt der Frei -- der Hessel jetzt -- Da bringen sie den schwarzen Franken, Der hat geläugnet bis zuletzt." "Schiffbrüchig sey er hergeschwommen," Höhnt eine Alte: "Ei, wie kühn! Doch Keiner sprach zu seinem Frommen, Die ganze Bande gegen ihn."
Der Passagier, am Galgen stehend, Hohläugig, mit zerbrochnem Muth, Zu jedem Räuber flüstert flehend: "Was that dir mein unschuldig Blut! Barmherzigkeit! -- so muß ich sterben Durch des Gesindels Lügenwort, O mög' die Seele euch verderben!" Da zieht ihn schon der Scherge fort.
Er sieht die Menge wogend spalten -- Er hört das Summen im Gewühl -- Nun weiß er, daß des Himmels Walten Nur seiner Pfaffen Gaukelspiel! Und als er in des Hohnes Stolze Will starren nach den Aetherhöhn, Da liest er an des Galgens Holze: "Batavia. Fünfhundert Zehn.
Aus Strandgebälken, morſch, zertrümmert, Hat man den Galgen, dicht am Meer, In wüſter Eile aufgezimmert. Dort dräut er von der Düne her!
Welch ein Getümmel an den Schranken! — „Da kömmt der Frei — der Heſſel jetzt — Da bringen ſie den ſchwarzen Franken, Der hat geläugnet bis zuletzt.“ „Schiffbrüchig ſey er hergeſchwommen,“ Höhnt eine Alte: „Ei, wie kühn! Doch Keiner ſprach zu ſeinem Frommen, Die ganze Bande gegen ihn.“
Der Paſſagier, am Galgen ſtehend, Hohläugig, mit zerbrochnem Muth, Zu jedem Räuber flüſtert flehend: „Was that dir mein unſchuldig Blut! Barmherzigkeit! — ſo muß ich ſterben Durch des Geſindels Lügenwort, O mög' die Seele euch verderben!“ Da zieht ihn ſchon der Scherge fort.
Er ſieht die Menge wogend ſpalten — Er hört das Summen im Gewühl — Nun weiß er, daß des Himmels Walten Nur ſeiner Pfaffen Gaukelſpiel! Und als er in des Hohnes Stolze Will ſtarren nach den Aetherhöhn, Da lieſt er an des Galgens Holze: „Batavia. Fünfhundert Zehn.
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Aus Strandgebälken, morſch, zertrümmert,
Hat man den Galgen, dicht am Meer,
In wüſter Eile aufgezimmert.
Dort dräut er von der Düne her!
Welch ein Getümmel an den Schranken! —
„Da kömmt der Frei — der Heſſel jetzt —
Da bringen ſie den ſchwarzen Franken,
Der hat geläugnet bis zuletzt.“
„Schiffbrüchig ſey er hergeſchwommen,“
Höhnt eine Alte: „Ei, wie kühn!
Doch Keiner ſprach zu ſeinem Frommen,
Die ganze Bande gegen ihn.“
Der Paſſagier, am Galgen ſtehend,
Hohläugig, mit zerbrochnem Muth,
Zu jedem Räuber flüſtert flehend:
„Was that dir mein unſchuldig Blut!
Barmherzigkeit! — ſo muß ich ſterben
Durch des Geſindels Lügenwort,
O mög' die Seele euch verderben!“
Da zieht ihn ſchon der Scherge fort.
Er ſieht die Menge wogend ſpalten —
Er hört das Summen im Gewühl —
Nun weiß er, daß des Himmels Walten
Nur ſeiner Pfaffen Gaukelſpiel!
Und als er in des Hohnes Stolze
Will ſtarren nach den Aetherhöhn,
Da lieſt er an des Galgens Holze:
„Batavia. Fünfhundert Zehn.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/356>, abgerufen am 25.04.2024.
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