Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie ist es schauerlich im weiten
Versteinten öden Palmenwald,
Wo die Gedanken niedergleiten
Wie Anakonden schwer und kalt;
Und blutig sich der Schatten hebt
Am blut'gen Märtyrer der Scheibe,
Wie neben dem gebannten Leibe
Die Seele schwebt. *
Der Ampel Schein verlosch, im Schiffe
Schläft halbgeschlossen Blum' und Kraut;
Wie nackt gespülte Uferriffe
Die Streben lehnen, tief ergraut;
Anschwellend zum Altare dort,
Dann aufwärts dehnend, lang gezogen,
Schlingen die Häupter sie zu Bogen,
Und schlummern fort.
Und immer schwerer will es rinnen
Von Quader, Säulenknauf und Schaft,
Und in dem Strale will's gewinnen
Ein dunstig Leben, geisterhaft:
Da horch! es dröhnt im Thurme -- ha!
Die Glocke summt -- da leise säuselt
Der Dunst, er zucket, wimmelt, kräuselt, --
Nun steht es da! --
Ein Nebelmäntlein umgeschlagen,
Ein graues Käppchen, grau Gewand,
* Nach der Zaubersage.
Wie iſt es ſchauerlich im weiten
Verſteinten öden Palmenwald,
Wo die Gedanken niedergleiten
Wie Anakonden ſchwer und kalt;
Und blutig ſich der Schatten hebt
Am blut'gen Märtyrer der Scheibe,
Wie neben dem gebannten Leibe
Die Seele ſchwebt. *
Der Ampel Schein verloſch, im Schiffe
Schläft halbgeſchloſſen Blum' und Kraut;
Wie nackt geſpülte Uferriffe
Die Streben lehnen, tief ergraut;
Anſchwellend zum Altare dort,
Dann aufwärts dehnend, lang gezogen,
Schlingen die Häupter ſie zu Bogen,
Und ſchlummern fort.
Und immer ſchwerer will es rinnen
Von Quader, Säulenknauf und Schaft,
Und in dem Strale will's gewinnen
Ein dunſtig Leben, geiſterhaft:
Da horch! es dröhnt im Thurme — ha!
Die Glocke ſummt — da leiſe ſäuſelt
Der Dunſt, er zucket, wimmelt, kräuſelt, —
Nun ſteht es da! —
Ein Nebelmäntlein umgeſchlagen,
Ein graues Käppchen, grau Gewand,
* Nach der Zauberſage.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0349" n="335"/>
            <lg n="4">
              <l>Wie i&#x017F;t es &#x017F;chauerlich im weiten</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;teinten öden Palmenwald,</l><lb/>
              <l>Wo die Gedanken niedergleiten</l><lb/>
              <l>Wie Anakonden &#x017F;chwer und kalt;</l><lb/>
              <l>Und blutig &#x017F;ich der Schatten hebt</l><lb/>
              <l>Am blut'gen Märtyrer der Scheibe,</l><lb/>
              <l>Wie neben dem gebannten Leibe</l><lb/>
              <l>Die Seele &#x017F;chwebt. <note place="foot" n="*">Nach der Zauber&#x017F;age.<lb/></note></l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Der Ampel Schein verlo&#x017F;ch, im Schiffe</l><lb/>
              <l>Schläft halbge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en Blum' und Kraut;</l><lb/>
              <l>Wie nackt ge&#x017F;pülte Uferriffe</l><lb/>
              <l>Die Streben lehnen, tief ergraut;</l><lb/>
              <l>An&#x017F;chwellend zum Altare dort,</l><lb/>
              <l>Dann aufwärts dehnend, lang gezogen,</l><lb/>
              <l>Schlingen die Häupter &#x017F;ie zu Bogen,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chlummern fort.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Und immer &#x017F;chwerer will es rinnen</l><lb/>
              <l>Von Quader, Säulenknauf und Schaft,</l><lb/>
              <l>Und in dem Strale will's gewinnen</l><lb/>
              <l>Ein dun&#x017F;tig Leben, gei&#x017F;terhaft:</l><lb/>
              <l>Da horch! es dröhnt im Thurme &#x2014; ha!</l><lb/>
              <l>Die Glocke &#x017F;ummt &#x2014; da lei&#x017F;e &#x017F;äu&#x017F;elt</l><lb/>
              <l>Der Dun&#x017F;t, er zucket, wimmelt, kräu&#x017F;elt, &#x2014;</l><lb/>
              <l>Nun &#x017F;teht es da! &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <l>Ein Nebelmäntlein umge&#x017F;chlagen,</l><lb/>
              <l>Ein graues Käppchen, grau Gewand,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0349] Wie iſt es ſchauerlich im weiten Verſteinten öden Palmenwald, Wo die Gedanken niedergleiten Wie Anakonden ſchwer und kalt; Und blutig ſich der Schatten hebt Am blut'gen Märtyrer der Scheibe, Wie neben dem gebannten Leibe Die Seele ſchwebt. * Der Ampel Schein verloſch, im Schiffe Schläft halbgeſchloſſen Blum' und Kraut; Wie nackt geſpülte Uferriffe Die Streben lehnen, tief ergraut; Anſchwellend zum Altare dort, Dann aufwärts dehnend, lang gezogen, Schlingen die Häupter ſie zu Bogen, Und ſchlummern fort. Und immer ſchwerer will es rinnen Von Quader, Säulenknauf und Schaft, Und in dem Strale will's gewinnen Ein dunſtig Leben, geiſterhaft: Da horch! es dröhnt im Thurme — ha! Die Glocke ſummt — da leiſe ſäuſelt Der Dunſt, er zucket, wimmelt, kräuſelt, — Nun ſteht es da! — Ein Nebelmäntlein umgeſchlagen, Ein graues Käppchen, grau Gewand, * Nach der Zauberſage.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/349
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/349>, abgerufen am 18.04.2024.