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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Doch da ihm Pech und Schwefel glüht,
Was andern Schächern mild und süße,
So bleibt er besser im Verließe,
Ein wohlkasteiter Eremit."

Und drunten spricht's mit mildem Tone:
"Du der, des Himmels höchste Zier,
Gezogen bist zur Dornenkrone
Auf einem still demüth'gen Thier,
Du, der des Mondes Lieblichkeit
In meinen Kerker ließest rinnen,
Gezähmt mir die vertrauten Spinnen,
Du, Milder, seyst gebenedeit!"
Und Gottfried, kämpfend mit den Thränen,
Ergreift den Humpen, noch gefüllt,
Vor seinem Ohr ein leises Stöhnen,
Vor seinem Aug' ein bleiches Bild.
O, dringen möcht er durch den Stein,
Wo seine sünd'gen Füße stehen,
O, einmal, einmal möcht' er sehen
Durch Lichterglanz den Heil'genschein!
"Ha!" zürnt der Graf, "was ließ ich schenken
Dir meinen allerbesten Wein!
Eh möcht' ich einen Schädel tränken,
Ja, oder einen Leichenstein.
Gottfried, Gottfried, ich schwör es dir,
So wahr ich Friedrich" -- seht ihn stocken,
Vor seinem Auge schwimmen Flocken,
Er hebt sich auf, er schwankt zur Thür,

Doch da ihm Pech und Schwefel glüht,
Was andern Schächern mild und ſüße,
So bleibt er beſſer im Verließe,
Ein wohlkaſteiter Eremit.“

Und drunten ſpricht's mit mildem Tone:
„Du der, des Himmels höchſte Zier,
Gezogen biſt zur Dornenkrone
Auf einem ſtill demüth'gen Thier,
Du, der des Mondes Lieblichkeit
In meinen Kerker ließeſt rinnen,
Gezähmt mir die vertrauten Spinnen,
Du, Milder, ſeyſt gebenedeit!“
Und Gottfried, kämpfend mit den Thränen,
Ergreift den Humpen, noch gefüllt,
Vor ſeinem Ohr ein leiſes Stöhnen,
Vor ſeinem Aug' ein bleiches Bild.
O, dringen möcht er durch den Stein,
Wo ſeine ſünd'gen Füße ſtehen,
O, einmal, einmal möcht' er ſehen
Durch Lichterglanz den Heil'genſchein!
„Ha!“ zürnt der Graf, „was ließ ich ſchenken
Dir meinen allerbeſten Wein!
Eh möcht' ich einen Schädel tränken,
Ja, oder einen Leichenſtein.
Gottfried, Gottfried, ich ſchwör es dir,
So wahr ich Friedrich“ — ſeht ihn ſtocken,
Vor ſeinem Auge ſchwimmen Flocken,
Er hebt ſich auf, er ſchwankt zur Thür,
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[287/0301] Doch da ihm Pech und Schwefel glüht, Was andern Schächern mild und ſüße, So bleibt er beſſer im Verließe, Ein wohlkaſteiter Eremit.“ Und drunten ſpricht's mit mildem Tone: „Du der, des Himmels höchſte Zier, Gezogen biſt zur Dornenkrone Auf einem ſtill demüth'gen Thier, Du, der des Mondes Lieblichkeit In meinen Kerker ließeſt rinnen, Gezähmt mir die vertrauten Spinnen, Du, Milder, ſeyſt gebenedeit!“ Und Gottfried, kämpfend mit den Thränen, Ergreift den Humpen, noch gefüllt, Vor ſeinem Ohr ein leiſes Stöhnen, Vor ſeinem Aug' ein bleiches Bild. O, dringen möcht er durch den Stein, Wo ſeine ſünd'gen Füße ſtehen, O, einmal, einmal möcht' er ſehen Durch Lichterglanz den Heil'genſchein! „Ha!“ zürnt der Graf, „was ließ ich ſchenken Dir meinen allerbeſten Wein! Eh möcht' ich einen Schädel tränken, Ja, oder einen Leichenſtein. Gottfried, Gottfried, ich ſchwör es dir, So wahr ich Friedrich“ — ſeht ihn ſtocken, Vor ſeinem Auge ſchwimmen Flocken, Er hebt ſich auf, er ſchwankt zur Thür,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/301>, abgerufen am 18.04.2024.