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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Ein Sprichwort sagt: wem gar nichts fehlt,
Den ärgert an der Wand die Fliege;
So hat dies Wort ihn mehr gequält,
Als Andre Hinterlist und Lüge.
Und sprach sie sanft: "es paßte schlecht!"
Durch Demuth seinen Groll zu zähmen,
So schwur er, übel oder recht,
Werd' es ihn ärgern und beschämen.
Ein Blüthenhaag war seine Lust.
Einst sah die Frau ihn sinnend stehen,
Und ganz versunken, unbewußt,
So Zweig an Zweig vom Strauche drehen;
"In Gottes Namen!" rief sie, "Mann,
"Du ruinirst den ganzen Hagen!"
Der Gatte sah sie grimmig an,
Fürwahr, fast hätt' er sie geschlagen.
Doch wer da Unglück sucht und Reu,
Dem werden sie entgegen eilen,
Der Handel ist ein zart Gebäu,
Und ruht gar sehr auf fremden Säulen.
Ein Freund fallirt, ein Schuldner flieht,
Ein Gläub'ger will sich nicht gedulden,
Und eh ein halbes Jahr verzieht
Weiß unser Krämer sich in Schulden.
Die Gattin hat ihn oft gesehn
Gedankenvoll im Sande waten,
Am Contobuche seufzend stehn,
Und hat ihn endlich auch errathen;
v. Droste-Hülshof, Gedichte 15
Ein Sprichwort ſagt: wem gar nichts fehlt,
Den ärgert an der Wand die Fliege;
So hat dies Wort ihn mehr gequält,
Als Andre Hinterliſt und Lüge.
Und ſprach ſie ſanft: „es paßte ſchlecht!“
Durch Demuth ſeinen Groll zu zähmen,
So ſchwur er, übel oder recht,
Werd' es ihn ärgern und beſchämen.
Ein Blüthenhaag war ſeine Luſt.
Einſt ſah die Frau ihn ſinnend ſtehen,
Und ganz verſunken, unbewußt,
So Zweig an Zweig vom Strauche drehen;
„In Gottes Namen!“ rief ſie, „Mann,
„Du ruinirſt den ganzen Hagen!“
Der Gatte ſah ſie grimmig an,
Fürwahr, faſt hätt' er ſie geſchlagen.
Doch wer da Unglück ſucht und Reu,
Dem werden ſie entgegen eilen,
Der Handel iſt ein zart Gebäu,
Und ruht gar ſehr auf fremden Säulen.
Ein Freund fallirt, ein Schuldner flieht,
Ein Gläub'ger will ſich nicht gedulden,
Und eh ein halbes Jahr verzieht
Weiß unſer Krämer ſich in Schulden.
Die Gattin hat ihn oft geſehn
Gedankenvoll im Sande waten,
Am Contobuche ſeufzend ſtehn,
Und hat ihn endlich auch errathen;
v. Droſte-Hülshof, Gedichte 15
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[225/0239] Ein Sprichwort ſagt: wem gar nichts fehlt, Den ärgert an der Wand die Fliege; So hat dies Wort ihn mehr gequält, Als Andre Hinterliſt und Lüge. Und ſprach ſie ſanft: „es paßte ſchlecht!“ Durch Demuth ſeinen Groll zu zähmen, So ſchwur er, übel oder recht, Werd' es ihn ärgern und beſchämen. Ein Blüthenhaag war ſeine Luſt. Einſt ſah die Frau ihn ſinnend ſtehen, Und ganz verſunken, unbewußt, So Zweig an Zweig vom Strauche drehen; „In Gottes Namen!“ rief ſie, „Mann, „Du ruinirſt den ganzen Hagen!“ Der Gatte ſah ſie grimmig an, Fürwahr, faſt hätt' er ſie geſchlagen. Doch wer da Unglück ſucht und Reu, Dem werden ſie entgegen eilen, Der Handel iſt ein zart Gebäu, Und ruht gar ſehr auf fremden Säulen. Ein Freund fallirt, ein Schuldner flieht, Ein Gläub'ger will ſich nicht gedulden, Und eh ein halbes Jahr verzieht Weiß unſer Krämer ſich in Schulden. Die Gattin hat ihn oft geſehn Gedankenvoll im Sande waten, Am Contobuche ſeufzend ſtehn, Und hat ihn endlich auch errathen; v. Droſte-Hülshof, Gedichte 15

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/239>, abgerufen am 25.04.2024.