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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Und Dämpfe qualmen auf und schlagen
Zurück vom Wirbel des Gespanns;
Ja, schwere Bürde trägt der Wagen,
Die Wünsche eines reichen Manns!

Und hinter ihm ein Licht so schwankend,
Der Träger tritt so sachte auf,
Nun lehnt er an der Mauer, wankend,
Sein hohler Husten schallt hinauf;
Er öffnet der Laterne Reifen,
Es zupfen Finger lang und fahl
Am Dochte, Odemzüge pfeifen, --
Du, Armer, kniest zum letztenmal.
Dann Licht an Lichtern längs der Mauer,
Wie Meteore irr geschaart,
Ein krankes Weib, in tiefer Trauer,
Husaren mit bereiftem Bart,
In Filz und Kittel stämmge Bauern,
Den Rosenkranz in starrer Faust,
Und Mädchen die wie Falken lauern,
Von Mantels Fittigen umsaust.
Wie oft hab' ich als Kind im Spiele
Gelauscht den Funken im Papier,
Der Sternchen zitterndem Gewühle,
Und: "Kirchengänger!" sagten wir;
So seh' ichs wimmeln um die Wette
Und löschen, wo der Pfad sich eint,
Nachzügler noch, dann grau die Stätte,
Nur einsam die Rotunde scheint.

Und Dämpfe qualmen auf und ſchlagen
Zurück vom Wirbel des Geſpanns;
Ja, ſchwere Bürde trägt der Wagen,
Die Wünſche eines reichen Manns!

Und hinter ihm ein Licht ſo ſchwankend,
Der Träger tritt ſo ſachte auf,
Nun lehnt er an der Mauer, wankend,
Sein hohler Huſten ſchallt hinauf;
Er öffnet der Laterne Reifen,
Es zupfen Finger lang und fahl
Am Dochte, Odemzüge pfeifen, —
Du, Armer, knieſt zum letztenmal.
Dann Licht an Lichtern längs der Mauer,
Wie Meteore irr geſchaart,
Ein krankes Weib, in tiefer Trauer,
Huſaren mit bereiftem Bart,
In Filz und Kittel ſtämmge Bauern,
Den Roſenkranz in ſtarrer Fauſt,
Und Mädchen die wie Falken lauern,
Von Mantels Fittigen umſauſt.
Wie oft hab' ich als Kind im Spiele
Gelauſcht den Funken im Papier,
Der Sternchen zitterndem Gewühle,
Und: „Kirchengänger!“ ſagten wir;
So ſeh' ichs wimmeln um die Wette
Und löſchen, wo der Pfad ſich eint,
Nachzügler noch, dann grau die Stätte,
Nur einſam die Rotunde ſcheint.
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[203/0217] Und Dämpfe qualmen auf und ſchlagen Zurück vom Wirbel des Geſpanns; Ja, ſchwere Bürde trägt der Wagen, Die Wünſche eines reichen Manns! Und hinter ihm ein Licht ſo ſchwankend, Der Träger tritt ſo ſachte auf, Nun lehnt er an der Mauer, wankend, Sein hohler Huſten ſchallt hinauf; Er öffnet der Laterne Reifen, Es zupfen Finger lang und fahl Am Dochte, Odemzüge pfeifen, — Du, Armer, knieſt zum letztenmal. Dann Licht an Lichtern längs der Mauer, Wie Meteore irr geſchaart, Ein krankes Weib, in tiefer Trauer, Huſaren mit bereiftem Bart, In Filz und Kittel ſtämmge Bauern, Den Roſenkranz in ſtarrer Fauſt, Und Mädchen die wie Falken lauern, Von Mantels Fittigen umſauſt. Wie oft hab' ich als Kind im Spiele Gelauſcht den Funken im Papier, Der Sternchen zitterndem Gewühle, Und: „Kirchengänger!“ ſagten wir; So ſeh' ichs wimmeln um die Wette Und löſchen, wo der Pfad ſich eint, Nachzügler noch, dann grau die Stätte, Nur einſam die Rotunde ſcheint.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/217>, abgerufen am 28.03.2024.