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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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soll sie es verbergen, "wie ein Calvinist seinen Glauben" -
sagt Goethe.

Arme Frauen, sie gemahnen mich an jenen Hand-
werksburschen, der nirgends heimathberechtigt, zeitlebens
zwischen den Grenzsteinen zweier Gebiete wandern, wan-
dern mußte.

Guter Mann, laß doch einmal auf einen Augenblick
die Heuchelei und bekenne offen, ich brauche für meine
Zärtlichkeit eine Gattin, für mein Haus eine Wirth-
schafterin, aber setze nicht hinzu: eine Erzieherin für
meine Kinder. Wenn Deine Friederike Dir nicht eine
wahre Freundin sein kann, wenn sie nicht selbstdenkend
an Deinem Seelenleben Theil nimmt, so wird sie auch
nimmermehr Deine Kinder zu Ebenbildern Gottes er-
ziehen.

Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Junge
und Alte, sie Alle treffen in dem wunderlichen Einfall
zusammen, daß die Mutter nur den Jnstinkt braucht
walten zu lassen, um das Kind zu einem Ausbund
körperlicher und geistiger Vortrefflichkeit zu erziehen, sie
Alle behaupten, daß die Mutterliebe der Quell ist, aus
dem alle Weisheit fließt. (Worte eines Dichters.)

Wenden wir aber von dieser Phrase unsern Blick
dem wirklichen Leben zu, so wird der Glaube an diesen

soll sie es verbergen, „wie ein Calvinist seinen Glauben‟ –
sagt Goethe.

Arme Frauen, sie gemahnen mich an jenen Hand-
werksburschen, der nirgends heimathberechtigt, zeitlebens
zwischen den Grenzsteinen zweier Gebiete wandern, wan-
dern mußte.

Guter Mann, laß doch einmal auf einen Augenblick
die Heuchelei und bekenne offen, ich brauche für meine
Zärtlichkeit eine Gattin, für mein Haus eine Wirth-
schafterin, aber setze nicht hinzu: eine Erzieherin für
meine Kinder. Wenn Deine Friederike Dir nicht eine
wahre Freundin sein kann, wenn sie nicht selbstdenkend
an Deinem Seelenleben Theil nimmt, so wird sie auch
nimmermehr Deine Kinder zu Ebenbildern Gottes er-
ziehen.

Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Junge
und Alte, sie Alle treffen in dem wunderlichen Einfall
zusammen, daß die Mutter nur den Jnstinkt braucht
walten zu lassen, um das Kind zu einem Ausbund
körperlicher und geistiger Vortrefflichkeit zu erziehen, sie
Alle behaupten, daß die Mutterliebe der Quell ist, aus
dem alle Weisheit fließt. (Worte eines Dichters.)

Wenden wir aber von dieser Phrase unsern Blick
dem wirklichen Leben zu, so wird der Glaube an diesen

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[41/0049] soll sie es verbergen, „wie ein Calvinist seinen Glauben‟ – sagt Goethe. Arme Frauen, sie gemahnen mich an jenen Hand- werksburschen, der nirgends heimathberechtigt, zeitlebens zwischen den Grenzsteinen zweier Gebiete wandern, wan- dern mußte. Guter Mann, laß doch einmal auf einen Augenblick die Heuchelei und bekenne offen, ich brauche für meine Zärtlichkeit eine Gattin, für mein Haus eine Wirth- schafterin, aber setze nicht hinzu: eine Erzieherin für meine Kinder. Wenn Deine Friederike Dir nicht eine wahre Freundin sein kann, wenn sie nicht selbstdenkend an Deinem Seelenleben Theil nimmt, so wird sie auch nimmermehr Deine Kinder zu Ebenbildern Gottes er- ziehen. Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Junge und Alte, sie Alle treffen in dem wunderlichen Einfall zusammen, daß die Mutter nur den Jnstinkt braucht walten zu lassen, um das Kind zu einem Ausbund körperlicher und geistiger Vortrefflichkeit zu erziehen, sie Alle behaupten, daß die Mutterliebe der Quell ist, aus dem alle Weisheit fließt. (Worte eines Dichters.) Wenden wir aber von dieser Phrase unsern Blick dem wirklichen Leben zu, so wird der Glaube an diesen

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/49>, abgerufen am 25.04.2024.