Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

und scharfem Verstande ausgestattet, müßte ihm ja
wie ein zweites Gewissen gegenüber stehen. Er will
eine Frau, nicht einen Richter - Gott, man hat an
seinem eignen Gewissen schon genug.

Kurz und gut: Ein Tag und eine Stunde könnten
kommen, wo alle Welt ihn als Mensch verdammt und
verurtheilt, da will er wenigstens als Gatte noch Au-
torität üben. Wenn Jedermann ihn in die Kategorie
der "Lumpe" verweist, dann will er wenigstens in ihrer
Vorstellung fortleben, als Held und Charakter. Wie
das indische Gesetzbuch diesen männlichen Gedanken so
schön in Worte faßt: "Sollte ein Ehemann auch die
eingeführten Gebräuche nicht beobachten, in eine andere
Frau verliebt sein oder keine guten Eigenschaften haben,
so muß ein tugendhaftes Weib ihn doch immer als
einen Gott verehren."

Die thörichten Männer! Sie wissen nicht, daß im
allgemeinen ein beschränkter Frauenverstand und eine
dürftige Frauenseele selbst geringe Fehler des Mannes
schwer verzeihen und lange nachtragen würde, und daß
Vergeben und Vergessen viel eher Attribute sind einer
hohen Jntelligenz und einer starken Seele.

Jch erinnere hier an das so verpönte und doch
so tief philosophisch gedachte französische Wort: "tout
comprendre est tout pardonner
."

und scharfem Verstande ausgestattet, müßte ihm ja
wie ein zweites Gewissen gegenüber stehen. Er will
eine Frau, nicht einen Richter – Gott, man hat an
seinem eignen Gewissen schon genug.

Kurz und gut: Ein Tag und eine Stunde könnten
kommen, wo alle Welt ihn als Mensch verdammt und
verurtheilt, da will er wenigstens als Gatte noch Au-
torität üben. Wenn Jedermann ihn in die Kategorie
der „Lumpe‟ verweist, dann will er wenigstens in ihrer
Vorstellung fortleben, als Held und Charakter. Wie
das indische Gesetzbuch diesen männlichen Gedanken so
schön in Worte faßt: „Sollte ein Ehemann auch die
eingeführten Gebräuche nicht beobachten, in eine andere
Frau verliebt sein oder keine guten Eigenschaften haben,
so muß ein tugendhaftes Weib ihn doch immer als
einen Gott verehren.‟

Die thörichten Männer! Sie wissen nicht, daß im
allgemeinen ein beschränkter Frauenverstand und eine
dürftige Frauenseele selbst geringe Fehler des Mannes
schwer verzeihen und lange nachtragen würde, und daß
Vergeben und Vergessen viel eher Attribute sind einer
hohen Jntelligenz und einer starken Seele.

Jch erinnere hier an das so verpönte und doch
so tief philosophisch gedachte französische Wort: „tout
comprendre est tout pardonner
.‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="37"/>
und scharfem Verstande ausgestattet, müßte ihm ja<lb/>
wie ein zweites Gewissen gegenüber stehen. Er will<lb/>
eine Frau, nicht einen Richter &#x2013; Gott, man hat an<lb/>
seinem eignen Gewissen schon genug.</p><lb/>
          <p>Kurz und gut: Ein Tag und eine Stunde könnten<lb/>
kommen, wo alle Welt ihn als Mensch verdammt und<lb/>
verurtheilt, da will er wenigstens als Gatte noch Au-<lb/>
torität üben. Wenn Jedermann ihn in die Kategorie<lb/>
der &#x201E;Lumpe&#x201F; verweist, dann will er wenigstens in ihrer<lb/>
Vorstellung fortleben, als Held und Charakter. Wie<lb/>
das indische Gesetzbuch diesen männlichen Gedanken so<lb/>
schön in Worte faßt: &#x201E;Sollte ein Ehemann auch die<lb/>
eingeführten Gebräuche nicht beobachten, in eine andere<lb/>
Frau verliebt sein oder keine guten Eigenschaften haben,<lb/>
so muß ein tugendhaftes Weib ihn doch immer als<lb/>
einen Gott verehren.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Die thörichten Männer! Sie wissen nicht, daß im<lb/>
allgemeinen ein beschränkter Frauenverstand und eine<lb/>
dürftige Frauenseele selbst geringe Fehler des Mannes<lb/>
schwer verzeihen und lange nachtragen würde, und daß<lb/>
Vergeben und Vergessen viel eher Attribute sind einer<lb/>
hohen Jntelligenz und einer starken Seele.</p><lb/>
          <p>Jch erinnere hier an das so verpönte und doch<lb/>
so tief philosophisch gedachte französische Wort: &#x201E;<hi rendition="#aq">tout<lb/>
comprendre est tout pardonner</hi>.&#x201F;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0045] und scharfem Verstande ausgestattet, müßte ihm ja wie ein zweites Gewissen gegenüber stehen. Er will eine Frau, nicht einen Richter – Gott, man hat an seinem eignen Gewissen schon genug. Kurz und gut: Ein Tag und eine Stunde könnten kommen, wo alle Welt ihn als Mensch verdammt und verurtheilt, da will er wenigstens als Gatte noch Au- torität üben. Wenn Jedermann ihn in die Kategorie der „Lumpe‟ verweist, dann will er wenigstens in ihrer Vorstellung fortleben, als Held und Charakter. Wie das indische Gesetzbuch diesen männlichen Gedanken so schön in Worte faßt: „Sollte ein Ehemann auch die eingeführten Gebräuche nicht beobachten, in eine andere Frau verliebt sein oder keine guten Eigenschaften haben, so muß ein tugendhaftes Weib ihn doch immer als einen Gott verehren.‟ Die thörichten Männer! Sie wissen nicht, daß im allgemeinen ein beschränkter Frauenverstand und eine dürftige Frauenseele selbst geringe Fehler des Mannes schwer verzeihen und lange nachtragen würde, und daß Vergeben und Vergessen viel eher Attribute sind einer hohen Jntelligenz und einer starken Seele. Jch erinnere hier an das so verpönte und doch so tief philosophisch gedachte französische Wort: „tout comprendre est tout pardonner.‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/45
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/45>, abgerufen am 23.04.2024.