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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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nicht oder nur ausnahmsweise (wenigstens in Deutsch-
land, die Rede. Und ganz diesen thatsächlichen Zu-
ständen gemäß, habe ich verschiedentlich aussprechen
hören, daß Frauen, die jenseits der Grenze der Jugend
und Schönheit angelangt sind, überhaupt gar nicht
mehr in die Gesellschaft gehören, es sei denn als Hüterin
der Tochter oder Repräsentantin bei der Tafel. Jn
Jtalien machte mir einmal ein Künstler die vertrau-
liche Mittheilung, daß ihm der Anblick älterer Damen
in diesem Lande fatal sei, ältere Frauen gehörten
nicht nach Jtalien. Ob er die Eingebornen als Aus-
nahme toleriren wolle, darüber ließ er mich im Un-
klaren. Ein ander Mal erzählte mir ein gescheuter,
ernster Mann von einem tiefsinnigen, das Gebiet des
Uebersinnlichen berührenden Gespräch, das er mit einer
ihres originellen Geistes wegen berühmten Dame ge-
habt (keine Deutsche). "Das muß eine wundersam in-
teressante Unterhaltung gewesen sein," warf ich als
Gemeinplatz hin.

"Wie so interessant?" lautete die Antwort des
Herrn. "Jch bitte Sie, die Gräfin M. ist eine alte
Schachtel, 50 Jahre mindestens."

Diese Anschauungsweise ist vollkommen männlich
und durchaus allgemein, obgleich es bisweilen vor-
kommt, daß hoher Rang, großer Reichthum oder pi-

nicht oder nur ausnahmsweise (wenigstens in Deutsch-
land, die Rede. Und ganz diesen thatsächlichen Zu-
ständen gemäß, habe ich verschiedentlich aussprechen
hören, daß Frauen, die jenseits der Grenze der Jugend
und Schönheit angelangt sind, überhaupt gar nicht
mehr in die Gesellschaft gehören, es sei denn als Hüterin
der Tochter oder Repräsentantin bei der Tafel. Jn
Jtalien machte mir einmal ein Künstler die vertrau-
liche Mittheilung, daß ihm der Anblick älterer Damen
in diesem Lande fatal sei, ältere Frauen gehörten
nicht nach Jtalien. Ob er die Eingebornen als Aus-
nahme toleriren wolle, darüber ließ er mich im Un-
klaren. Ein ander Mal erzählte mir ein gescheuter,
ernster Mann von einem tiefsinnigen, das Gebiet des
Uebersinnlichen berührenden Gespräch, das er mit einer
ihres originellen Geistes wegen berühmten Dame ge-
habt (keine Deutsche). „Das muß eine wundersam in-
teressante Unterhaltung gewesen sein,‟ warf ich als
Gemeinplatz hin.

„Wie so interessant?‟ lautete die Antwort des
Herrn. „Jch bitte Sie, die Gräfin M. ist eine alte
Schachtel, 50 Jahre mindestens.‟

Diese Anschauungsweise ist vollkommen männlich
und durchaus allgemein, obgleich es bisweilen vor-
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[26/0034] nicht oder nur ausnahmsweise (wenigstens in Deutsch- land, die Rede. Und ganz diesen thatsächlichen Zu- ständen gemäß, habe ich verschiedentlich aussprechen hören, daß Frauen, die jenseits der Grenze der Jugend und Schönheit angelangt sind, überhaupt gar nicht mehr in die Gesellschaft gehören, es sei denn als Hüterin der Tochter oder Repräsentantin bei der Tafel. Jn Jtalien machte mir einmal ein Künstler die vertrau- liche Mittheilung, daß ihm der Anblick älterer Damen in diesem Lande fatal sei, ältere Frauen gehörten nicht nach Jtalien. Ob er die Eingebornen als Aus- nahme toleriren wolle, darüber ließ er mich im Un- klaren. Ein ander Mal erzählte mir ein gescheuter, ernster Mann von einem tiefsinnigen, das Gebiet des Uebersinnlichen berührenden Gespräch, das er mit einer ihres originellen Geistes wegen berühmten Dame ge- habt (keine Deutsche). „Das muß eine wundersam in- teressante Unterhaltung gewesen sein,‟ warf ich als Gemeinplatz hin. „Wie so interessant?‟ lautete die Antwort des Herrn. „Jch bitte Sie, die Gräfin M. ist eine alte Schachtel, 50 Jahre mindestens.‟ Diese Anschauungsweise ist vollkommen männlich und durchaus allgemein, obgleich es bisweilen vor- kommt, daß hoher Rang, großer Reichthum oder pi-  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/34>, abgerufen am 29.03.2024.