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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Die Wirklichkeit ist zu handgreiflich, um sie weg-
zuleugnen, und am Ende lassen sich doch alle energischen,
heftigen, selbstständigen, leidenschaftlichen, klugen Frauen
nicht ohne weiteres unserm Gesichtskreis entrücken.

Was bestimmt nun also die Männer, jene an-
geführten Eigenschaften, die ihrer empirischen Wahr-
nehmung nicht entsprechen, für den eigentlichen Charakter
des Weibes zu halten?

Am nächsten liegt folgender Gedanke: Weil diese
Eigenschaften ihnen am meisten an den Frauen ge-
fallen, darum möchten sie dieselben als universelle
Eigenschaften des ganzen Geschlechts anerkannt wissen.

Kein Gedanke, keine Annahme ist falscher als diese.

Der naivste der Männer blicke um sich! Er blicke
empor zur Höhe der Gesellschaft, er blicke hinab in ihre
Tiefe und versuche, offenen Auges selbst zu schauen. Sind
es wirklich die bescheidenen, weichen, fügsamen, passiven,
schüchternen, aufopferungsvollen, unschuldigen, weiblichen
Jndividuen, die von jeher die Herzen der Männer am
ehesten gewonnen haben und noch heut gewinnen?

Nein - es sind die koketten, die pikanten und
amüsanten, die leidenschaftlichen, dreisten und entgegen-
kommenden, die lustigen, die parfümirten und intri-
ganten Frauen. Die stärkste Waffe der Frauen, den
Männern gegenüber, ist die Zunge. Selbst Schönheit

Dohm, Zur Frauenfrage. 2

Die Wirklichkeit ist zu handgreiflich, um sie weg-
zuleugnen, und am Ende lassen sich doch alle energischen,
heftigen, selbstständigen, leidenschaftlichen, klugen Frauen
nicht ohne weiteres unserm Gesichtskreis entrücken.

Was bestimmt nun also die Männer, jene an-
geführten Eigenschaften, die ihrer empirischen Wahr-
nehmung nicht entsprechen, für den eigentlichen Charakter
des Weibes zu halten?

Am nächsten liegt folgender Gedanke: Weil diese
Eigenschaften ihnen am meisten an den Frauen ge-
fallen, darum möchten sie dieselben als universelle
Eigenschaften des ganzen Geschlechts anerkannt wissen.

Kein Gedanke, keine Annahme ist falscher als diese.

Der naivste der Männer blicke um sich! Er blicke
empor zur Höhe der Gesellschaft, er blicke hinab in ihre
Tiefe und versuche, offenen Auges selbst zu schauen. Sind
es wirklich die bescheidenen, weichen, fügsamen, passiven,
schüchternen, aufopferungsvollen, unschuldigen, weiblichen
Jndividuen, die von jeher die Herzen der Männer am
ehesten gewonnen haben und noch heut gewinnen?

Nein – es sind die koketten, die pikanten und
amüsanten, die leidenschaftlichen, dreisten und entgegen-
kommenden, die lustigen, die parfümirten und intri-
ganten Frauen. Die stärkste Waffe der Frauen, den
Männern gegenüber, ist die Zunge. Selbst Schönheit

Dohm, Zur Frauenfrage. 2
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[17/0025] Die Wirklichkeit ist zu handgreiflich, um sie weg- zuleugnen, und am Ende lassen sich doch alle energischen, heftigen, selbstständigen, leidenschaftlichen, klugen Frauen nicht ohne weiteres unserm Gesichtskreis entrücken. Was bestimmt nun also die Männer, jene an- geführten Eigenschaften, die ihrer empirischen Wahr- nehmung nicht entsprechen, für den eigentlichen Charakter des Weibes zu halten? Am nächsten liegt folgender Gedanke: Weil diese Eigenschaften ihnen am meisten an den Frauen ge- fallen, darum möchten sie dieselben als universelle Eigenschaften des ganzen Geschlechts anerkannt wissen. Kein Gedanke, keine Annahme ist falscher als diese. Der naivste der Männer blicke um sich! Er blicke empor zur Höhe der Gesellschaft, er blicke hinab in ihre Tiefe und versuche, offenen Auges selbst zu schauen. Sind es wirklich die bescheidenen, weichen, fügsamen, passiven, schüchternen, aufopferungsvollen, unschuldigen, weiblichen Jndividuen, die von jeher die Herzen der Männer am ehesten gewonnen haben und noch heut gewinnen? Nein – es sind die koketten, die pikanten und amüsanten, die leidenschaftlichen, dreisten und entgegen- kommenden, die lustigen, die parfümirten und intri- ganten Frauen. Die stärkste Waffe der Frauen, den Männern gegenüber, ist die Zunge. Selbst Schönheit   Dohm, Zur Frauenfrage. 2

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/25>, abgerufen am 28.03.2024.