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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Passivität, Unterwürfigkeit, Gehorsam und ähnliche
Charakterzüge als weibliche Eigenart bezeichnet, so
schreibt sich diese Charakteristik möglicherweise aus dem
barbarischen Mittelalter her, wo allerdings die Frau
dieser Eigenschaften zu ihrer Existenz bedurfte; denn
in den Zeiten, als das Faustrecht herrschte, hatte die
Frau, die nicht zu Kreuze kroch, die angenehme Aus-
sicht, ersäuft, gestäupt, zu Boden geschlagen oder in
Burgverließen zu Tode gehungert zu werden. Wenn
mir einer sagte: Gehorche oder ich breche dir das Ge-
nick! o wie geschwind würde ich gehorchen.

Wenn die Frau, und wäre sie die verwegenste
ihres Geschlechtes in ihrer Rebellion gegen den Mann,
einige Male seine schwere Hand gefühlt hat, so bleibt
ihr nur eine Wahl: Märtyrer- oder Duckmäuserthum.
Das Dienstmädchen, das in großen Städten von früher
Jugend an in der Welt herumgestoßen ward, und
zwischen Ostern und Michaeli in steter Wanderschaft
von einer Herrschaft zur anderen begriffen ist, hat seinen
Charakter im Strom der Welt gebildet und ist meist
höchst impertiment, dreist und anspruchsvoll. Schüchterne
und sanfte Köchinnen sind so selten wie schüchterne
Lieutenants. Dagegen besteht der Geschlechtscharakter
eines Mädchens aus dem Bürgerstande (in Deutsch-
land) allerdings, wie es die herkömmliche conventionelle

Passivität, Unterwürfigkeit, Gehorsam und ähnliche
Charakterzüge als weibliche Eigenart bezeichnet, so
schreibt sich diese Charakteristik möglicherweise aus dem
barbarischen Mittelalter her, wo allerdings die Frau
dieser Eigenschaften zu ihrer Existenz bedurfte; denn
in den Zeiten, als das Faustrecht herrschte, hatte die
Frau, die nicht zu Kreuze kroch, die angenehme Aus-
sicht, ersäuft, gestäupt, zu Boden geschlagen oder in
Burgverließen zu Tode gehungert zu werden. Wenn
mir einer sagte: Gehorche oder ich breche dir das Ge-
nick! o wie geschwind würde ich gehorchen.

Wenn die Frau, und wäre sie die verwegenste
ihres Geschlechtes in ihrer Rebellion gegen den Mann,
einige Male seine schwere Hand gefühlt hat, so bleibt
ihr nur eine Wahl: Märtyrer- oder Duckmäuserthum.
Das Dienstmädchen, das in großen Städten von früher
Jugend an in der Welt herumgestoßen ward, und
zwischen Ostern und Michaeli in steter Wanderschaft
von einer Herrschaft zur anderen begriffen ist, hat seinen
Charakter im Strom der Welt gebildet und ist meist
höchst impertiment, dreist und anspruchsvoll. Schüchterne
und sanfte Köchinnen sind so selten wie schüchterne
Lieutenants. Dagegen besteht der Geschlechtscharakter
eines Mädchens aus dem Bürgerstande (in Deutsch-
land) allerdings, wie es die herkömmliche conventionelle

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[14/0022] Passivität, Unterwürfigkeit, Gehorsam und ähnliche Charakterzüge als weibliche Eigenart bezeichnet, so schreibt sich diese Charakteristik möglicherweise aus dem barbarischen Mittelalter her, wo allerdings die Frau dieser Eigenschaften zu ihrer Existenz bedurfte; denn in den Zeiten, als das Faustrecht herrschte, hatte die Frau, die nicht zu Kreuze kroch, die angenehme Aus- sicht, ersäuft, gestäupt, zu Boden geschlagen oder in Burgverließen zu Tode gehungert zu werden. Wenn mir einer sagte: Gehorche oder ich breche dir das Ge- nick! o wie geschwind würde ich gehorchen. Wenn die Frau, und wäre sie die verwegenste ihres Geschlechtes in ihrer Rebellion gegen den Mann, einige Male seine schwere Hand gefühlt hat, so bleibt ihr nur eine Wahl: Märtyrer- oder Duckmäuserthum. Das Dienstmädchen, das in großen Städten von früher Jugend an in der Welt herumgestoßen ward, und zwischen Ostern und Michaeli in steter Wanderschaft von einer Herrschaft zur anderen begriffen ist, hat seinen Charakter im Strom der Welt gebildet und ist meist höchst impertiment, dreist und anspruchsvoll. Schüchterne und sanfte Köchinnen sind so selten wie schüchterne Lieutenants. Dagegen besteht der Geschlechtscharakter eines Mädchens aus dem Bürgerstande (in Deutsch- land) allerdings, wie es die herkömmliche conventionelle  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/22>, abgerufen am 28.03.2024.