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Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6).

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meint der Mann, die Wissenschaft und die Politik würde ent-
wertet, wenn die Frau sich daran beteiligt.

Dessen seid sicher: Rechte ohne Macht bedeuten nichts.
So lange ihr politisch rechtlos bleibt, müßt ihr euch mit den
Brosamen begnügen, die von des Herrn Tische fallen. Der
Mann ist der geladene Gast beim Lebensmahl, ihr - die
Zaungäste. Nur durch eine aktive Mitwirkung an der Gesetz-
gebung könnt ihr eure Rechte als Mutter, Gattin, Erwerberin
erfolgreich wahrnehmen.

Jch lächle in mich hinein, wenn ich daran denke, wie all-
mählich die Frage des Frauenstimmrechts sich entwickelt hat.
Erst lachten alle. Einige Jahrzehnte später lachte die Majorität.
Heut lacht nur noch die Minorität. Wer zuletzt lacht, lacht am
besten - die Frauen. Noch wenige Jahrzehnte und das Frauen-
stimmrecht wird eine Selbstverständlichkeit sein. Ja, der Mann
der Zukunft wird schon mit der Vorstellung der absolut gleich-
berechtigten Frau geboren werden.

Lacht ihn aus - jenen mannsseligen Sanatoriumsarzt,
der von krankhaftem Herrenstolz gebläht, jüngst verkündete:
"Nur zum Dulden, Tragen, Dienen und zu nichts mehr wäre
das Weib geboren."

Lernt eure Kraft kennen, meine sanften Schwestern, laßt
euren gerechten ethischen Furor die Zügel schießen. Entreißt
dem Mann das Monopol der Gesetzgebung. Monopole sind
Hemmschuhe der Entwicklung. Mit solchem Monopol bildet
das starke Geschlecht einen Männertrust, der sich gegen die
Beteiligung der Frau an den gewinnbringenden Geschäften des
Lebens wendet.

Das Stimmrecht fordert!

Und fragt ihr, meine schüchternen Schwestern, ob ihr nicht
euer Stimmrecht an der Sonne der Zeiten sollt reifen lassen,
bis es als köstliche Frucht euch von selbst in den Schoß fällt, so
antworte ich: die Schatten müßt ihr bekämpfen, die die Kraft
der Sonne brechen.

Sollen wir etwa wie die Suffragettes unter Fanfaren-
geschmetter die Werbetrommel rühren?

Jch möchte hier einen Brief zum Abdruck bringen, den ich
im Juni von einer Freundin erhielt, die gelegentlich einer eng-
lischen Vergnügungsreise zufällig Augenzeuge eines großen
Zuges der Frauenrechtlerinnen in London wurde.

Sie schreibt: "Unerhört, was in den Zeitungen zusammen-
gelogen wird! Hat man nicht bei uns den Eindruck, daß diese
Frauenstimmrechtlerinnen ekelhafte Karrikaturen und lächerliche
Auswüchse des weiblichen Geschlechts sind, die allerorten aus-

meint der Mann, die Wissenschaft und die Politik würde ent-
wertet, wenn die Frau sich daran beteiligt.

Dessen seid sicher: Rechte ohne Macht bedeuten nichts.
So lange ihr politisch rechtlos bleibt, müßt ihr euch mit den
Brosamen begnügen, die von des Herrn Tische fallen. Der
Mann ist der geladene Gast beim Lebensmahl, ihr – die
Zaungäste. Nur durch eine aktive Mitwirkung an der Gesetz-
gebung könnt ihr eure Rechte als Mutter, Gattin, Erwerberin
erfolgreich wahrnehmen.

Jch lächle in mich hinein, wenn ich daran denke, wie all-
mählich die Frage des Frauenstimmrechts sich entwickelt hat.
Erst lachten alle. Einige Jahrzehnte später lachte die Majorität.
Heut lacht nur noch die Minorität. Wer zuletzt lacht, lacht am
besten – die Frauen. Noch wenige Jahrzehnte und das Frauen-
stimmrecht wird eine Selbstverständlichkeit sein. Ja, der Mann
der Zukunft wird schon mit der Vorstellung der absolut gleich-
berechtigten Frau geboren werden.

Lacht ihn aus – jenen mannsseligen Sanatoriumsarzt,
der von krankhaftem Herrenstolz gebläht, jüngst verkündete:
„Nur zum Dulden, Tragen, Dienen und zu nichts mehr wäre
das Weib geboren.“

Lernt eure Kraft kennen, meine sanften Schwestern, laßt
euren gerechten ethischen Furor die Zügel schießen. Entreißt
dem Mann das Monopol der Gesetzgebung. Monopole sind
Hemmschuhe der Entwicklung. Mit solchem Monopol bildet
das starke Geschlecht einen Männertrust, der sich gegen die
Beteiligung der Frau an den gewinnbringenden Geschäften des
Lebens wendet.

Das Stimmrecht fordert!

Und fragt ihr, meine schüchternen Schwestern, ob ihr nicht
euer Stimmrecht an der Sonne der Zeiten sollt reifen lassen,
bis es als köstliche Frucht euch von selbst in den Schoß fällt, so
antworte ich: die Schatten müßt ihr bekämpfen, die die Kraft
der Sonne brechen.

Sollen wir etwa wie die Suffragettes unter Fanfaren-
geschmetter die Werbetrommel rühren?

Jch möchte hier einen Brief zum Abdruck bringen, den ich
im Juni von einer Freundin erhielt, die gelegentlich einer eng-
lischen Vergnügungsreise zufällig Augenzeuge eines großen
Zuges der Frauenrechtlerinnen in London wurde.

Sie schreibt: „Unerhört, was in den Zeitungen zusammen-
gelogen wird! Hat man nicht bei uns den Eindruck, daß diese
Frauenstimmrechtlerinnen ekelhafte Karrikaturen und lächerliche
Auswüchse des weiblichen Geschlechts sind, die allerorten aus-

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[22/0023] meint der Mann, die Wissenschaft und die Politik würde ent- wertet, wenn die Frau sich daran beteiligt. Dessen seid sicher: Rechte ohne Macht bedeuten nichts. So lange ihr politisch rechtlos bleibt, müßt ihr euch mit den Brosamen begnügen, die von des Herrn Tische fallen. Der Mann ist der geladene Gast beim Lebensmahl, ihr – die Zaungäste. Nur durch eine aktive Mitwirkung an der Gesetz- gebung könnt ihr eure Rechte als Mutter, Gattin, Erwerberin erfolgreich wahrnehmen. Jch lächle in mich hinein, wenn ich daran denke, wie all- mählich die Frage des Frauenstimmrechts sich entwickelt hat. Erst lachten alle. Einige Jahrzehnte später lachte die Majorität. Heut lacht nur noch die Minorität. Wer zuletzt lacht, lacht am besten – die Frauen. Noch wenige Jahrzehnte und das Frauen- stimmrecht wird eine Selbstverständlichkeit sein. Ja, der Mann der Zukunft wird schon mit der Vorstellung der absolut gleich- berechtigten Frau geboren werden. Lacht ihn aus – jenen mannsseligen Sanatoriumsarzt, der von krankhaftem Herrenstolz gebläht, jüngst verkündete: „Nur zum Dulden, Tragen, Dienen und zu nichts mehr wäre das Weib geboren.“ Lernt eure Kraft kennen, meine sanften Schwestern, laßt euren gerechten ethischen Furor die Zügel schießen. Entreißt dem Mann das Monopol der Gesetzgebung. Monopole sind Hemmschuhe der Entwicklung. Mit solchem Monopol bildet das starke Geschlecht einen Männertrust, der sich gegen die Beteiligung der Frau an den gewinnbringenden Geschäften des Lebens wendet. Das Stimmrecht fordert! Und fragt ihr, meine schüchternen Schwestern, ob ihr nicht euer Stimmrecht an der Sonne der Zeiten sollt reifen lassen, bis es als köstliche Frucht euch von selbst in den Schoß fällt, so antworte ich: die Schatten müßt ihr bekämpfen, die die Kraft der Sonne brechen. Sollen wir etwa wie die Suffragettes unter Fanfaren- geschmetter die Werbetrommel rühren? Jch möchte hier einen Brief zum Abdruck bringen, den ich im Juni von einer Freundin erhielt, die gelegentlich einer eng- lischen Vergnügungsreise zufällig Augenzeuge eines großen Zuges der Frauenrechtlerinnen in London wurde. Sie schreibt: „Unerhört, was in den Zeitungen zusammen- gelogen wird! Hat man nicht bei uns den Eindruck, daß diese Frauenstimmrechtlerinnen ekelhafte Karrikaturen und lächerliche Auswüchse des weiblichen Geschlechts sind, die allerorten aus-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-09-14T13:15:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-09-14T13:15:52Z)

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6), S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_erziehung_1910/23>, abgerufen am 19.04.2024.