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Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6).

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Jn der Tat - schön ist ihr feuriger Wille zur Erkenntnis,
zur Eigenkraft. Und bis jetzt nicht das leiseste Sympton einer
Abirrung in wüste Studenterei.

Der Studierenden ist das Studententum ein Tempel, der nur
Eingeweihten sich öffnet. Die ganze übrige Welt hat draußen zu bleiben.

Ganz entzückend sind die leidenschaftlichen, wissenschaftlichen
Dispute dieser intelligenzsüchtigen Jugend. Unmenschlich, was sie
zusammenphilosophiert, immer gleich hinauf bis zum Ur - Ur-Jch,
überhaupt zu irgend einem "Ur".

Dieser weiblichen Jugend erblüht vielleicht in dem Wissens-
durst, der durch keinen Bierdurst gehemmt wird, eine reichere Ernte
als ihren männlichen Kommilitonen, es sei denn, daß die weib-
liche Einwirkung, gleich wie das Oel wildes Gewoge sänftigt,
ihnen die Ausschweifung in Bier Erotik verekle.

Noch immer verhält sich die Majorität der Professoren dem
weiblichen Studium gegenüber ablehnend.

So der vielgerühmte Geheimrat und Professor Münch. Er
gibt "in freier und verkürzter Weise" die ihn "erfreuenden" Ge-
danken des Amerikaners Sachs wieder: "Eine unerfreuliche Er-
fahrung ist es, daß von den Studienfächern, denen die weibliche
Jugend sich zuzuwenden pflegt, die jungen Männer sich allmählich
grundsätzlich zurückziehen."

O, da gibts Abhilfe. Man garantiere den Frauen die Staats-
ämter, zu denen ihre Studien sie berechtigen, stelle sie als Richter,
Prediger, Professoren, Verwaltungsbeamte an. Und diese emsigen
Streberinnen werden sich totsicher über sämtliche vorhandenen
Studienfächer verbreiten. Ob die Jünglinge dann auf ewig vor
der Studentin, der männerschreckenden Vogelscheuche auf dem Feld
der Wissenschaft davonlaufen, die Universitäten meiden werden?

Die Medizin ist ein Vorzugsstudium der Frauen. Das Aus-
sterben der männlichen Aerzte hat aber in Europa noch nicht platz-
gegriffen.

Daß zwischen den gemeinsam Studierenden neben - oder
vielmehr mit der kameradschaftlichen Intimität und Freundschaft
die Liebe zu ihrem Recht kommt, ist durchaus menschlich. Allzu-
menschlich sagt vielleicht der Regorist.

Jndessen, Verführungen, Zuchtlosigkeiten zwischen ihnen sind
nahezu ausgeschlossen. Die wissenden Mädchen fühlen sich ver-
antwortlich für ihre Handlungen.

Oft genug im Leben bleiben Liebende sich innerlich fremd.
Hastige Verliebtheiten nur. Bei dem gemeinsamen Streben und
Studieren aber, dem täglichen freien Verkehr auf der Universität
entwickeln sich geistig - seelische Intimitäten. Und in diesem
aneinander- und miteinander-Wachsen lernen sich die jungen Leute

Jn der Tat – schön ist ihr feuriger Wille zur Erkenntnis,
zur Eigenkraft. Und bis jetzt nicht das leiseste Sympton einer
Abirrung in wüste Studenterei.

Der Studierenden ist das Studententum ein Tempel, der nur
Eingeweihten sich öffnet. Die ganze übrige Welt hat draußen zu bleiben.

Ganz entzückend sind die leidenschaftlichen, wissenschaftlichen
Dispute dieser intelligenzsüchtigen Jugend. Unmenschlich, was sie
zusammenphilosophiert, immer gleich hinauf bis zum Ur – Ur-Jch,
überhaupt zu irgend einem „Ur“.

Dieser weiblichen Jugend erblüht vielleicht in dem Wissens-
durst, der durch keinen Bierdurst gehemmt wird, eine reichere Ernte
als ihren männlichen Kommilitonen, es sei denn, daß die weib-
liche Einwirkung, gleich wie das Oel wildes Gewoge sänftigt,
ihnen die Ausschweifung in Bier Erotik verekle.

Noch immer verhält sich die Majorität der Professoren dem
weiblichen Studium gegenüber ablehnend.

So der vielgerühmte Geheimrat und Professor Münch. Er
gibt „in freier und verkürzter Weise“ die ihn „erfreuenden“ Ge-
danken des Amerikaners Sachs wieder: „Eine unerfreuliche Er-
fahrung ist es, daß von den Studienfächern, denen die weibliche
Jugend sich zuzuwenden pflegt, die jungen Männer sich allmählich
grundsätzlich zurückziehen.“

O, da gibts Abhilfe. Man garantiere den Frauen die Staats-
ämter, zu denen ihre Studien sie berechtigen, stelle sie als Richter,
Prediger, Professoren, Verwaltungsbeamte an. Und diese emsigen
Streberinnen werden sich totsicher über sämtliche vorhandenen
Studienfächer verbreiten. Ob die Jünglinge dann auf ewig vor
der Studentin, der männerschreckenden Vogelscheuche auf dem Feld
der Wissenschaft davonlaufen, die Universitäten meiden werden?

Die Medizin ist ein Vorzugsstudium der Frauen. Das Aus-
sterben der männlichen Aerzte hat aber in Europa noch nicht platz-
gegriffen.

Daß zwischen den gemeinsam Studierenden neben – oder
vielmehr mit der kameradschaftlichen Intimität und Freundschaft
die Liebe zu ihrem Recht kommt, ist durchaus menschlich. Allzu-
menschlich sagt vielleicht der Regorist.

Jndessen, Verführungen, Zuchtlosigkeiten zwischen ihnen sind
nahezu ausgeschlossen. Die wissenden Mädchen fühlen sich ver-
antwortlich für ihre Handlungen.

Oft genug im Leben bleiben Liebende sich innerlich fremd.
Hastige Verliebtheiten nur. Bei dem gemeinsamen Streben und
Studieren aber, dem täglichen freien Verkehr auf der Universität
entwickeln sich geistig – seelische Intimitäten. Und in diesem
aneinander- und miteinander-Wachsen lernen sich die jungen Leute

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[12/0013] Jn der Tat – schön ist ihr feuriger Wille zur Erkenntnis, zur Eigenkraft. Und bis jetzt nicht das leiseste Sympton einer Abirrung in wüste Studenterei. Der Studierenden ist das Studententum ein Tempel, der nur Eingeweihten sich öffnet. Die ganze übrige Welt hat draußen zu bleiben. Ganz entzückend sind die leidenschaftlichen, wissenschaftlichen Dispute dieser intelligenzsüchtigen Jugend. Unmenschlich, was sie zusammenphilosophiert, immer gleich hinauf bis zum Ur – Ur-Jch, überhaupt zu irgend einem „Ur“. Dieser weiblichen Jugend erblüht vielleicht in dem Wissens- durst, der durch keinen Bierdurst gehemmt wird, eine reichere Ernte als ihren männlichen Kommilitonen, es sei denn, daß die weib- liche Einwirkung, gleich wie das Oel wildes Gewoge sänftigt, ihnen die Ausschweifung in Bier Erotik verekle. Noch immer verhält sich die Majorität der Professoren dem weiblichen Studium gegenüber ablehnend. So der vielgerühmte Geheimrat und Professor Münch. Er gibt „in freier und verkürzter Weise“ die ihn „erfreuenden“ Ge- danken des Amerikaners Sachs wieder: „Eine unerfreuliche Er- fahrung ist es, daß von den Studienfächern, denen die weibliche Jugend sich zuzuwenden pflegt, die jungen Männer sich allmählich grundsätzlich zurückziehen.“ O, da gibts Abhilfe. Man garantiere den Frauen die Staats- ämter, zu denen ihre Studien sie berechtigen, stelle sie als Richter, Prediger, Professoren, Verwaltungsbeamte an. Und diese emsigen Streberinnen werden sich totsicher über sämtliche vorhandenen Studienfächer verbreiten. Ob die Jünglinge dann auf ewig vor der Studentin, der männerschreckenden Vogelscheuche auf dem Feld der Wissenschaft davonlaufen, die Universitäten meiden werden? Die Medizin ist ein Vorzugsstudium der Frauen. Das Aus- sterben der männlichen Aerzte hat aber in Europa noch nicht platz- gegriffen. Daß zwischen den gemeinsam Studierenden neben – oder vielmehr mit der kameradschaftlichen Intimität und Freundschaft die Liebe zu ihrem Recht kommt, ist durchaus menschlich. Allzu- menschlich sagt vielleicht der Regorist. Jndessen, Verführungen, Zuchtlosigkeiten zwischen ihnen sind nahezu ausgeschlossen. Die wissenden Mädchen fühlen sich ver- antwortlich für ihre Handlungen. Oft genug im Leben bleiben Liebende sich innerlich fremd. Hastige Verliebtheiten nur. Bei dem gemeinsamen Streben und Studieren aber, dem täglichen freien Verkehr auf der Universität entwickeln sich geistig – seelische Intimitäten. Und in diesem aneinander- und miteinander-Wachsen lernen sich die jungen Leute

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-09-14T13:15:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-09-14T13:15:52Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja; /p>




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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6), S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_erziehung_1910/13>, abgerufen am 24.04.2024.