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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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fälscht die katholische Lehre, indem er sagt: das Brot würde
in Gott verwandelt. Das ist unmöglich auch in unseren Augen.
Nein, es wird in den Leib Christi verwandelt, und das ist
möglich, weil es beim letzten Abendmahl auch geschah, und weil
bei Gott "kein Ding unmöglich ist". Wir könnten ihm mit
gleichem Rechte "Götzendienerei" vorwerfen, weil er Menschen-
wort für Gotteswort ausgiebt! Selbst angenommen, der
Katholik irre, weil Christus in der heiligen Hostie nicht zu-
gegen sei, so ist er trotzdem kein Götzendiener; denn seine
Anbetung gilt nicht dem Brote, sondern Christo. Es
wäre Hochverrat und ein Majestätsverbrechen, wollte jemand
eine andere Person als Monarchen anerkennen und ihm
huldigen als dem rechtmäßig regierenden Könige. Falls nun
eine Schildwache in der Person des Monarchen sich irrte
und dem Minister als dem vermeintlichen Monarchen präsen-
tierte und die vorgeschriebenen Honneurs machte, so würde
sich kein Richter finden, der ihn deswegen des Hochverrats
für schuldig erklären würde!

Jn gleicher Weise würde auch der Katholik kein Götzen-
diener sein, wenn er im allerheiligsten Altarsakramente den
Heiland anbetete, der nicht vorhanden wäre: ein Jrrtum wäre
es, aber keine Sünde. Wozu also diese verletzenden, nach
Form und Jnhalt ganz unchristlichen Beschimpfungen des
Glaubens der katholischen Christen von einem Manne, der
ein "evangelischer" Christ zu sein sich rühmt?

2. Nachdem wir dieses vorausgeschickt haben, um den That-
bestand festzustellen, wollen wir zur Vernehmung der Zeugen
übergehen. Zur Beurteilung liegt die Frage vor: hat Luther
die Menschen reformiert, d. h. verbessert, oder nicht?

Unter der großen Zahl von Zeugen kann keiner mehr
Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen als der Reformator

fälſcht die katholiſche Lehre, indem er ſagt: das Brot würde
in Gott verwandelt. Das iſt unmöglich auch in unſeren Augen.
Nein, es wird in den Leib Chriſti verwandelt, und das iſt
möglich, weil es beim letzten Abendmahl auch geſchah, und weil
bei Gott „kein Ding unmöglich iſt‟. Wir könnten ihm mit
gleichem Rechte „Götzendienerei‟ vorwerfen, weil er Menſchen-
wort für Gotteswort ausgiebt! Selbſt angenommen, der
Katholik irre, weil Chriſtus in der heiligen Hoſtie nicht zu-
gegen ſei, ſo iſt er trotzdem kein Götzendiener; denn ſeine
Anbetung gilt nicht dem Brote, ſondern Chriſto. Es
wäre Hochverrat und ein Majeſtätsverbrechen, wollte jemand
eine andere Perſon als Monarchen anerkennen und ihm
huldigen als dem rechtmäßig regierenden Könige. Falls nun
eine Schildwache in der Perſon des Monarchen ſich irrte
und dem Miniſter als dem vermeintlichen Monarchen präſen-
tierte und die vorgeſchriebenen Honneurs machte, ſo würde
ſich kein Richter finden, der ihn deswegen des Hochverrats
für ſchuldig erklären würde!

Jn gleicher Weiſe würde auch der Katholik kein Götzen-
diener ſein, wenn er im allerheiligſten Altarſakramente den
Heiland anbetete, der nicht vorhanden wäre: ein Jrrtum wäre
es, aber keine Sünde. Wozu alſo dieſe verletzenden, nach
Form und Jnhalt ganz unchriſtlichen Beſchimpfungen des
Glaubens der katholiſchen Chriſten von einem Manne, der
ein „evangeliſcher‟ Chriſt zu ſein ſich rühmt?

2. Nachdem wir dieſes vorausgeſchickt haben, um den That-
beſtand feſtzuſtellen, wollen wir zur Vernehmung der Zeugen
übergehen. Zur Beurteilung liegt die Frage vor: hat Luther
die Menſchen reformiert, d. h. verbeſſert, oder nicht?

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[37/0049] fälſcht die katholiſche Lehre, indem er ſagt: das Brot würde in Gott verwandelt. Das iſt unmöglich auch in unſeren Augen. Nein, es wird in den Leib Chriſti verwandelt, und das iſt möglich, weil es beim letzten Abendmahl auch geſchah, und weil bei Gott „kein Ding unmöglich iſt‟. Wir könnten ihm mit gleichem Rechte „Götzendienerei‟ vorwerfen, weil er Menſchen- wort für Gotteswort ausgiebt! Selbſt angenommen, der Katholik irre, weil Chriſtus in der heiligen Hoſtie nicht zu- gegen ſei, ſo iſt er trotzdem kein Götzendiener; denn ſeine Anbetung gilt nicht dem Brote, ſondern Chriſto. Es wäre Hochverrat und ein Majeſtätsverbrechen, wollte jemand eine andere Perſon als Monarchen anerkennen und ihm huldigen als dem rechtmäßig regierenden Könige. Falls nun eine Schildwache in der Perſon des Monarchen ſich irrte und dem Miniſter als dem vermeintlichen Monarchen präſen- tierte und die vorgeſchriebenen Honneurs machte, ſo würde ſich kein Richter finden, der ihn deswegen des Hochverrats für ſchuldig erklären würde! Jn gleicher Weiſe würde auch der Katholik kein Götzen- diener ſein, wenn er im allerheiligſten Altarſakramente den Heiland anbetete, der nicht vorhanden wäre: ein Jrrtum wäre es, aber keine Sünde. Wozu alſo dieſe verletzenden, nach Form und Jnhalt ganz unchriſtlichen Beſchimpfungen des Glaubens der katholiſchen Chriſten von einem Manne, der ein „evangeliſcher‟ Chriſt zu ſein ſich rühmt? 2. Nachdem wir dieſes vorausgeſchickt haben, um den That- beſtand feſtzuſtellen, wollen wir zur Vernehmung der Zeugen übergehen. Zur Beurteilung liegt die Frage vor: hat Luther die Menſchen reformiert, d. h. verbeſſert, oder nicht? Unter der großen Zahl von Zeugen kann keiner mehr Anſpruch auf Glaubwürdigkeit machen als der Reformator

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/49>, abgerufen am 20.04.2024.