Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

sind die protestantischen "Landeskirchen", mit all dem Un-
gebühr und all dem Elend, wie es Döllinger einmal so
drastisch geschildert hat1)."

Einer ähnlichen Beurteilung der Reformation begegnet
man noch bei vielen anderen protestantischen Historikern, so
daß man sie als die allgemeine bezeichnen darf. Wenn es
nun einigen Theologen in den Sinn kommt, dagegen zu pro-
testieren, daß der Papst das nämliche sagt, was hunderte vor
ihm gesagt haben, dann richten hunderte von Protesten eines
Dr. Barkhausen und Kollegen nichts aus; vielmehr wird klar,
daß auch jetzt, wie ehemals in Leipzig, es heißt: "Hier walt
die Sucht," nämlich die Zank- und Streitsucht, welche als
ein Erbgut, oder als eine Erbsünde aus der Reformations-
zeit übergegangen ist auf die neuere Zeit.

Nein, die "Weltgeschichte ist das Weltgericht!"
Sie hat konstatiert, daß Luther wegen seiner Opposition gegen
die Reichsgesetze und gegen Kaiserliches Mandat als "Reichs-
feind" behandelt und in die "Reichsacht" 1520 erklärt
wurde. Da gilt keine Berufung auf die Apostel. Diese haben
ihr Mandat von Christus. Von wem hatte es Luther?
Christus ist ihm nicht erschienen, als er in der Wüste, in
seinem Patmos, auf der Wartburg war. Aber vom Besuche
eines anderen wußte er zu erzählen, vom Satan, den er nicht,
wie Christus es gethan, fortgeschickt, sondern mit dem er dis-
putiert hat bis aufs äußerste, von welchem Rencontre der
Tintenfleck noch Jahrhunderte lang Zeugnis gab2)!

1) Hist.-Pol. Blätter XVI, S. 386.
2) Eine Preisfrage für moderne rationalistische Prediger, welche
die persönliche Existenz des Satans leugnen: "Hat Luther hierin Un-
wahrheit bezeugt, oder litt er an Hallucinationen?"

ſind die proteſtantiſchen „Landeskirchen‟, mit all dem Un-
gebühr und all dem Elend, wie es Döllinger einmal ſo
draſtiſch geſchildert hat1).‟

Einer ähnlichen Beurteilung der Reformation begegnet
man noch bei vielen anderen proteſtantiſchen Hiſtorikern, ſo
daß man ſie als die allgemeine bezeichnen darf. Wenn es
nun einigen Theologen in den Sinn kommt, dagegen zu pro-
teſtieren, daß der Papſt das nämliche ſagt, was hunderte vor
ihm geſagt haben, dann richten hunderte von Proteſten eines
Dr. Barkhauſen und Kollegen nichts aus; vielmehr wird klar,
daß auch jetzt, wie ehemals in Leipzig, es heißt: „Hier walt
die Sucht,‟ nämlich die Zank- und Streitſucht, welche als
ein Erbgut, oder als eine Erbſünde aus der Reformations-
zeit übergegangen iſt auf die neuere Zeit.

Nein, die „Weltgeſchichte iſt das Weltgericht!
Sie hat konſtatiert, daß Luther wegen ſeiner Oppoſition gegen
die Reichsgeſetze und gegen Kaiſerliches Mandat als „Reichs-
feind‟ behandelt und in die „Reichsacht‟ 1520 erklärt
wurde. Da gilt keine Berufung auf die Apoſtel. Dieſe haben
ihr Mandat von Chriſtus. Von wem hatte es Luther?
Chriſtus iſt ihm nicht erſchienen, als er in der Wüſte, in
ſeinem Patmos, auf der Wartburg war. Aber vom Beſuche
eines anderen wußte er zu erzählen, vom Satan, den er nicht,
wie Chriſtus es gethan, fortgeſchickt, ſondern mit dem er dis-
putiert hat bis aufs äußerſte, von welchem Rencontre der
Tintenfleck noch Jahrhunderte lang Zeugnis gab2)!

1) Hiſt.-Pol. Blätter XVI, S. 386.
2) Eine Preisfrage für moderne rationaliſtiſche Prediger, welche
die perſönliche Exiſtenz des Satans leugnen: „Hat Luther hierin Un-
wahrheit bezeugt, oder litt er an Hallucinationen?‟
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="26"/>
&#x017F;ind die prote&#x017F;tanti&#x017F;chen &#x201E;Landeskirchen&#x201F;, mit all dem Un-<lb/>
gebühr und all dem Elend, <hi rendition="#g">wie</hi> es Döllinger einmal &#x017F;o<lb/>
dra&#x017F;ti&#x017F;ch ge&#x017F;childert hat<note place="foot" n="1)">Hi&#x017F;t.-Pol. Blätter <hi rendition="#aq">XVI,</hi> S. 386.</note>.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Einer ähnlichen Beurteilung der Reformation begegnet<lb/>
man noch bei vielen anderen prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Hi&#x017F;torikern, &#x017F;o<lb/>
daß man &#x017F;ie als die allgemeine bezeichnen darf. Wenn es<lb/>
nun einigen Theologen in den Sinn kommt, dagegen zu pro-<lb/>
te&#x017F;tieren, daß der Pap&#x017F;t das nämliche &#x017F;agt, was hunderte vor<lb/>
ihm ge&#x017F;agt haben, dann richten hunderte von Prote&#x017F;ten eines<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Barkhau&#x017F;en und Kollegen nichts aus; vielmehr wird klar,<lb/>
daß auch jetzt, wie ehemals in Leipzig, es heißt: &#x201E;Hier walt<lb/>
die Sucht,&#x201F; nämlich die Zank- und Streit&#x017F;ucht, welche als<lb/>
ein Erbgut, oder als eine Erb&#x017F;ünde aus der Reformations-<lb/>
zeit übergegangen i&#x017F;t auf die neuere Zeit.</p><lb/>
        <p>Nein, die &#x201E;<hi rendition="#g">Weltge&#x017F;chichte</hi> i&#x017F;t das <hi rendition="#g">Weltgericht!</hi>&#x201F;<lb/>
Sie hat kon&#x017F;tatiert, daß Luther wegen &#x017F;einer Oppo&#x017F;ition gegen<lb/>
die Reichsge&#x017F;etze und gegen Kai&#x017F;erliches Mandat als &#x201E;Reichs-<lb/>
feind&#x201F; behandelt und in die &#x201E;<hi rendition="#g">Reichsacht</hi>&#x201F; 1520 erklärt<lb/>
wurde. Da gilt keine Berufung auf die Apo&#x017F;tel. Die&#x017F;e haben<lb/>
ihr Mandat von Chri&#x017F;tus. Von wem hatte es Luther?<lb/>
Chri&#x017F;tus i&#x017F;t ihm nicht er&#x017F;chienen, als er in der Wü&#x017F;te, in<lb/>
&#x017F;einem Patmos, auf der Wartburg war. Aber vom Be&#x017F;uche<lb/>
eines anderen wußte er zu erzählen, vom Satan, den er nicht,<lb/>
wie Chri&#x017F;tus es gethan, fortge&#x017F;chickt, &#x017F;ondern mit dem er dis-<lb/>
putiert hat bis aufs äußer&#x017F;te, von welchem Rencontre der<lb/>
Tintenfleck noch Jahrhunderte lang Zeugnis gab<note place="foot" n="2)">Eine Preisfrage für moderne rationali&#x017F;ti&#x017F;che Prediger, welche<lb/>
die per&#x017F;önliche Exi&#x017F;tenz des Satans leugnen: &#x201E;Hat Luther hierin Un-<lb/>
wahrheit bezeugt, oder litt er an Hallucinationen?&#x201F;</note>!</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0038] ſind die proteſtantiſchen „Landeskirchen‟, mit all dem Un- gebühr und all dem Elend, wie es Döllinger einmal ſo draſtiſch geſchildert hat 1).‟ Einer ähnlichen Beurteilung der Reformation begegnet man noch bei vielen anderen proteſtantiſchen Hiſtorikern, ſo daß man ſie als die allgemeine bezeichnen darf. Wenn es nun einigen Theologen in den Sinn kommt, dagegen zu pro- teſtieren, daß der Papſt das nämliche ſagt, was hunderte vor ihm geſagt haben, dann richten hunderte von Proteſten eines Dr. Barkhauſen und Kollegen nichts aus; vielmehr wird klar, daß auch jetzt, wie ehemals in Leipzig, es heißt: „Hier walt die Sucht,‟ nämlich die Zank- und Streitſucht, welche als ein Erbgut, oder als eine Erbſünde aus der Reformations- zeit übergegangen iſt auf die neuere Zeit. Nein, die „Weltgeſchichte iſt das Weltgericht!‟ Sie hat konſtatiert, daß Luther wegen ſeiner Oppoſition gegen die Reichsgeſetze und gegen Kaiſerliches Mandat als „Reichs- feind‟ behandelt und in die „Reichsacht‟ 1520 erklärt wurde. Da gilt keine Berufung auf die Apoſtel. Dieſe haben ihr Mandat von Chriſtus. Von wem hatte es Luther? Chriſtus iſt ihm nicht erſchienen, als er in der Wüſte, in ſeinem Patmos, auf der Wartburg war. Aber vom Beſuche eines anderen wußte er zu erzählen, vom Satan, den er nicht, wie Chriſtus es gethan, fortgeſchickt, ſondern mit dem er dis- putiert hat bis aufs äußerſte, von welchem Rencontre der Tintenfleck noch Jahrhunderte lang Zeugnis gab 2)! 1) Hiſt.-Pol. Blätter XVI, S. 386. 2) Eine Preisfrage für moderne rationaliſtiſche Prediger, welche die perſönliche Exiſtenz des Satans leugnen: „Hat Luther hierin Un- wahrheit bezeugt, oder litt er an Hallucinationen?‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/38
Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/38>, abgerufen am 19.04.2024.