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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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heidnische Cäsareopapismus, welchen Christus verworfen hatte,
(Matth. XXII, 21) wurde durch Luther wieder sanktioniert.
Das hauptsächlichste Motiv hierzu lieferte ihm der blutige
Ausgang des Bauernkrieges.

Der Bauernstand befand sich bei Beginn des XVI. Jahr-
hunderts in einer sehr gedrückten Lage. Jn dem vorherrschend
feudal angelegten Staatswesen hatte der Bauer keine politischen
Rechte, wohl aber schwere ökonomische Lasten, so daß eine allge-
meine Unzufriedenheit in diesem Stande nicht überraschen konnte.
Bei dieser Mißstimmung hörten die Bauern Luthers Evangelium
"von der Freiheit eines Christenmenschen" und von der Aufhebung
aller Gesetze. Alsbald machten sich die Bauern das zu Nutzen
und stellten allenthalben ihre "12 Artikeln" auf, worin sie
nicht nur religiöse Freiheit, sondern auch politische und soziale
Rechte begehrten. Sie beriefen sich bei ihren Forderungen
auf Luthers Autorität, sie hatten ja vernommen, daß man die
Hände waschen solle im Blute der Tyrannen. Auch hatte
Luther erklärt, es wäre besser, daß alle Bischöfe auf einmal
umkämen, daß alle Kollegiatkirchen und alle Klöster zerstört
und von Grund aus umgestürzt würden, als daß eine Seele
verloren ginge. "Was begegnet ihnen billiger denn ein starker
Aufruhr, der sie von der Welt ausrotte. Und dessen wäre
nur zu lachen, wenn es geschehe." Ferner: "alle die dazu
thun, Leib, Gut, Ehr daran zu setzen, daß die Bistum zer-
stört und der Bischöfe Regiment vertilgt werde, das sind liebe
Gotteskinder und rechte Christen." Bei solchen Aufforderungen,
welche noch, wie Bodmann1) angiebt, Luther durch Emissäre,
die er z. B. in den Rheingau schickte, den Bauern predigen
ließ, ist es kein Wunder, wenn die Bauern rebellierten

1) Rheingauische Altertümer I, 419.

heidniſche Cäſareopapismus, welchen Chriſtus verworfen hatte,
(Matth. XXII, 21) wurde durch Luther wieder ſanktioniert.
Das hauptſächlichſte Motiv hierzu lieferte ihm der blutige
Ausgang des Bauernkrieges.

Der Bauernſtand befand ſich bei Beginn des XVI. Jahr-
hunderts in einer ſehr gedrückten Lage. Jn dem vorherrſchend
feudal angelegten Staatsweſen hatte der Bauer keine politiſchen
Rechte, wohl aber ſchwere ökonomiſche Laſten, ſo daß eine allge-
meine Unzufriedenheit in dieſem Stande nicht überraſchen konnte.
Bei dieſer Mißſtimmung hörten die Bauern Luthers Evangelium
„von der Freiheit eines Chriſtenmenſchen‟ und von der Aufhebung
aller Geſetze. Alsbald machten ſich die Bauern das zu Nutzen
und ſtellten allenthalben ihre „12 Artikeln‟ auf, worin ſie
nicht nur religiöſe Freiheit, ſondern auch politiſche und ſoziale
Rechte begehrten. Sie beriefen ſich bei ihren Forderungen
auf Luthers Autorität, ſie hatten ja vernommen, daß man die
Hände waſchen ſolle im Blute der Tyrannen. Auch hatte
Luther erklärt, es wäre beſſer, daß alle Biſchöfe auf einmal
umkämen, daß alle Kollegiatkirchen und alle Klöſter zerſtört
und von Grund aus umgeſtürzt würden, als daß eine Seele
verloren ginge. „Was begegnet ihnen billiger denn ein ſtarker
Aufruhr, der ſie von der Welt ausrotte. Und deſſen wäre
nur zu lachen, wenn es geſchehe.‟ Ferner: „alle die dazu
thun, Leib, Gut, Ehr daran zu ſetzen, daß die Bistum zer-
ſtört und der Biſchöfe Regiment vertilgt werde, das ſind liebe
Gotteskinder und rechte Chriſten.‟ Bei ſolchen Aufforderungen,
welche noch, wie Bodmann1) angiebt, Luther durch Emiſſäre,
die er z. B. in den Rheingau ſchickte, den Bauern predigen
ließ, iſt es kein Wunder, wenn die Bauern rebellierten

1) Rheingauiſche Altertümer I, 419.
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[16/0028] heidniſche Cäſareopapismus, welchen Chriſtus verworfen hatte, (Matth. XXII, 21) wurde durch Luther wieder ſanktioniert. Das hauptſächlichſte Motiv hierzu lieferte ihm der blutige Ausgang des Bauernkrieges. Der Bauernſtand befand ſich bei Beginn des XVI. Jahr- hunderts in einer ſehr gedrückten Lage. Jn dem vorherrſchend feudal angelegten Staatsweſen hatte der Bauer keine politiſchen Rechte, wohl aber ſchwere ökonomiſche Laſten, ſo daß eine allge- meine Unzufriedenheit in dieſem Stande nicht überraſchen konnte. Bei dieſer Mißſtimmung hörten die Bauern Luthers Evangelium „von der Freiheit eines Chriſtenmenſchen‟ und von der Aufhebung aller Geſetze. Alsbald machten ſich die Bauern das zu Nutzen und ſtellten allenthalben ihre „12 Artikeln‟ auf, worin ſie nicht nur religiöſe Freiheit, ſondern auch politiſche und ſoziale Rechte begehrten. Sie beriefen ſich bei ihren Forderungen auf Luthers Autorität, ſie hatten ja vernommen, daß man die Hände waſchen ſolle im Blute der Tyrannen. Auch hatte Luther erklärt, es wäre beſſer, daß alle Biſchöfe auf einmal umkämen, daß alle Kollegiatkirchen und alle Klöſter zerſtört und von Grund aus umgeſtürzt würden, als daß eine Seele verloren ginge. „Was begegnet ihnen billiger denn ein ſtarker Aufruhr, der ſie von der Welt ausrotte. Und deſſen wäre nur zu lachen, wenn es geſchehe.‟ Ferner: „alle die dazu thun, Leib, Gut, Ehr daran zu ſetzen, daß die Bistum zer- ſtört und der Biſchöfe Regiment vertilgt werde, das ſind liebe Gotteskinder und rechte Chriſten.‟ Bei ſolchen Aufforderungen, welche noch, wie Bodmann 1) angiebt, Luther durch Emiſſäre, die er z. B. in den Rheingau ſchickte, den Bauern predigen ließ, iſt es kein Wunder, wenn die Bauern rebellierten 1) Rheingauiſche Altertümer I, 419.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/28>, abgerufen am 24.04.2024.