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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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enge Verbindung. Er empfing von Hutten am 4. Juni 1520
ein Schreiben, welches mit den Worten begann: "Es lebe
die Freiheit! .... Wenn Du dort für die Dinge, welche
Du mit gleich großem Geist und Mut unternimmst, Hinder-
nisse findest, so nehme ich den innigsten Anteil daran. Auch
ich arbeite hier nach meinem Vermögen. Christus sei mit
uns und stehe uns bei .... Sollte man Gewalt brauchen
wollen, so hoffe ich, daß ich ihnen nicht bloß gleiche, sondern
größere Kräfte entgegensetzen könne; sei Du nur stark und
wanke nicht. Wisse nur, daß Du auf alle Fälle und in allen
Nöten mich zu Deinem Gehülfen haben wirst. Du kannst mir da-
her alle Anschläge ins künftige sicher anvertrauen. Laßt
uns die gemeine Freiheit retten und unser lang unterdrücktes
Vaterland erlösen."

Das war die Sprache des Revolutionärs. Als der
Kurfürst von Mainz Huttens Bücher und "ähnliche" verboten
hatte, schrieb Luther einem Freunde: "Darunter versteht er
gewiß die meinigen. Wenn er mich aber namentlich so
behandeln sollte, dann werde ich meinen Geist mit Hutten
verbinden, daß der Mainzer Bischof keine Freude daran haben
soll1)." Diese Verbindung hatte die Folge, daß Luther alle
Furcht und Besorgnis wegen seiner Person, die er früher
oftmals hegte, fallen ließ. Er schreibt an Spalatin: "Sil-
vester von Schauenberg und Franz von Sickingen haben mich
von der Menschenfurcht befreit." Dieses Bewußtsein, solche
Beschützer zu haben, bewog ihn zu dem Geständnis, daß er
bereit sei gegebenen Falles selbst den Fürsten zu trotzen,
unter deren Vormundschaft er sich nicht frei genug fühlte.
"Jch schicke hierbei," so schreibt er an denselben Spalatin

1) Hist.-polit. Bläter Bd. IV, p. 472 ss.

enge Verbindung. Er empfing von Hutten am 4. Juni 1520
ein Schreiben, welches mit den Worten begann: „Es lebe
die Freiheit! .... Wenn Du dort für die Dinge, welche
Du mit gleich großem Geiſt und Mut unternimmſt, Hinder-
niſſe findeſt, ſo nehme ich den innigſten Anteil daran. Auch
ich arbeite hier nach meinem Vermögen. Chriſtus ſei mit
uns und ſtehe uns bei .... Sollte man Gewalt brauchen
wollen, ſo hoffe ich, daß ich ihnen nicht bloß gleiche, ſondern
größere Kräfte entgegenſetzen könne; ſei Du nur ſtark und
wanke nicht. Wiſſe nur, daß Du auf alle Fälle und in allen
Nöten mich zu Deinem Gehülfen haben wirſt. Du kannſt mir da-
her alle Anſchläge ins künftige ſicher anvertrauen. Laßt
uns die gemeine Freiheit retten und unſer lang unterdrücktes
Vaterland erlöſen.‟

Das war die Sprache des Revolutionärs. Als der
Kurfürſt von Mainz Huttens Bücher und „ähnliche‟ verboten
hatte, ſchrieb Luther einem Freunde: „Darunter verſteht er
gewiß die meinigen. Wenn er mich aber namentlich ſo
behandeln ſollte, dann werde ich meinen Geiſt mit Hutten
verbinden, daß der Mainzer Biſchof keine Freude daran haben
ſoll1).‟ Dieſe Verbindung hatte die Folge, daß Luther alle
Furcht und Beſorgnis wegen ſeiner Perſon, die er früher
oftmals hegte, fallen ließ. Er ſchreibt an Spalatin: „Sil-
veſter von Schauenberg und Franz von Sickingen haben mich
von der Menſchenfurcht befreit.‟ Dieſes Bewußtſein, ſolche
Beſchützer zu haben, bewog ihn zu dem Geſtändnis, daß er
bereit ſei gegebenen Falles ſelbſt den Fürſten zu trotzen,
unter deren Vormundſchaft er ſich nicht frei genug fühlte.
„Jch ſchicke hierbei,‟ ſo ſchreibt er an denſelben Spalatin

1) Hiſt.-polit. Bläter Bd. IV, p. 472 ss.
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[13/0025] enge Verbindung. Er empfing von Hutten am 4. Juni 1520 ein Schreiben, welches mit den Worten begann: „Es lebe die Freiheit! .... Wenn Du dort für die Dinge, welche Du mit gleich großem Geiſt und Mut unternimmſt, Hinder- niſſe findeſt, ſo nehme ich den innigſten Anteil daran. Auch ich arbeite hier nach meinem Vermögen. Chriſtus ſei mit uns und ſtehe uns bei .... Sollte man Gewalt brauchen wollen, ſo hoffe ich, daß ich ihnen nicht bloß gleiche, ſondern größere Kräfte entgegenſetzen könne; ſei Du nur ſtark und wanke nicht. Wiſſe nur, daß Du auf alle Fälle und in allen Nöten mich zu Deinem Gehülfen haben wirſt. Du kannſt mir da- her alle Anſchläge ins künftige ſicher anvertrauen. Laßt uns die gemeine Freiheit retten und unſer lang unterdrücktes Vaterland erlöſen.‟ Das war die Sprache des Revolutionärs. Als der Kurfürſt von Mainz Huttens Bücher und „ähnliche‟ verboten hatte, ſchrieb Luther einem Freunde: „Darunter verſteht er gewiß die meinigen. Wenn er mich aber namentlich ſo behandeln ſollte, dann werde ich meinen Geiſt mit Hutten verbinden, daß der Mainzer Biſchof keine Freude daran haben ſoll 1).‟ Dieſe Verbindung hatte die Folge, daß Luther alle Furcht und Beſorgnis wegen ſeiner Perſon, die er früher oftmals hegte, fallen ließ. Er ſchreibt an Spalatin: „Sil- veſter von Schauenberg und Franz von Sickingen haben mich von der Menſchenfurcht befreit.‟ Dieſes Bewußtſein, ſolche Beſchützer zu haben, bewog ihn zu dem Geſtändnis, daß er bereit ſei gegebenen Falles ſelbſt den Fürſten zu trotzen, unter deren Vormundſchaft er ſich nicht frei genug fühlte. „Jch ſchicke hierbei,‟ ſo ſchreibt er an denſelben Spalatin 1) Hiſt.-polit. Bläter Bd. IV, p. 472 ss.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/25>, abgerufen am 19.04.2024.