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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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geleistet, als viele von denen, die auf den Namen Evange-
lische pochen. Jch sehe, daß diese Neuerungen viele verdor-
bene und aufrührerische Leute erzeugen; ich sehe, daß es
mit den schönen Wissenschaften den Krebsgang geht; ich sehe,
daß freundschaftliche Verbindungen gewaltsam getrennt
werden, und fürchte einen blutigen Aufstand1)." Wie
richtig Erasmus gesehen, bezeugte das darauf folgende Jahr
1525 mit seinem blutigen Bauernaufstand. Und so
konnte er denn mit Recht 1528 an Melanchthon schreiben:
"Hätte doch Luther mit gleichem Eifer die Gelegenheit zum
Aufruhr gemieden und zu guten Sitten aufgefordert,
wie er heftig war in der Verteidigung der Dogmen." Der
Kurfürst Friedrich von Sachsen hatte dasselbe schon früh-
zeitig erkannt und es nicht unterlassen in seinem Schreiben
an seinen Bruder, den Herzog Johann von Sachsen, datiert
Worms, 8. April 1521 zu melden: "es läßt sich allent-
halben genug zum Aufruhr an, wahrlich an viel Enden, so
gehn unsere Sachen hier langsam von statten. Die Rede ist,
seine Majestät ginge bald weg von hier2)."

Den unzweideutigsten Beweis von dem aufrührerischen
Treiben Martin Luthers geben uns seine eigenen Worte
und Werke. Was zunächst die geistliche Obrigkeit betrifft,
so ist es kaum glaublich, mit welch rohen, beschimpfenden
und ungewohnten Ausdrücken er um sich wirft, wenn er von
dem Papste oder von den Bischöfen redet, zu deren Vertilgung
er einladet.

Er nannte das Kirchenoberhaupt den Antichrist, den
Teufel, sodomitische Grundsuppe, Papstesel, Teufelskopf, Ratten-
könig, höllischer Vater zu Rom etc. und hofft mit seinem

1) Döllinger, l. c.
2) Cf. Förstemann, p. 14.

geleiſtet, als viele von denen, die auf den Namen Evange-
liſche pochen. Jch ſehe, daß dieſe Neuerungen viele verdor-
bene und aufrühreriſche Leute erzeugen; ich ſehe, daß es
mit den ſchönen Wiſſenſchaften den Krebsgang geht; ich ſehe,
daß freundſchaftliche Verbindungen gewaltſam getrennt
werden, und fürchte einen blutigen Aufſtand1).‟ Wie
richtig Erasmus geſehen, bezeugte das darauf folgende Jahr
1525 mit ſeinem blutigen Bauernaufſtand. Und ſo
konnte er denn mit Recht 1528 an Melanchthon ſchreiben:
„Hätte doch Luther mit gleichem Eifer die Gelegenheit zum
Aufruhr gemieden und zu guten Sitten aufgefordert,
wie er heftig war in der Verteidigung der Dogmen.‟ Der
Kurfürſt Friedrich von Sachſen hatte dasſelbe ſchon früh-
zeitig erkannt und es nicht unterlaſſen in ſeinem Schreiben
an ſeinen Bruder, den Herzog Johann von Sachſen, datiert
Worms, 8. April 1521 zu melden: „es läßt ſich allent-
halben genug zum Aufruhr an, wahrlich an viel Enden, ſo
gehn unſere Sachen hier langſam von ſtatten. Die Rede iſt,
ſeine Majeſtät ginge bald weg von hier2).‟

Den unzweideutigſten Beweis von dem aufrühreriſchen
Treiben Martin Luthers geben uns ſeine eigenen Worte
und Werke. Was zunächſt die geiſtliche Obrigkeit betrifft,
ſo iſt es kaum glaublich, mit welch rohen, beſchimpfenden
und ungewohnten Ausdrücken er um ſich wirft, wenn er von
dem Papſte oder von den Biſchöfen redet, zu deren Vertilgung
er einladet.

Er nannte das Kirchenoberhaupt den Antichriſt, den
Teufel, ſodomitiſche Grundſuppe, Papſteſel, Teufelskopf, Ratten-
könig, hölliſcher Vater zu Rom ꝛc. und hofft mit ſeinem

1) Döllinger, l. c.
2) Cf. Förſtemann, p. 14.
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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/20>, abgerufen am 28.03.2024.