Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

werden sollte. Denn wie die Böhmen unter dem Namen und
Schein des Evangeliums vordem allen Gehorsam und Ord-
nung unterdrückt haben, so auch untersteht sich Martin Luther
mit seinen Helfern und Anhängern, alle Macht der Rechte
und kaiserlichen Gesetze, auch aller Obrigkeit umzustoßen und
umzukehren1).

Am 20. April 1521 erließ Karl V. sein Mandat gegen
Luther. "Wir verordnen, daß Luther zurückgeführt werde,
nach Jnhalt und Wortlaut seines Geleitbriefes, verbieten aber,
daß er predige, noch durch seine verwerflichste Lehre das Volk
aufrege, damit kein Anlaß gegeben werde, daß im Volke ein
Aufruhr entstehe2)."

Kaiser Karl hatte nicht geirrt, als er dieses Verbot er-
ließ; denn dadurch, daß es von dem Kurfürsten von Sachsen
übertreten wurde, welcher Luther in Schutz nahm, konnte das
Feuer der Empörung immer weitere Kreise ergreifen. Als
auf dem Reichstage zu Nürnberg 1524, der Reichsverweser
Erzherzog Ferdinand deshalb das Wormser Edikt erneuern
wollte, fand er keine Zustimmung seitens der Reichsstände.
Die Ursache giebt uns der sächsische Gesandte Hans von Planitz
in einem Schreiben vom 17. April an. "Wohl ist es wahr,
daß der größte Teil nicht hat bewilligen wollen, das Mandat,
welches zu Worms aufgerichtet worden, wieder zu erneuern;
denn es möchte Aufruhr geben. Es ist doch ein Gutes,
was sie gethan; aber nicht ums Gute willen, sondern weil
sie sich
ihrer Haut gefürchtet haben3)."

Damals kamen sehr beunruhigende Berichte aus Würtem-
berg, Franken, Schwaben und Kur-Trier von drohenden Be-

1) H. Förstemann, Neues Urkundenbuch, p. 31.
2) l. c. p. 75.
3) l. c. p. 189.

werden ſollte. Denn wie die Böhmen unter dem Namen und
Schein des Evangeliums vordem allen Gehorſam und Ord-
nung unterdrückt haben, ſo auch unterſteht ſich Martin Luther
mit ſeinen Helfern und Anhängern, alle Macht der Rechte
und kaiſerlichen Geſetze, auch aller Obrigkeit umzuſtoßen und
umzukehren1).

Am 20. April 1521 erließ Karl V. ſein Mandat gegen
Luther. „Wir verordnen, daß Luther zurückgeführt werde,
nach Jnhalt und Wortlaut ſeines Geleitbriefes, verbieten aber,
daß er predige, noch durch ſeine verwerflichſte Lehre das Volk
aufrege, damit kein Anlaß gegeben werde, daß im Volke ein
Aufruhr entſtehe2).‟

Kaiſer Karl hatte nicht geirrt, als er dieſes Verbot er-
ließ; denn dadurch, daß es von dem Kurfürſten von Sachſen
übertreten wurde, welcher Luther in Schutz nahm, konnte das
Feuer der Empörung immer weitere Kreiſe ergreifen. Als
auf dem Reichstage zu Nürnberg 1524, der Reichsverweſer
Erzherzog Ferdinand deshalb das Wormſer Edikt erneuern
wollte, fand er keine Zuſtimmung ſeitens der Reichsſtände.
Die Urſache giebt uns der ſächſiſche Geſandte Hans von Planitz
in einem Schreiben vom 17. April an. „Wohl iſt es wahr,
daß der größte Teil nicht hat bewilligen wollen, das Mandat,
welches zu Worms aufgerichtet worden, wieder zu erneuern;
denn es möchte Aufruhr geben. Es iſt doch ein Gutes,
was ſie gethan; aber nicht ums Gute willen, ſondern weil
ſie ſich
ihrer Haut gefürchtet haben3).‟

Damals kamen ſehr beunruhigende Berichte aus Würtem-
berg, Franken, Schwaben und Kur-Trier von drohenden Be-

1) H. Förſtemann, Neues Urkundenbuch, p. 31.
2) l. c. p. 75.
3) l. c. p. 189.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="5"/>
werden &#x017F;ollte. Denn wie die Böhmen unter dem Namen und<lb/>
Schein des Evangeliums vordem allen Gehor&#x017F;am und Ord-<lb/>
nung unterdrückt haben, &#x017F;o auch unter&#x017F;teht &#x017F;ich Martin Luther<lb/>
mit &#x017F;einen Helfern und Anhängern, alle Macht der Rechte<lb/>
und kai&#x017F;erlichen Ge&#x017F;etze, auch aller Obrigkeit umzu&#x017F;toßen und<lb/>
umzukehren<note place="foot" n="1)">H. För&#x017F;temann, Neues Urkundenbuch, <hi rendition="#aq">p.</hi> 31.</note>.</p><lb/>
        <p>Am 20. April 1521 erließ Karl <hi rendition="#aq">V.</hi> &#x017F;ein Mandat gegen<lb/>
Luther. &#x201E;Wir verordnen, daß Luther zurückgeführt werde,<lb/>
nach Jnhalt und Wortlaut &#x017F;eines Geleitbriefes, verbieten aber,<lb/>
daß er predige, noch durch &#x017F;eine verwerflich&#x017F;te Lehre das Volk<lb/>
aufrege, damit kein Anlaß gegeben werde, daß im Volke ein<lb/><hi rendition="#g">Aufruhr</hi> ent&#x017F;tehe<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">l. c. p.</hi> 75.</note>.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Kai&#x017F;er Karl hatte nicht geirrt, als er die&#x017F;es Verbot er-<lb/>
ließ; denn dadurch, daß es von dem Kurfür&#x017F;ten von Sach&#x017F;en<lb/>
übertreten wurde, welcher Luther in Schutz nahm, konnte das<lb/>
Feuer der Empörung immer weitere Krei&#x017F;e ergreifen. Als<lb/>
auf dem Reichstage zu Nürnberg 1524, der Reichsverwe&#x017F;er<lb/>
Erzherzog Ferdinand deshalb das Worm&#x017F;er Edikt erneuern<lb/>
wollte, fand er keine Zu&#x017F;timmung &#x017F;eitens der Reichs&#x017F;tände.<lb/>
Die Ur&#x017F;ache giebt uns der &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;andte Hans von Planitz<lb/>
in einem Schreiben vom 17. April an. &#x201E;Wohl i&#x017F;t es wahr,<lb/>
daß der größte Teil nicht hat bewilligen wollen, das Mandat,<lb/>
welches zu Worms aufgerichtet worden, wieder zu erneuern;<lb/>
denn es <hi rendition="#g">möchte Aufruhr geben</hi>. Es i&#x017F;t doch ein Gutes,<lb/>
was &#x017F;ie gethan; aber nicht ums Gute willen, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">weil<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich</hi> ihrer Haut <hi rendition="#g">gefürchtet haben</hi><note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">l. c. p.</hi> 189.</note>.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Damals kamen &#x017F;ehr beunruhigende Berichte aus Würtem-<lb/>
berg, Franken, Schwaben und Kur-Trier von drohenden Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0017] werden ſollte. Denn wie die Böhmen unter dem Namen und Schein des Evangeliums vordem allen Gehorſam und Ord- nung unterdrückt haben, ſo auch unterſteht ſich Martin Luther mit ſeinen Helfern und Anhängern, alle Macht der Rechte und kaiſerlichen Geſetze, auch aller Obrigkeit umzuſtoßen und umzukehren 1). Am 20. April 1521 erließ Karl V. ſein Mandat gegen Luther. „Wir verordnen, daß Luther zurückgeführt werde, nach Jnhalt und Wortlaut ſeines Geleitbriefes, verbieten aber, daß er predige, noch durch ſeine verwerflichſte Lehre das Volk aufrege, damit kein Anlaß gegeben werde, daß im Volke ein Aufruhr entſtehe 2).‟ Kaiſer Karl hatte nicht geirrt, als er dieſes Verbot er- ließ; denn dadurch, daß es von dem Kurfürſten von Sachſen übertreten wurde, welcher Luther in Schutz nahm, konnte das Feuer der Empörung immer weitere Kreiſe ergreifen. Als auf dem Reichstage zu Nürnberg 1524, der Reichsverweſer Erzherzog Ferdinand deshalb das Wormſer Edikt erneuern wollte, fand er keine Zuſtimmung ſeitens der Reichsſtände. Die Urſache giebt uns der ſächſiſche Geſandte Hans von Planitz in einem Schreiben vom 17. April an. „Wohl iſt es wahr, daß der größte Teil nicht hat bewilligen wollen, das Mandat, welches zu Worms aufgerichtet worden, wieder zu erneuern; denn es möchte Aufruhr geben. Es iſt doch ein Gutes, was ſie gethan; aber nicht ums Gute willen, ſondern weil ſie ſich ihrer Haut gefürchtet haben 3).‟ Damals kamen ſehr beunruhigende Berichte aus Würtem- berg, Franken, Schwaben und Kur-Trier von drohenden Be- 1) H. Förſtemann, Neues Urkundenbuch, p. 31. 2) l. c. p. 75. 3) l. c. p. 189.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/17
Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/17>, abgerufen am 24.04.2024.