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Déry, Juliane: Selige Liebe. In: Neue Deutsche Rundschau, VII. Jahrgang, S. 352-359. Berlin, 1896.

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Was starren uns die Menschen an? Steht es uns an der Stirn geschrieben, dass wir Heilige der Liebe sind, König und Königin des höchsten Lebens?

* * *

Wie auf einem Stück glühender Sonne ruht sichs an deinem Herzen. Fühlst du auch das strahlende Leben in mir? Diese tausend Leben ausstrahlende, kleine heimliche Sonne?

Und diese Sonne in unsern Adern - o heisses, seliges Sonnenblut!

* * *

Dieses Atmen von dir, zu dir!

Diese Sehnsucht! Als trüge ich deine Seele in mir, als trügst du meine Seele in dir - dieser Durst nach unseren Seelen! Dieses Brennen! Wie wenn zwei Funken sich suchen und über alles hinwegspringen, um sich zu finden. Dieses Aneinanderklammern, dieses Sichnichtlosreisenkönnen! Dieses höllensüsse Verschmelzen! So fliessen Sterne zusammen am jüngsten Tag, wenn die letzte grosse Seligkeit kommt.

* * *

Grosser Buddha, ich glaube an dich! Warum solltest du kein Gott sein? Bin ich ja doch selber so etwas.

Geht nicht alles von mir aus, kehrt nicht alles zu mir zurück? Lebe ich nicht in jeder Blume, mitschöpferisch in allem Erschaffenen? Atmet, was mich beseelt, nicht auch in ihnen: Seligkeitsdrang in der ewigen Wandlung göttlichen Schöpfergeistes?

Ists nicht, als hätte ich tausend Hände, um zu geben, tausend Herzen, um zu fühlen, tausend Hirne, um zu fassen. Seligkeitsdrang, Seligkeitsdrang?

* * *

"Einen solchen," sagst du, "findest du gar nicht, der so glücklich ist."

Und ich?

Bin ich nicht ein Genie im Seligsein, ein Gott, der betet?

Altäre möchte ich bauen und Opferflammen gen Himmel steigen sehn.

* * *

Wir verhüllen unser Antlitz und wagen uns nicht anzusehn, so fasst du uns an, gewaltige Liebe, heiliger Geist!

Da liegen wir zu Boden gestreckt. Wie von jauchzenden Donnern erschlagen liegen wir, eingehüllt in die Glutschleier der Liebe.

Ach, dieses Seligwerden bei lebendigem Leibe, dieses Erglühen, dieses Erlöschen, dieses Nichtbegreifenkönnen. Ist das wirklich die Erde oder ein Gefühlsparadies ausserhalb der Erde, die vierte Dimension? Die Seele, die sich auf Unerhörtes, Niegefühltes vorbereitet, auf tiefheisse, übermenschlich hehre Seligkeiten? Ein Wonnegarten vor dem Himmelsthor? Glühende Morgenrotsträume vor Anbruch des Tages aller Tage?

O die lichte Seelenreise, voll der wonnigsten Stationen und der holdesten Abenteuer!

Wunder, was noch kommen wird!

* * *

Und das Wunder ist gekommen: unser glücklichster Augenblick. Ein grosser Moment! Zu fühlen: du bist unser schönster, ach, seligster Moment!

Was starren uns die Menschen an? Steht es uns an der Stirn geschrieben, dass wir Heilige der Liebe sind, König und Königin des höchsten Lebens?

* * *

Wie auf einem Stück glühender Sonne ruht sichs an deinem Herzen. Fühlst du auch das strahlende Leben in mir? Diese tausend Leben ausstrahlende, kleine heimliche Sonne?

Und diese Sonne in unsern Adern – o heisses, seliges Sonnenblut!

* * *

Dieses Atmen von dir, zu dir!

Diese Sehnsucht! Als trüge ich deine Seele in mir, als trügst du meine Seele in dir – dieser Durst nach unseren Seelen! Dieses Brennen! Wie wenn zwei Funken sich suchen und über alles hinwegspringen, um sich zu finden. Dieses Aneinanderklammern, dieses Sichnichtlosreisenkönnen! Dieses höllensüsse Verschmelzen! So fliessen Sterne zusammen am jüngsten Tag, wenn die letzte grosse Seligkeit kommt.

* * *

Grosser Buddha, ich glaube an dich! Warum solltest du kein Gott sein? Bin ich ja doch selber so etwas.

Geht nicht alles von mir aus, kehrt nicht alles zu mir zurück? Lebe ich nicht in jeder Blume, mitschöpferisch in allem Erschaffenen? Atmet, was mich beseelt, nicht auch in ihnen: Seligkeitsdrang in der ewigen Wandlung göttlichen Schöpfergeistes?

Ists nicht, als hätte ich tausend Hände, um zu geben, tausend Herzen, um zu fühlen, tausend Hirne, um zu fassen. Seligkeitsdrang, Seligkeitsdrang?

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„Einen solchen,“ sagst du, „findest du gar nicht, der so glücklich ist.“

Und ich?

Bin ich nicht ein Genie im Seligsein, ein Gott, der betet?

Altäre möchte ich bauen und Opferflammen gen Himmel steigen sehn.

* * *

Wir verhüllen unser Antlitz und wagen uns nicht anzusehn, so fasst du uns an, gewaltige Liebe, heiliger Geist!

Da liegen wir zu Boden gestreckt. Wie von jauchzenden Donnern erschlagen liegen wir, eingehüllt in die Glutschleier der Liebe.

Ach, dieses Seligwerden bei lebendigem Leibe, dieses Erglühen, dieses Erlöschen, dieses Nichtbegreifenkönnen. Ist das wirklich die Erde oder ein Gefühlsparadies ausserhalb der Erde, die vierte Dimension? Die Seele, die sich auf Unerhörtes, Niegefühltes vorbereitet, auf tiefheisse, übermenschlich hehre Seligkeiten? Ein Wonnegarten vor dem Himmelsthor? Glühende Morgenrotsträume vor Anbruch des Tages aller Tage?

O die lichte Seelenreise, voll der wonnigsten Stationen und der holdesten Abenteuer!

Wunder, was noch kommen wird!

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Und das Wunder ist gekommen: unser glücklichster Augenblick. Ein grosser Moment! Zu fühlen: du bist unser schönster, ach, seligster Moment!

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[358/0007] Was starren uns die Menschen an? Steht es uns an der Stirn geschrieben, dass wir Heilige der Liebe sind, König und Königin des höchsten Lebens? * * * Wie auf einem Stück glühender Sonne ruht sichs an deinem Herzen. Fühlst du auch das strahlende Leben in mir? Diese tausend Leben ausstrahlende, kleine heimliche Sonne? Und diese Sonne in unsern Adern – o heisses, seliges Sonnenblut! * * * Dieses Atmen von dir, zu dir! Diese Sehnsucht! Als trüge ich deine Seele in mir, als trügst du meine Seele in dir – dieser Durst nach unseren Seelen! Dieses Brennen! Wie wenn zwei Funken sich suchen und über alles hinwegspringen, um sich zu finden. Dieses Aneinanderklammern, dieses Sichnichtlosreisenkönnen! Dieses höllensüsse Verschmelzen! So fliessen Sterne zusammen am jüngsten Tag, wenn die letzte grosse Seligkeit kommt. * * * Grosser Buddha, ich glaube an dich! Warum solltest du kein Gott sein? Bin ich ja doch selber so etwas. Geht nicht alles von mir aus, kehrt nicht alles zu mir zurück? Lebe ich nicht in jeder Blume, mitschöpferisch in allem Erschaffenen? Atmet, was mich beseelt, nicht auch in ihnen: Seligkeitsdrang in der ewigen Wandlung göttlichen Schöpfergeistes? Ists nicht, als hätte ich tausend Hände, um zu geben, tausend Herzen, um zu fühlen, tausend Hirne, um zu fassen. Seligkeitsdrang, Seligkeitsdrang? * * * „Einen solchen,“ sagst du, „findest du gar nicht, der so glücklich ist.“ Und ich? Bin ich nicht ein Genie im Seligsein, ein Gott, der betet? Altäre möchte ich bauen und Opferflammen gen Himmel steigen sehn. * * * Wir verhüllen unser Antlitz und wagen uns nicht anzusehn, so fasst du uns an, gewaltige Liebe, heiliger Geist! Da liegen wir zu Boden gestreckt. Wie von jauchzenden Donnern erschlagen liegen wir, eingehüllt in die Glutschleier der Liebe. Ach, dieses Seligwerden bei lebendigem Leibe, dieses Erglühen, dieses Erlöschen, dieses Nichtbegreifenkönnen. Ist das wirklich die Erde oder ein Gefühlsparadies ausserhalb der Erde, die vierte Dimension? Die Seele, die sich auf Unerhörtes, Niegefühltes vorbereitet, auf tiefheisse, übermenschlich hehre Seligkeiten? Ein Wonnegarten vor dem Himmelsthor? Glühende Morgenrotsträume vor Anbruch des Tages aller Tage? O die lichte Seelenreise, voll der wonnigsten Stationen und der holdesten Abenteuer! Wunder, was noch kommen wird! * * * Und das Wunder ist gekommen: unser glücklichster Augenblick. Ein grosser Moment! Zu fühlen: du bist unser schönster, ach, seligster Moment!

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Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.




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Zitationshilfe: Déry, Juliane: Selige Liebe. In: Neue Deutsche Rundschau, VII. Jahrgang, S. 352-359. Berlin, 1896, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dery_liebe_1896/7>, abgerufen am 24.04.2024.