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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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theilen. Dergestalt half Terray sich rüstig durch, ward ein
vielbeliebter Mann, und bloß das Volk litt. Jetzt aber
wollte man von Terray nichts mehr wissen; es sollte dem
Volke geholfen werden, in die verwohnten Gemächer der
Willkür sollte die Gerechtigkeit einziehen. Mit andern
Worten: Man wollte das Volk erleichtern, also weniger
von ihm einnehmen, man wollte zu gleicher Zeit mehr
ausgeben, weil man die Staatsgläubiger zu befriedigen
dachte. Das durch so edle Vorsätze zu vergrößernde De-
ficit konnte allein durch tief greifende Ersparungen gedeckt
werden. Alle Kosten sparenden Einrichtungen führen aber
zu jeder Zeit den Haß des mächtigen Theiles der Bevölke-
rung herbei, welcher sein Leben bisher von Misbräuchen
gefristet hat; ihre Entwickelung ist langsam, kostspielig
sogar, nur durch Leidensjahre, nur durch vielen Unfrieden
hindurch darf ein standhafter Sinn hoffen zum Frieden zu
gelangen. Ein besonderer Umstand erschwerte noch die
finanziellen Schwierigkeiten. Die Rechtspflege im Reiche
hatte bis dahin der Krone sehr wenig gekostet, denn seit
König Franz dem Ersten waren alle königlichen Richter-
stellen käuflich, in der Art daß die Krone die eingezahlte
Kaufsumme den Käufern verzinste. Von diesen Zinsen
lebten dann die Richter und bezogen daneben nur unbedeu-
tende Besoldungen. Die Staatsschuld freilich war dadurch
um über 300 Millionen Livres vermehrt und ganz aus-
drücklich war zugesagt daß im Falle der Aufhebung einer
Richterstelle das Kaufgeld zurückgezahlt werden solle. Nun

theilen. Dergeſtalt half Terray ſich rüſtig durch, ward ein
vielbeliebter Mann, und bloß das Volk litt. Jetzt aber
wollte man von Terray nichts mehr wiſſen; es ſollte dem
Volke geholfen werden, in die verwohnten Gemächer der
Willkür ſollte die Gerechtigkeit einziehen. Mit andern
Worten: Man wollte das Volk erleichtern, alſo weniger
von ihm einnehmen, man wollte zu gleicher Zeit mehr
ausgeben, weil man die Staatsgläubiger zu befriedigen
dachte. Das durch ſo edle Vorſätze zu vergrößernde De-
ficit konnte allein durch tief greifende Erſparungen gedeckt
werden. Alle Koſten ſparenden Einrichtungen führen aber
zu jeder Zeit den Haß des mächtigen Theiles der Bevölke-
rung herbei, welcher ſein Leben bisher von Misbräuchen
gefriſtet hat; ihre Entwickelung iſt langſam, koſtſpielig
ſogar, nur durch Leidensjahre, nur durch vielen Unfrieden
hindurch darf ein ſtandhafter Sinn hoffen zum Frieden zu
gelangen. Ein beſonderer Umſtand erſchwerte noch die
finanziellen Schwierigkeiten. Die Rechtspflege im Reiche
hatte bis dahin der Krone ſehr wenig gekoſtet, denn ſeit
König Franz dem Erſten waren alle königlichen Richter-
ſtellen käuflich, in der Art daß die Krone die eingezahlte
Kaufſumme den Käufern verzinſte. Von dieſen Zinſen
lebten dann die Richter und bezogen daneben nur unbedeu-
tende Beſoldungen. Die Staatsſchuld freilich war dadurch
um über 300 Millionen Livres vermehrt und ganz aus-
drücklich war zugeſagt daß im Falle der Aufhebung einer
Richterſtelle das Kaufgeld zurückgezahlt werden ſolle. Nun

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[21/0031] theilen. Dergeſtalt half Terray ſich rüſtig durch, ward ein vielbeliebter Mann, und bloß das Volk litt. Jetzt aber wollte man von Terray nichts mehr wiſſen; es ſollte dem Volke geholfen werden, in die verwohnten Gemächer der Willkür ſollte die Gerechtigkeit einziehen. Mit andern Worten: Man wollte das Volk erleichtern, alſo weniger von ihm einnehmen, man wollte zu gleicher Zeit mehr ausgeben, weil man die Staatsgläubiger zu befriedigen dachte. Das durch ſo edle Vorſätze zu vergrößernde De- ficit konnte allein durch tief greifende Erſparungen gedeckt werden. Alle Koſten ſparenden Einrichtungen führen aber zu jeder Zeit den Haß des mächtigen Theiles der Bevölke- rung herbei, welcher ſein Leben bisher von Misbräuchen gefriſtet hat; ihre Entwickelung iſt langſam, koſtſpielig ſogar, nur durch Leidensjahre, nur durch vielen Unfrieden hindurch darf ein ſtandhafter Sinn hoffen zum Frieden zu gelangen. Ein beſonderer Umſtand erſchwerte noch die finanziellen Schwierigkeiten. Die Rechtspflege im Reiche hatte bis dahin der Krone ſehr wenig gekoſtet, denn ſeit König Franz dem Erſten waren alle königlichen Richter- ſtellen käuflich, in der Art daß die Krone die eingezahlte Kaufſumme den Käufern verzinſte. Von dieſen Zinſen lebten dann die Richter und bezogen daneben nur unbedeu- tende Beſoldungen. Die Staatsſchuld freilich war dadurch um über 300 Millionen Livres vermehrt und ganz aus- drücklich war zugeſagt daß im Falle der Aufhebung einer Richterſtelle das Kaufgeld zurückgezahlt werden ſolle. Nun

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/31>, abgerufen am 29.03.2024.