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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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derbte Ordnungen erst von dem Augenblicke an, da die
Hand eines ehrlichen Mannes sich hineinmischt, ein recht
verlorenes Ansehn. Licht und Schatten treten bei der Un-
tersuchung greller auseinander, und es ist mit den verfal-
lenen Staatssachen nun einmal von Grund aus anders
bewandt, als etwa mit einem verfallenden Ritterschlosse,
von welchem man einen beliebigen Theil seinem Schicksal
überläßt, einen andern beliebigen sich wohnlich ausbaut.
Mit dem Staate geht es wie mit dem menschlichen Kör-
per, ein verletztes Organ zieht das andere in die Mitlei-
denheit. Man konnte die jährliche Einnahme der Krone
damals auf 400 bis 430 Millionen Livres anschlagen.
Damit ließen sich alle Ausgaben für die verschiedenen
Zweige des öffentlichen Dienstes bequem bestreiten, und
man hätte auf einen jährlichen Überschuß rechnen können,
wenn die Staatsschuld nicht gewesen wäre, deren Höhe
niemand so eigentlich kannte, die sich aber von Jahr zu
Jahr durch ihre Zinsforderung in Erinnerung brachte. So
lange nun Terray in den Finanzen schaltete, zahlte er, so-
bald das Geld ihm ausging, keine Zinsen, keine Leib-
renten, setzte den ohnehin sehr ungleichartigen Zins will-
kürlich herab, hielt zugleich die Generalpächter an, die
Auflagen ausbündiger zu erheben und schärfer einzutreiben
als bisher, was diese gern thaten. Der so vermehrte Er-
trag kam aber nicht den Pächtern allein zu gute, sie muß-
ten nach ihren Contracten, wenn der Mehrertrag eine ge-
wisse Gränze überschritt, den Vortheil mit der Krone

derbte Ordnungen erſt von dem Augenblicke an, da die
Hand eines ehrlichen Mannes ſich hineinmiſcht, ein recht
verlorenes Anſehn. Licht und Schatten treten bei der Un-
terſuchung greller auseinander, und es iſt mit den verfal-
lenen Staatsſachen nun einmal von Grund aus anders
bewandt, als etwa mit einem verfallenden Ritterſchloſſe,
von welchem man einen beliebigen Theil ſeinem Schickſal
überläßt, einen andern beliebigen ſich wohnlich ausbaut.
Mit dem Staate geht es wie mit dem menſchlichen Kör-
per, ein verletztes Organ zieht das andere in die Mitlei-
denheit. Man konnte die jährliche Einnahme der Krone
damals auf 400 bis 430 Millionen Livres anſchlagen.
Damit ließen ſich alle Ausgaben für die verſchiedenen
Zweige des öffentlichen Dienſtes bequem beſtreiten, und
man hätte auf einen jährlichen Überſchuß rechnen können,
wenn die Staatsſchuld nicht geweſen wäre, deren Höhe
niemand ſo eigentlich kannte, die ſich aber von Jahr zu
Jahr durch ihre Zinsforderung in Erinnerung brachte. So
lange nun Terray in den Finanzen ſchaltete, zahlte er, ſo-
bald das Geld ihm ausging, keine Zinſen, keine Leib-
renten, ſetzte den ohnehin ſehr ungleichartigen Zins will-
kürlich herab, hielt zugleich die Generalpächter an, die
Auflagen ausbündiger zu erheben und ſchärfer einzutreiben
als bisher, was dieſe gern thaten. Der ſo vermehrte Er-
trag kam aber nicht den Pächtern allein zu gute, ſie muß-
ten nach ihren Contracten, wenn der Mehrertrag eine ge-
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[20/0030] derbte Ordnungen erſt von dem Augenblicke an, da die Hand eines ehrlichen Mannes ſich hineinmiſcht, ein recht verlorenes Anſehn. Licht und Schatten treten bei der Un- terſuchung greller auseinander, und es iſt mit den verfal- lenen Staatsſachen nun einmal von Grund aus anders bewandt, als etwa mit einem verfallenden Ritterſchloſſe, von welchem man einen beliebigen Theil ſeinem Schickſal überläßt, einen andern beliebigen ſich wohnlich ausbaut. Mit dem Staate geht es wie mit dem menſchlichen Kör- per, ein verletztes Organ zieht das andere in die Mitlei- denheit. Man konnte die jährliche Einnahme der Krone damals auf 400 bis 430 Millionen Livres anſchlagen. Damit ließen ſich alle Ausgaben für die verſchiedenen Zweige des öffentlichen Dienſtes bequem beſtreiten, und man hätte auf einen jährlichen Überſchuß rechnen können, wenn die Staatsſchuld nicht geweſen wäre, deren Höhe niemand ſo eigentlich kannte, die ſich aber von Jahr zu Jahr durch ihre Zinsforderung in Erinnerung brachte. So lange nun Terray in den Finanzen ſchaltete, zahlte er, ſo- bald das Geld ihm ausging, keine Zinſen, keine Leib- renten, ſetzte den ohnehin ſehr ungleichartigen Zins will- kürlich herab, hielt zugleich die Generalpächter an, die Auflagen ausbündiger zu erheben und ſchärfer einzutreiben als bisher, was dieſe gern thaten. Der ſo vermehrte Er- trag kam aber nicht den Pächtern allein zu gute, ſie muß- ten nach ihren Contracten, wenn der Mehrertrag eine ge- wiſſe Gränze überſchritt, den Vortheil mit der Krone

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/30>, abgerufen am 28.03.2024.