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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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König übte gegen dieses Treiben eine Art kleiner Oppo-
sition; auf seine Veranlassung erschien auf dem Schloß-
theater in Gegenwart der Königin der Harlekin Carlin mit
einer ungeheuren Pfauenfeder auf der Mütze und blieb
ungestraft; vollends mislang seiner Gemahlin jeder Ver-
such, der französischen Politik wieder eine österreichische
Wendung zu geben. Denn hier widerstand der König,
ließ sie überhaupt nicht tief in die Karten sehen, gab sei-
nen Ministern Recht, die in den alten Pfad, welchen
Bernis und Choiseuil zum Nachtheile des Reiches verlie-
ßen, wieder einlenkten. Hatte doch schon die Maitresse des
verstorbenen Königs, Gräfin Dubarry, sich ein Vergnügen
daraus gemacht, der Welt zu zeigen, daß eine österreichi-
sche Dauphine und eine an Österreich hingegebene Politik
nicht nothwendig zusammengehörten. Das Ministerium
des Herzogs von Choiseuil überlebte jene Heirath, die sein
Werk, nur kurze Zeit, und all' sein Bemühen, sich jetzt
wieder nothwendig für das Auswärtige zu machen, schei-
terte. So oft er an den Hof kam, er mußte immer wieder
unverrichteter Sache zurück auf seinen Landsitz zu Chan-
teloup.

Der jüngste Bruder des Königs, Graf von Artois,
überbot die Königin in glänzenden Lustbarkeiten und
weihte sich jeder Art modischer Ausgelassenheit, in Pferde-
rennen und Anzug nach englischem Muster ein Original,
eben so originell im Aufwande weit über seine Einkünfte
hinaus. Dem Könige erlaubte er von Jahr zu Jahr seine

König übte gegen dieſes Treiben eine Art kleiner Oppo-
ſition; auf ſeine Veranlaſſung erſchien auf dem Schloß-
theater in Gegenwart der Königin der Harlekin Carlin mit
einer ungeheuren Pfauenfeder auf der Mütze und blieb
ungeſtraft; vollends mislang ſeiner Gemahlin jeder Ver-
ſuch, der franzöſiſchen Politik wieder eine öſterreichiſche
Wendung zu geben. Denn hier widerſtand der König,
ließ ſie überhaupt nicht tief in die Karten ſehen, gab ſei-
nen Miniſtern Recht, die in den alten Pfad, welchen
Bernis und Choiſeuil zum Nachtheile des Reiches verlie-
ßen, wieder einlenkten. Hatte doch ſchon die Maitreſſe des
verſtorbenen Königs, Gräfin Dubarry, ſich ein Vergnügen
daraus gemacht, der Welt zu zeigen, daß eine öſterreichi-
ſche Dauphine und eine an Öſterreich hingegebene Politik
nicht nothwendig zuſammengehörten. Das Miniſterium
des Herzogs von Choiſeuil überlebte jene Heirath, die ſein
Werk, nur kurze Zeit, und all’ ſein Bemühen, ſich jetzt
wieder nothwendig für das Auswärtige zu machen, ſchei-
terte. So oft er an den Hof kam, er mußte immer wieder
unverrichteter Sache zurück auf ſeinen Landſitz zu Chan-
teloup.

Der jüngſte Bruder des Königs, Graf von Artois,
überbot die Königin in glänzenden Luſtbarkeiten und
weihte ſich jeder Art modiſcher Ausgelaſſenheit, in Pferde-
rennen und Anzug nach engliſchem Muſter ein Original,
eben ſo originell im Aufwande weit über ſeine Einkünfte
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[16/0026] König übte gegen dieſes Treiben eine Art kleiner Oppo- ſition; auf ſeine Veranlaſſung erſchien auf dem Schloß- theater in Gegenwart der Königin der Harlekin Carlin mit einer ungeheuren Pfauenfeder auf der Mütze und blieb ungeſtraft; vollends mislang ſeiner Gemahlin jeder Ver- ſuch, der franzöſiſchen Politik wieder eine öſterreichiſche Wendung zu geben. Denn hier widerſtand der König, ließ ſie überhaupt nicht tief in die Karten ſehen, gab ſei- nen Miniſtern Recht, die in den alten Pfad, welchen Bernis und Choiſeuil zum Nachtheile des Reiches verlie- ßen, wieder einlenkten. Hatte doch ſchon die Maitreſſe des verſtorbenen Königs, Gräfin Dubarry, ſich ein Vergnügen daraus gemacht, der Welt zu zeigen, daß eine öſterreichi- ſche Dauphine und eine an Öſterreich hingegebene Politik nicht nothwendig zuſammengehörten. Das Miniſterium des Herzogs von Choiſeuil überlebte jene Heirath, die ſein Werk, nur kurze Zeit, und all’ ſein Bemühen, ſich jetzt wieder nothwendig für das Auswärtige zu machen, ſchei- terte. So oft er an den Hof kam, er mußte immer wieder unverrichteter Sache zurück auf ſeinen Landſitz zu Chan- teloup. Der jüngſte Bruder des Königs, Graf von Artois, überbot die Königin in glänzenden Luſtbarkeiten und weihte ſich jeder Art modiſcher Ausgelaſſenheit, in Pferde- rennen und Anzug nach engliſchem Muſter ein Original, eben ſo originell im Aufwande weit über ſeine Einkünfte hinaus. Dem Könige erlaubte er von Jahr zu Jahr ſeine

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/26>, abgerufen am 20.04.2024.