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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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II.

Wie einer seiner Vorfahren eigentlich dazu ge-
kommen war, sich schlechtweg "Mensch" zu nennen oder
zu einem derartigen Besonderheitsmenschen sich er-
nennen zu lassen, hatte Adam wirklich nicht ergraben
und ergründen können. Ja! Er hatte sich alle Mühe
gegeben, sotanes Geheimniß zu entlarven, und manche
Stunde war darüber vergrübelt worden. Uebrigens ge-
fiel ihm sein Familienname, dieser Name, der das
Moment des Typischen und des Individuellen so intim
vereinigte, der ebenso originell und tiefsinnig, wie ge-
wöhnlich, oberflächlich und trivial war, gar nicht
übel. Und nicht übel paßte objectiv und behagte
seinem Besitzer auch subjectiv der Vorname Adam --
"Adam Mensch": eine originelle Idee seines Vaters
war es doch gewesen, die Familienüberlieferung,
nach welcher jeder Erstgeborene den Vornamen Gott-
fried erhalten sollte, zu durchbrechen und seinen
Erstling "Adam" zu taufen! Manchmal war der Name
seinem Träger allerdings mehr eine Last, denn eine
Lust gewesen: zu den Zeiten, da er die Volksschule
seiner kleinen Vaterstadt besucht und mit Kameraden
auf einer Bank hatte sitzen müssen, die an sich wohl

II.

Wie einer ſeiner Vorfahren eigentlich dazu ge-
kommen war, ſich ſchlechtweg „Menſch“ zu nennen oder
zu einem derartigen Beſonderheitsmenſchen ſich er-
nennen zu laſſen, hatte Adam wirklich nicht ergraben
und ergründen können. Ja! Er hatte ſich alle Mühe
gegeben, ſotanes Geheimniß zu entlarven, und manche
Stunde war darüber vergrübelt worden. Uebrigens ge-
fiel ihm ſein Familienname, dieſer Name, der das
Moment des Typiſchen und des Individuellen ſo intim
vereinigte, der ebenſo originell und tiefſinnig, wie ge-
wöhnlich, oberflächlich und trivial war, gar nicht
übel. Und nicht übel paßte objectiv und behagte
ſeinem Beſitzer auch ſubjectiv der Vorname Adam —
„Adam Menſch“: eine originelle Idee ſeines Vaters
war es doch geweſen, die Familienüberlieferung,
nach welcher jeder Erſtgeborene den Vornamen Gott-
fried erhalten ſollte, zu durchbrechen und ſeinen
Erſtling „Adam“ zu taufen! Manchmal war der Name
ſeinem Träger allerdings mehr eine Laſt, denn eine
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[[10]/0018] II. Wie einer ſeiner Vorfahren eigentlich dazu ge- kommen war, ſich ſchlechtweg „Menſch“ zu nennen oder zu einem derartigen Beſonderheitsmenſchen ſich er- nennen zu laſſen, hatte Adam wirklich nicht ergraben und ergründen können. Ja! Er hatte ſich alle Mühe gegeben, ſotanes Geheimniß zu entlarven, und manche Stunde war darüber vergrübelt worden. Uebrigens ge- fiel ihm ſein Familienname, dieſer Name, der das Moment des Typiſchen und des Individuellen ſo intim vereinigte, der ebenſo originell und tiefſinnig, wie ge- wöhnlich, oberflächlich und trivial war, gar nicht übel. Und nicht übel paßte objectiv und behagte ſeinem Beſitzer auch ſubjectiv der Vorname Adam — „Adam Menſch“: eine originelle Idee ſeines Vaters war es doch geweſen, die Familienüberlieferung, nach welcher jeder Erſtgeborene den Vornamen Gott- fried erhalten ſollte, zu durchbrechen und ſeinen Erſtling „Adam“ zu taufen! Manchmal war der Name ſeinem Träger allerdings mehr eine Laſt, denn eine Luſt geweſen: zu den Zeiten, da er die Volksſchule ſeiner kleinen Vaterſtadt beſucht und mit Kameraden auf einer Bank hatte ſitzen müſſen, die an ſich wohl

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. [10]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/18>, abgerufen am 29.03.2024.