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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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[M]ensch imponirte diese Theilnahmlosigkeit immerhin
[ei]n Wenig. Und sie imponirte ihm vor allem darum,
[w]eil seine eigene, sehr nervöse und unruhige Natur
[si]ch von Jedwedem in Anspruch nehmen ließ, was auf
[si]e eindrängte, auf Alles eingehen mußte, was um
[si]e herum athmete, lebte und sprach.

Nun fiel es ihm gerade ein, sich der Dame einmal
b[e]merklich zu machen. Er ging hart an ihr vorüber,
s[a]h sie scharf von der Seite an und schritt ihr
d[a]nn voraus. Jetzt blieb er vor dem Schaufenster
[ei]nes großen Delicatessengeschäftes stehen und wandte
si[ch] auffällig um, als er annehmen konnte, daß
F[r]äulein Irmer in seiner Nähe war. Er fixirte
si[e] scharf und suchte ihr Auge festzuhalten. Die
[D]ame streifte ihn mit einem kurzen Blicke und sah
d[a]nn über ihn hinweg. Das ärgerte den Herrn
[D]octor ein Wenig. Er hielt sich jetzt in ihrer
[int]imen Nähe und folgte ihr dicht auf den Sohlen.
F[r]äulein Irmer wurde augenscheinlich unruhig.
D[e]r Kopf senkte sich und drehte sich in kurzen,
h[a]rten Bewegungen, bald nach links, bald nach
re[ch]ts. Sie hatte begonnen, von ihrem Begleiter
N[o]tiz zu nehmen.

Die Dämmerung wuchs. Die Schatten der
au[s]einanderquellenden Nacht fielen dichter und dunk-
le[r.] Jetzt flammten die ersten Laternen auf.

Eine Buchhandlung lag am Wege. Fräulein
I[r]mer trat in den Laden, Adam Mensch folgte ihr nach
ein[i]gen Secunden. Er hörte, wie sich die Dame mit
et[w]as belegt-ausgefranster Stimme Eugen Dühring's

[M]enſch imponirte dieſe Theilnahmloſigkeit immerhin
[ei]n Wenig. Und ſie imponirte ihm vor allem darum,
[w]eil ſeine eigene, ſehr nervöſe und unruhige Natur
[ſi]ch von Jedwedem in Anſpruch nehmen ließ, was auf
[ſi]e eindrängte, auf Alles eingehen mußte, was um
[ſi]e herum athmete, lebte und ſprach.

Nun fiel es ihm gerade ein, ſich der Dame einmal
b[e]merklich zu machen. Er ging hart an ihr vorüber,
ſ[a]h ſie ſcharf von der Seite an und ſchritt ihr
d[a]nn voraus. Jetzt blieb er vor dem Schaufenſter
[ei]nes großen Delicateſſengeſchäftes ſtehen und wandte
ſi[ch] auffällig um, als er annehmen konnte, daß
F[r]äulein Irmer in ſeiner Nähe war. Er fixirte
ſi[e] ſcharf und ſuchte ihr Auge feſtzuhalten. Die
[D]ame ſtreifte ihn mit einem kurzen Blicke und ſah
d[a]nn über ihn hinweg. Das ärgerte den Herrn
[D]octor ein Wenig. Er hielt ſich jetzt in ihrer
[int]imen Nähe und folgte ihr dicht auf den Sohlen.
F[r]äulein Irmer wurde augenſcheinlich unruhig.
D[e]r Kopf ſenkte ſich und drehte ſich in kurzen,
h[a]rten Bewegungen, bald nach links, bald nach
re[ch]ts. Sie hatte begonnen, von ihrem Begleiter
N[o]tiz zu nehmen.

Die Dämmerung wuchs. Die Schatten der
au[s]einanderquellenden Nacht fielen dichter und dunk-
le[r.] Jetzt flammten die erſten Laternen auf.

Eine Buchhandlung lag am Wege. Fräulein
I[r]mer trat in den Laden, Adam Menſch folgte ihr nach
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[5/0013] Menſch imponirte dieſe Theilnahmloſigkeit immerhin ein Wenig. Und ſie imponirte ihm vor allem darum, weil ſeine eigene, ſehr nervöſe und unruhige Natur ſich von Jedwedem in Anſpruch nehmen ließ, was auf ſie eindrängte, auf Alles eingehen mußte, was um ſie herum athmete, lebte und ſprach. Nun fiel es ihm gerade ein, ſich der Dame einmal bemerklich zu machen. Er ging hart an ihr vorüber, ſah ſie ſcharf von der Seite an und ſchritt ihr dann voraus. Jetzt blieb er vor dem Schaufenſter eines großen Delicateſſengeſchäftes ſtehen und wandte ſich auffällig um, als er annehmen konnte, daß Fräulein Irmer in ſeiner Nähe war. Er fixirte ſie ſcharf und ſuchte ihr Auge feſtzuhalten. Die Dame ſtreifte ihn mit einem kurzen Blicke und ſah dann über ihn hinweg. Das ärgerte den Herrn Doctor ein Wenig. Er hielt ſich jetzt in ihrer intimen Nähe und folgte ihr dicht auf den Sohlen. Fräulein Irmer wurde augenſcheinlich unruhig. Der Kopf ſenkte ſich und drehte ſich in kurzen, harten Bewegungen, bald nach links, bald nach rechts. Sie hatte begonnen, von ihrem Begleiter Notiz zu nehmen. Die Dämmerung wuchs. Die Schatten der auseinanderquellenden Nacht fielen dichter und dunk- ler. Jetzt flammten die erſten Laternen auf. Eine Buchhandlung lag am Wege. Fräulein Irmer trat in den Laden, Adam Menſch folgte ihr nach einigen Secunden. Er hörte, wie ſich die Dame mit etwas belegt-ausgefranſter Stimme Eugen Dühring's

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/13>, abgerufen am 20.04.2024.