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Collin, Heinrich Joseph von: Coriolan. Berlin, 1804.

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Daß du sie feindlich überfällst? -- Fürwahr!
Sie standen dir zur Seite jederzeit,
Und nicht gebilligt haben sie das Urtheil,
Durch das du nun dein Vaterland entbehrst.
Wie drohet deine Rache wohl mit Recht
Dem ganzen Volk? O nein, beym Herkules!
Denn nur zwey Stimmen haben dich verbannt,
Zehn Tribus sprachen dich ja frey. Und höre!
Wenn Haß allein dem Haß mit Recht begegnet,
So dürften Wen'ge nur das Urtheil büßen.
Es blicket mitleidsvoll der große Mann
Von seiner Höh' auf das Geschlecht der Menschen:
Wie es, ein Sklave blinder Leidenschaft,
Ein sichrer Raub des Irrthums, schnell beschließt, --
Was es dann bald und lange Zeit bereuet.
O Marcius! o großer Mann so hebe
Auf deine Höhe dich, und schau' und sage:
Ist's nicht ein trunknes, aufgereiztes Volk,
Dem du so zürnest? -- Wahrlich! Mitleid würde
Der Ehre mehr dir bringen, als die Rachgier.
Drum gönn' uns Stillstand, laß die Waffen ruh'n.
Du wirst es seh'n, vom Taumel schon erwacht
Ruft ehrenvoll dich bald das Volk zurück.
Coriolan.
Beym Jupiter! Wär's nicht Minutius,
Der all' die schlauen Worte künstlich webte,
Den Sprecher müßt' als meinen Todfeind ich
Vernichten! Wie ein Opferthier, gedenkt
Daß du ſie feindlich überfällſt? — Fürwahr!
Sie ſtanden dir zur Seite jederzeit,
Und nicht gebilligt haben ſie das Urtheil,
Durch das du nun dein Vaterland entbehrſt.
Wie drohet deine Rache wohl mit Recht
Dem ganzen Volk? O nein, beym Herkules!
Denn nur zwey Stimmen haben dich verbannt,
Zehn Tribus ſprachen dich ja frey. Und höre!
Wenn Haß allein dem Haß mit Recht begegnet,
So dürften Wen’ge nur das Urtheil büßen.
Es blicket mitleidsvoll der große Mann
Von ſeiner Höh’ auf das Geſchlecht der Menſchen:
Wie es, ein Sklave blinder Leidenſchaft,
Ein ſichrer Raub des Irrthums, ſchnell beſchließt, —
Was es dann bald und lange Zeit bereuet.
O Marcius! o großer Mann ſo hebe
Auf deine Höhe dich, und ſchau’ und ſage:
Iſt’s nicht ein trunknes, aufgereiztes Volk,
Dem du ſo zürneſt? — Wahrlich! Mitleid würde
Der Ehre mehr dir bringen, als die Rachgier.
Drum gönn’ uns Stillſtand, laß die Waffen ruh’n.
Du wirſt es ſeh’n, vom Taumel ſchon erwacht
Ruft ehrenvoll dich bald das Volk zurück.
Coriolan.
Beym Jupiter! Wär’s nicht Minutius,
Der all’ die ſchlauen Worte künſtlich webte,
Den Sprecher müßt’ als meinen Todfeind ich
Vernichten! Wie ein Opferthier, gedenkt
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[70/0078] Daß du ſie feindlich überfällſt? — Fürwahr! Sie ſtanden dir zur Seite jederzeit, Und nicht gebilligt haben ſie das Urtheil, Durch das du nun dein Vaterland entbehrſt. Wie drohet deine Rache wohl mit Recht Dem ganzen Volk? O nein, beym Herkules! Denn nur zwey Stimmen haben dich verbannt, Zehn Tribus ſprachen dich ja frey. Und höre! Wenn Haß allein dem Haß mit Recht begegnet, So dürften Wen’ge nur das Urtheil büßen. Es blicket mitleidsvoll der große Mann Von ſeiner Höh’ auf das Geſchlecht der Menſchen: Wie es, ein Sklave blinder Leidenſchaft, Ein ſichrer Raub des Irrthums, ſchnell beſchließt, — Was es dann bald und lange Zeit bereuet. O Marcius! o großer Mann ſo hebe Auf deine Höhe dich, und ſchau’ und ſage: Iſt’s nicht ein trunknes, aufgereiztes Volk, Dem du ſo zürneſt? — Wahrlich! Mitleid würde Der Ehre mehr dir bringen, als die Rachgier. Drum gönn’ uns Stillſtand, laß die Waffen ruh’n. Du wirſt es ſeh’n, vom Taumel ſchon erwacht Ruft ehrenvoll dich bald das Volk zurück. Coriolan. Beym Jupiter! Wär’s nicht Minutius, Der all’ die ſchlauen Worte künſtlich webte, Den Sprecher müßt’ als meinen Todfeind ich Vernichten! Wie ein Opferthier, gedenkt

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Zitationshilfe: Collin, Heinrich Joseph von: Coriolan. Berlin, 1804, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/collin_coriolan_1804/78>, abgerufen am 25.04.2024.