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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

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in seinem Reich. "Jhr wisset nicht, was ihr bittet. Könnt p2c_522.002
ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" - Aber p2c_522.003
er sagt ihnen voraus, daß auch sie ihn trinken müssen diesen p2c_522.004
Kelch der Leiden für die Wahrheit seiner Lehre. Dennoch p2c_522.005
folgen sie ihm, dennoch glauben sie an ihn. Das Reich p2c_522.006
Gottes ist, wie ein Senfkorn, welches ist das kleinste unter p2c_522.007
den Saamen. Er hat dieses Saamenkorn der Ewigkeit p2c_522.008
ausgeworfen in die Furchen der Zeit, und es dem Schicksale p2c_522.009
überlassen. Doch er weiß, daß das Göttliche siegen, durchdringen p2c_522.010
muß in aller Zukunft. Darum weiht er seine Jünger p2c_522.011
zu ihrer hohen Bestimmung. Sie dürfen nicht sorgen, p2c_522.012
was sie reden werden, wenn man sie überantwortet den p2c_522.013
Richtstühlen. Er, ihr Lehrer, wird bey ihnen seyn, wohnt p2c_522.014
in ihren Seelen, und wird sprechen durch sie, so wie Gott p2c_522.015
spricht durch ihn. - Und nun nachdem er geordnet hat die p2c_522.016
Zwölfe und seine Lehre ausgegangen ist in die Länder, nun p2c_522.017
geht er hinab nach Jerusalem seinem großen Ziele, dem p2c_522.018
Tode für die sündige Welt zu. Denn es muß alles erfüllet p2c_522.019
werden, was geschrieben steht von des Menschen Sohn. p2c_522.020
Petrus will ihm wehren. "Hebe dich weg von mir Satan, p2c_522.021
spricht Jesus. Denn du meynest was menschlich, nicht was p2c_522.022
göttlich ist. Er zieht ein in der heiligen Tempelstadt und p2c_522.023
des wankelmüthigen Volkes Zuruf segnet ihn. Die Palmen p2c_522.024
des Landes, in dem noch überall Spuren von der Gnade p2c_522.025
des Ewigen sind, erschallen noch einmal von dem lauten p2c_522.026
Hosianna, zum letztenmal von begeistertem feurigen Prophetengesang. p2c_522.027
"Gesegnet sey, der kommt im Namen des p2c_522.028
Herrn!" Aber itzt kommt kein Prophet. Der Sohn selbst,

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in seinem Reich. „Jhr wisset nicht, was ihr bittet. Könnt p2c_522.002
ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ ─ Aber p2c_522.003
er sagt ihnen voraus, daß auch sie ihn trinken müssen diesen p2c_522.004
Kelch der Leiden für die Wahrheit seiner Lehre. Dennoch p2c_522.005
folgen sie ihm, dennoch glauben sie an ihn. Das Reich p2c_522.006
Gottes ist, wie ein Senfkorn, welches ist das kleinste unter p2c_522.007
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/46>, abgerufen am 28.03.2024.