haben, daß oft die größte Gefahr des Umschwungs erst eintritt in dem Augenblick wo der Angriff nachläßt und in Vertheidigung übergeht. Wir wollen uns nach dem Grunde umsehen.
Die Überlegenheit welche wir der vertheidigenden Kriegs- form zugeschrieben haben, liegt:
1. in der Benutzung der Gegend;
2. in dem Besitz eines eingerichteten Kriegstheaters;
3. in dem Beistand des Volkes;
4. in dem Vortheil des Abwartens.
Es ist klar, daß diese Prinzipe nicht immer im glei- chen Maaße vorhanden und wirksam seyn werden, und daß folglich eine Vertheidigung der anderen nicht immer gleich ist, daß folglich auch die Vertheidigung nicht immer die- selbe Üeberlegenheit über den Angriff haben wird. Na- mentlich muß dies der Fall sein bei einer Vertheidigung die nach einem erschöpften Angriff eintritt und deren Kriegstheater gewöhnlich an der Spitze eines weit vorge- schobenen Offensivdreiecks zu liegen kommt. Diese behält von den genannten vier Prinzipien nur das erste, die Be- nutzung der Gegend, unverändert, das zweite fällt meistens ganz weg, das dritte wird negativ und das vierte wird sehr geschwächt. Nur über das letzte ein Paar Worte zur Erläuterung.
Wenn nämlich das eingebildete Gleichgewicht, in wel- chem oft ganze Feldzüge erfolglos verstreichen, weil der, an welchem das Handeln ist, nicht die nothwendige Ent- schlossenheit besitzt, und worin wir den Vortheil des Ab- wartens finden, -- wenn dieses Gleichgewicht durch einen Offensivakt gestört, das feindliche Interesse verletzt, sein Wille zum Handeln hin gedrängt ist, so ist die Wahr-
haben, daß oft die groͤßte Gefahr des Umſchwungs erſt eintritt in dem Augenblick wo der Angriff nachlaͤßt und in Vertheidigung uͤbergeht. Wir wollen uns nach dem Grunde umſehen.
Die Überlegenheit welche wir der vertheidigenden Kriegs- form zugeſchrieben haben, liegt:
1. in der Benutzung der Gegend;
2. in dem Beſitz eines eingerichteten Kriegstheaters;
3. in dem Beiſtand des Volkes;
4. in dem Vortheil des Abwartens.
Es iſt klar, daß dieſe Prinzipe nicht immer im glei- chen Maaße vorhanden und wirkſam ſeyn werden, und daß folglich eine Vertheidigung der anderen nicht immer gleich iſt, daß folglich auch die Vertheidigung nicht immer die- ſelbe Üeberlegenheit uͤber den Angriff haben wird. Na- mentlich muß dies der Fall ſein bei einer Vertheidigung die nach einem erſchoͤpften Angriff eintritt und deren Kriegstheater gewoͤhnlich an der Spitze eines weit vorge- ſchobenen Offenſivdreiecks zu liegen kommt. Dieſe behaͤlt von den genannten vier Prinzipien nur das erſte, die Be- nutzung der Gegend, unveraͤndert, das zweite faͤllt meiſtens ganz weg, das dritte wird negativ und das vierte wird ſehr geſchwaͤcht. Nur uͤber das letzte ein Paar Worte zur Erlaͤuterung.
Wenn naͤmlich das eingebildete Gleichgewicht, in wel- chem oft ganze Feldzuͤge erfolglos verſtreichen, weil der, an welchem das Handeln iſt, nicht die nothwendige Ent- ſchloſſenheit beſitzt, und worin wir den Vortheil des Ab- wartens finden, — wenn dieſes Gleichgewicht durch einen Offenſivakt geſtoͤrt, das feindliche Intereſſe verletzt, ſein Wille zum Handeln hin gedraͤngt iſt, ſo iſt die Wahr-
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[82/0096]
haben, daß oft die groͤßte Gefahr des Umſchwungs erſt
eintritt in dem Augenblick wo der Angriff nachlaͤßt und
in Vertheidigung uͤbergeht. Wir wollen uns nach dem
Grunde umſehen.
Die Überlegenheit welche wir der vertheidigenden Kriegs-
form zugeſchrieben haben, liegt:
1. in der Benutzung der Gegend;
2. in dem Beſitz eines eingerichteten Kriegstheaters;
3. in dem Beiſtand des Volkes;
4. in dem Vortheil des Abwartens.
Es iſt klar, daß dieſe Prinzipe nicht immer im glei-
chen Maaße vorhanden und wirkſam ſeyn werden, und daß
folglich eine Vertheidigung der anderen nicht immer gleich
iſt, daß folglich auch die Vertheidigung nicht immer die-
ſelbe Üeberlegenheit uͤber den Angriff haben wird. Na-
mentlich muß dies der Fall ſein bei einer Vertheidigung
die nach einem erſchoͤpften Angriff eintritt und deren
Kriegstheater gewoͤhnlich an der Spitze eines weit vorge-
ſchobenen Offenſivdreiecks zu liegen kommt. Dieſe behaͤlt
von den genannten vier Prinzipien nur das erſte, die Be-
nutzung der Gegend, unveraͤndert, das zweite faͤllt meiſtens
ganz weg, das dritte wird negativ und das vierte wird ſehr
geſchwaͤcht. Nur uͤber das letzte ein Paar Worte zur
Erlaͤuterung.
Wenn naͤmlich das eingebildete Gleichgewicht, in wel-
chem oft ganze Feldzuͤge erfolglos verſtreichen, weil der,
an welchem das Handeln iſt, nicht die nothwendige Ent-
ſchloſſenheit beſitzt, und worin wir den Vortheil des Ab-
wartens finden, — wenn dieſes Gleichgewicht durch einen
Offenſivakt geſtoͤrt, das feindliche Intereſſe verletzt, ſein
Wille zum Handeln hin gedraͤngt iſt, ſo iſt die Wahr-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/96>, abgerufen am 28.03.2024.
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