Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

greifenden und Vertheidiger ein Kampf der Art entsteht,
ein Überbieten, so muß der Angreifende seine natürlichen
Nachtheile durch seine Überlegenheit gut machen. Bleibt
dem Ersteren noch so viel Vermögen und Entschluß, ein-
mal einen bedeutenden Streich gegen ein feindliches Korps
oder die feindliche Hauptarmee selbst zu wagen, so wird
er sich durch diese Gefahr, die er über seinem Gegner schwe-
ben läßt, noch am besten decken können.

5. Schließlich müssen wir noch eines bedeutenden Vor-
theils gedenken, den in Kriegen dieser Art der Angreifende
allerdings über seinen Gegner hat, nämlich ihn seiner Ab-
sicht und seinem Vermögen nach besser beurtheilen zu kön-
nen als dies umgekehrt der Fall ist. In welchem Grade
ein Angreifender unternehmend und dreist sein wird, ist viel
schwerer vorherzusehen, als ob der Vertheidiger etwas Gro-
ßes im Sinn führt. Gewöhnlich liegt, praktisch genom-
men, schon in der Wahl dieser Kriegsform eine Garantie,
daß man nichts Positives wolle; außerdem sind die An-
stalten zu einer großen Reaction von den gewöhnlichen Ver-
theidigungsanstalten viel verschiedener als die Anstalten des
Angriffs bei größeren oder geringeren Absichten; endlich ist
der Vertheidiger genöthigt seine Maaßregeln früher zu
nehmen und der Angreifende in dem Vortheil der
Hinterhand.


greifenden und Vertheidiger ein Kampf der Art entſteht,
ein Überbieten, ſo muß der Angreifende ſeine natuͤrlichen
Nachtheile durch ſeine Überlegenheit gut machen. Bleibt
dem Erſteren noch ſo viel Vermoͤgen und Entſchluß, ein-
mal einen bedeutenden Streich gegen ein feindliches Korps
oder die feindliche Hauptarmee ſelbſt zu wagen, ſo wird
er ſich durch dieſe Gefahr, die er uͤber ſeinem Gegner ſchwe-
ben laͤßt, noch am beſten decken koͤnnen.

5. Schließlich muͤſſen wir noch eines bedeutenden Vor-
theils gedenken, den in Kriegen dieſer Art der Angreifende
allerdings uͤber ſeinen Gegner hat, naͤmlich ihn ſeiner Ab-
ſicht und ſeinem Vermoͤgen nach beſſer beurtheilen zu koͤn-
nen als dies umgekehrt der Fall iſt. In welchem Grade
ein Angreifender unternehmend und dreiſt ſein wird, iſt viel
ſchwerer vorherzuſehen, als ob der Vertheidiger etwas Gro-
ßes im Sinn fuͤhrt. Gewoͤhnlich liegt, praktiſch genom-
men, ſchon in der Wahl dieſer Kriegsform eine Garantie,
daß man nichts Poſitives wolle; außerdem ſind die An-
ſtalten zu einer großen Reaction von den gewoͤhnlichen Ver-
theidigungsanſtalten viel verſchiedener als die Anſtalten des
Angriffs bei groͤßeren oder geringeren Abſichten; endlich iſt
der Vertheidiger genoͤthigt ſeine Maaßregeln fruͤher zu
nehmen und der Angreifende in dem Vortheil der
Hinterhand.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="46"/>
greifenden und Vertheidiger ein Kampf der Art ent&#x017F;teht,<lb/>
ein Überbieten, &#x017F;o muß der Angreifende &#x017F;eine natu&#x0364;rlichen<lb/>
Nachtheile durch &#x017F;eine Überlegenheit gut machen. Bleibt<lb/>
dem Er&#x017F;teren noch &#x017F;o viel Vermo&#x0364;gen und Ent&#x017F;chluß, ein-<lb/>
mal einen bedeutenden Streich gegen ein feindliches Korps<lb/>
oder die feindliche Hauptarmee &#x017F;elb&#x017F;t zu wagen, &#x017F;o wird<lb/>
er &#x017F;ich durch die&#x017F;e Gefahr, die er u&#x0364;ber &#x017F;einem Gegner &#x017F;chwe-<lb/>
ben la&#x0364;ßt, noch am be&#x017F;ten decken ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>5. Schließlich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir noch eines bedeutenden Vor-<lb/>
theils gedenken, den in Kriegen die&#x017F;er Art der Angreifende<lb/>
allerdings u&#x0364;ber &#x017F;einen Gegner hat, na&#x0364;mlich ihn &#x017F;einer Ab-<lb/>
&#x017F;icht und &#x017F;einem Vermo&#x0364;gen nach be&#x017F;&#x017F;er beurtheilen zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen als dies umgekehrt der Fall i&#x017F;t. In welchem Grade<lb/>
ein Angreifender unternehmend und drei&#x017F;t &#x017F;ein wird, i&#x017F;t viel<lb/>
&#x017F;chwerer vorherzu&#x017F;ehen, als ob der Vertheidiger etwas Gro-<lb/>
ßes im Sinn fu&#x0364;hrt. Gewo&#x0364;hnlich liegt, prakti&#x017F;ch genom-<lb/>
men, &#x017F;chon in der Wahl die&#x017F;er Kriegsform eine Garantie,<lb/>
daß man nichts Po&#x017F;itives wolle; außerdem &#x017F;ind die An-<lb/>
&#x017F;talten zu einer großen Reaction von den gewo&#x0364;hnlichen Ver-<lb/>
theidigungsan&#x017F;talten viel ver&#x017F;chiedener als die An&#x017F;talten des<lb/>
Angriffs bei gro&#x0364;ßeren oder geringeren Ab&#x017F;ichten; endlich i&#x017F;t<lb/>
der Vertheidiger geno&#x0364;thigt &#x017F;eine Maaßregeln fru&#x0364;her zu<lb/>
nehmen und der Angreifende in dem Vortheil der<lb/>
Hinterhand.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] greifenden und Vertheidiger ein Kampf der Art entſteht, ein Überbieten, ſo muß der Angreifende ſeine natuͤrlichen Nachtheile durch ſeine Überlegenheit gut machen. Bleibt dem Erſteren noch ſo viel Vermoͤgen und Entſchluß, ein- mal einen bedeutenden Streich gegen ein feindliches Korps oder die feindliche Hauptarmee ſelbſt zu wagen, ſo wird er ſich durch dieſe Gefahr, die er uͤber ſeinem Gegner ſchwe- ben laͤßt, noch am beſten decken koͤnnen. 5. Schließlich muͤſſen wir noch eines bedeutenden Vor- theils gedenken, den in Kriegen dieſer Art der Angreifende allerdings uͤber ſeinen Gegner hat, naͤmlich ihn ſeiner Ab- ſicht und ſeinem Vermoͤgen nach beſſer beurtheilen zu koͤn- nen als dies umgekehrt der Fall iſt. In welchem Grade ein Angreifender unternehmend und dreiſt ſein wird, iſt viel ſchwerer vorherzuſehen, als ob der Vertheidiger etwas Gro- ßes im Sinn fuͤhrt. Gewoͤhnlich liegt, praktiſch genom- men, ſchon in der Wahl dieſer Kriegsform eine Garantie, daß man nichts Poſitives wolle; außerdem ſind die An- ſtalten zu einer großen Reaction von den gewoͤhnlichen Ver- theidigungsanſtalten viel verſchiedener als die Anſtalten des Angriffs bei groͤßeren oder geringeren Abſichten; endlich iſt der Vertheidiger genoͤthigt ſeine Maaßregeln fruͤher zu nehmen und der Angreifende in dem Vortheil der Hinterhand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/60
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/60>, abgerufen am 29.03.2024.