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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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gar eine Schlacht um der Trophäen oder gar um der
bloßen Waffenehre willen, und zuweilen auch aus bloßem
Ehrgeiz des Feldherrn; daß dies vorkommt, könnte nur der
bezweifeln, der gar keine Kriegsgeschichte wüßte. In
den Feldzügen der Franzosen zur Zeit Ludwig XIV.
sind die meisten Offensivschlachten von der Art. Aber
nothwendiger ist es zu bemerken, daß diese Dinge nicht
ohne objektives Gewicht, nicht bloßes Spiel der Eitelkeit
sind; sie sind von einem sehr bestimmten Einfluß auf den
Frieden, führen also ziemlich direkt ans Ziel. Die Waf-
fenehre, das moralische Übergewicht des Heeres und des
Feldherrn sind Dinge die unsichtbar wirken, aber den gan-
zen kriegerischen Akt unaufhörlich durchdringen.

Das Ziel eines solchen Gefechts setzt freilich voraus: a)
daß man eine ziemliche Aussicht zum Siege habe, b) daß man
bei dem Verlust des Gefechts nicht zu Viel auf das Spiel
setze. -- Mit einer solchen Schlacht, die man in beengten
Verhältnissen und mit beschränktem Ziel liefert, muß man
natürlich nicht Siege verwechseln, die bloß aus moralischer
Schwäche unbenutzt geblieben sind.

3. Mit Ausnahme des letzten dieser Gegenstände (d)
lassen sich alle ohne bedeutendes Gefecht erreichen, und ge-
wöhnlich werden sie vom Angreifenden ohne ein solches
erstrebt. Die Mittel nun welche ohne entscheidendes Ge-
fecht dem Angreifenden zu Gebot stehen, liegen in allen
den Interessen welche der Vertheidiger in seinem Kriegs-
theater hat: das Bedrohen seiner Verbindungslinien sei es
mit Gegenständen des Unterhalts, wie Magazinen, frucht-
baren Provinzen, Wasserstraßen u. s. w., oder mit andern
Korps, oder mit mächtigen Punkten, wie Brücken, Pässen
u. s. w.; das Einnehmen starker Stellungen aus denen er
uns nicht wieder vertreiben kann und die ihm unbequem

gar eine Schlacht um der Trophaͤen oder gar um der
bloßen Waffenehre willen, und zuweilen auch aus bloßem
Ehrgeiz des Feldherrn; daß dies vorkommt, koͤnnte nur der
bezweifeln, der gar keine Kriegsgeſchichte wuͤßte. In
den Feldzuͤgen der Franzoſen zur Zeit Ludwig XIV.
ſind die meiſten Offenſivſchlachten von der Art. Aber
nothwendiger iſt es zu bemerken, daß dieſe Dinge nicht
ohne objektives Gewicht, nicht bloßes Spiel der Eitelkeit
ſind; ſie ſind von einem ſehr beſtimmten Einfluß auf den
Frieden, fuͤhren alſo ziemlich direkt ans Ziel. Die Waf-
fenehre, das moraliſche Übergewicht des Heeres und des
Feldherrn ſind Dinge die unſichtbar wirken, aber den gan-
zen kriegeriſchen Akt unaufhoͤrlich durchdringen.

Das Ziel eines ſolchen Gefechts ſetzt freilich voraus: a)
daß man eine ziemliche Ausſicht zum Siege habe, b) daß man
bei dem Verluſt des Gefechts nicht zu Viel auf das Spiel
ſetze. — Mit einer ſolchen Schlacht, die man in beengten
Verhaͤltniſſen und mit beſchraͤnktem Ziel liefert, muß man
natuͤrlich nicht Siege verwechſeln, die bloß aus moraliſcher
Schwaͤche unbenutzt geblieben ſind.

3. Mit Ausnahme des letzten dieſer Gegenſtaͤnde (d)
laſſen ſich alle ohne bedeutendes Gefecht erreichen, und ge-
woͤhnlich werden ſie vom Angreifenden ohne ein ſolches
erſtrebt. Die Mittel nun welche ohne entſcheidendes Ge-
fecht dem Angreifenden zu Gebot ſtehen, liegen in allen
den Intereſſen welche der Vertheidiger in ſeinem Kriegs-
theater hat: das Bedrohen ſeiner Verbindungslinien ſei es
mit Gegenſtaͤnden des Unterhalts, wie Magazinen, frucht-
baren Provinzen, Waſſerſtraßen u. ſ. w., oder mit andern
Korps, oder mit maͤchtigen Punkten, wie Bruͤcken, Paͤſſen
u. ſ. w.; das Einnehmen ſtarker Stellungen aus denen er
uns nicht wieder vertreiben kann und die ihm unbequem

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[44/0058] gar eine Schlacht um der Trophaͤen oder gar um der bloßen Waffenehre willen, und zuweilen auch aus bloßem Ehrgeiz des Feldherrn; daß dies vorkommt, koͤnnte nur der bezweifeln, der gar keine Kriegsgeſchichte wuͤßte. In den Feldzuͤgen der Franzoſen zur Zeit Ludwig XIV. ſind die meiſten Offenſivſchlachten von der Art. Aber nothwendiger iſt es zu bemerken, daß dieſe Dinge nicht ohne objektives Gewicht, nicht bloßes Spiel der Eitelkeit ſind; ſie ſind von einem ſehr beſtimmten Einfluß auf den Frieden, fuͤhren alſo ziemlich direkt ans Ziel. Die Waf- fenehre, das moraliſche Übergewicht des Heeres und des Feldherrn ſind Dinge die unſichtbar wirken, aber den gan- zen kriegeriſchen Akt unaufhoͤrlich durchdringen. Das Ziel eines ſolchen Gefechts ſetzt freilich voraus: a) daß man eine ziemliche Ausſicht zum Siege habe, b) daß man bei dem Verluſt des Gefechts nicht zu Viel auf das Spiel ſetze. — Mit einer ſolchen Schlacht, die man in beengten Verhaͤltniſſen und mit beſchraͤnktem Ziel liefert, muß man natuͤrlich nicht Siege verwechſeln, die bloß aus moraliſcher Schwaͤche unbenutzt geblieben ſind. 3. Mit Ausnahme des letzten dieſer Gegenſtaͤnde (d) laſſen ſich alle ohne bedeutendes Gefecht erreichen, und ge- woͤhnlich werden ſie vom Angreifenden ohne ein ſolches erſtrebt. Die Mittel nun welche ohne entſcheidendes Ge- fecht dem Angreifenden zu Gebot ſtehen, liegen in allen den Intereſſen welche der Vertheidiger in ſeinem Kriegs- theater hat: das Bedrohen ſeiner Verbindungslinien ſei es mit Gegenſtaͤnden des Unterhalts, wie Magazinen, frucht- baren Provinzen, Waſſerſtraßen u. ſ. w., oder mit andern Korps, oder mit maͤchtigen Punkten, wie Bruͤcken, Paͤſſen u. ſ. w.; das Einnehmen ſtarker Stellungen aus denen er uns nicht wieder vertreiben kann und die ihm unbequem

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/58>, abgerufen am 28.03.2024.