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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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von unserer Willkühr ab ihn ganz zu verwerfen, weil
Umstände dazu bestimmen können über welche wir gar
nicht zu gebieten haben, von der andern ist selbst in der
Taktik diese beständige Zusammenstimmung aller Theile
für jeden Augenblick des Verlaufs nicht einmal nöthig,
und viel weniger ist sie es wie gesagt in der Strategie.
Man muß also in dieser um so mehr davon absehen und
um so mehr darauf beharren daß jedem Theil ein selbst-
ständiges Stück Arbeit zugemessen werde.

Diesem haben wir noch eine wichtige Bemerkung an-
zuschließen, sie betrifft die gute Vertheilung der Rollen.

In den Jahren 1793 und 1794 befand sich die östreichi-
sche Hauptmacht in den Niederlanden, die preuß. am Oberrhein.
Die östreichischen Truppen wurden von Wien nach Conde
und Valenciennes gefahren, und durchkreuzten sich mit den
preußischen, die von Berlin nach Landau mußten. Die
Östreicher hatten zwar dort ihre belgischen Provinzen zu
vertheidigen, und wenn sie Eroberungen im französischen
Flandern machten, so waren sie ihnen sehr gelegen, allein
dies Interesse war nicht stark genug. Nach dem Tode
des Fürsten Kaunitz setzte der östreichische Minister Thugut
die Maaßregel durch, die Niederlande ganz aufzugeben
um seine Kräfte mehr zu koncentriren. In der That
haben die Östreicher nach Flandern fast noch einmal so
weit als nach dem Elsaß, und in einer Zeit wo die Streit-
kräfte sich in sehr gemessenen Grenzen befanden und Alles
mit baarem Gelde unterhalten werden mußte, war das
keine Kleinigkeit. Doch war die Absicht des Ministers
Thugut offenbar noch eine andere: er wollte die Mächte,
welche bei der Vertheidigung der Niederlande und des
Niederrheins interessirt waren: Holland, England und Preu-
ßen, durch die Dringlichkeit der Gefahr in den Fall setzen,

von unſerer Willkuͤhr ab ihn ganz zu verwerfen, weil
Umſtaͤnde dazu beſtimmen koͤnnen uͤber welche wir gar
nicht zu gebieten haben, von der andern iſt ſelbſt in der
Taktik dieſe beſtaͤndige Zuſammenſtimmung aller Theile
fuͤr jeden Augenblick des Verlaufs nicht einmal noͤthig,
und viel weniger iſt ſie es wie geſagt in der Strategie.
Man muß alſo in dieſer um ſo mehr davon abſehen und
um ſo mehr darauf beharren daß jedem Theil ein ſelbſt-
ſtaͤndiges Stuͤck Arbeit zugemeſſen werde.

Dieſem haben wir noch eine wichtige Bemerkung an-
zuſchließen, ſie betrifft die gute Vertheilung der Rollen.

In den Jahren 1793 und 1794 befand ſich die oͤſtreichi-
ſche Hauptmacht in den Niederlanden, die preuß. am Oberrhein.
Die oͤſtreichiſchen Truppen wurden von Wien nach Condé
und Valenciennes gefahren, und durchkreuzten ſich mit den
preußiſchen, die von Berlin nach Landau mußten. Die
Öſtreicher hatten zwar dort ihre belgiſchen Provinzen zu
vertheidigen, und wenn ſie Eroberungen im franzoͤſiſchen
Flandern machten, ſo waren ſie ihnen ſehr gelegen, allein
dies Intereſſe war nicht ſtark genug. Nach dem Tode
des Fuͤrſten Kaunitz ſetzte der oͤſtreichiſche Miniſter Thugut
die Maaßregel durch, die Niederlande ganz aufzugeben
um ſeine Kraͤfte mehr zu koncentriren. In der That
haben die Öſtreicher nach Flandern faſt noch einmal ſo
weit als nach dem Elſaß, und in einer Zeit wo die Streit-
kraͤfte ſich in ſehr gemeſſenen Grenzen befanden und Alles
mit baarem Gelde unterhalten werden mußte, war das
keine Kleinigkeit. Doch war die Abſicht des Miniſters
Thugut offenbar noch eine andere: er wollte die Maͤchte,
welche bei der Vertheidigung der Niederlande und des
Niederrheins intereſſirt waren: Holland, England und Preu-
ßen, durch die Dringlichkeit der Gefahr in den Fall ſetzen,

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[189/0203] von unſerer Willkuͤhr ab ihn ganz zu verwerfen, weil Umſtaͤnde dazu beſtimmen koͤnnen uͤber welche wir gar nicht zu gebieten haben, von der andern iſt ſelbſt in der Taktik dieſe beſtaͤndige Zuſammenſtimmung aller Theile fuͤr jeden Augenblick des Verlaufs nicht einmal noͤthig, und viel weniger iſt ſie es wie geſagt in der Strategie. Man muß alſo in dieſer um ſo mehr davon abſehen und um ſo mehr darauf beharren daß jedem Theil ein ſelbſt- ſtaͤndiges Stuͤck Arbeit zugemeſſen werde. Dieſem haben wir noch eine wichtige Bemerkung an- zuſchließen, ſie betrifft die gute Vertheilung der Rollen. In den Jahren 1793 und 1794 befand ſich die oͤſtreichi- ſche Hauptmacht in den Niederlanden, die preuß. am Oberrhein. Die oͤſtreichiſchen Truppen wurden von Wien nach Condé und Valenciennes gefahren, und durchkreuzten ſich mit den preußiſchen, die von Berlin nach Landau mußten. Die Öſtreicher hatten zwar dort ihre belgiſchen Provinzen zu vertheidigen, und wenn ſie Eroberungen im franzoͤſiſchen Flandern machten, ſo waren ſie ihnen ſehr gelegen, allein dies Intereſſe war nicht ſtark genug. Nach dem Tode des Fuͤrſten Kaunitz ſetzte der oͤſtreichiſche Miniſter Thugut die Maaßregel durch, die Niederlande ganz aufzugeben um ſeine Kraͤfte mehr zu koncentriren. In der That haben die Öſtreicher nach Flandern faſt noch einmal ſo weit als nach dem Elſaß, und in einer Zeit wo die Streit- kraͤfte ſich in ſehr gemeſſenen Grenzen befanden und Alles mit baarem Gelde unterhalten werden mußte, war das keine Kleinigkeit. Doch war die Abſicht des Miniſters Thugut offenbar noch eine andere: er wollte die Maͤchte, welche bei der Vertheidigung der Niederlande und des Niederrheins intereſſirt waren: Holland, England und Preu- ßen, durch die Dringlichkeit der Gefahr in den Fall ſetzen,

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/203>, abgerufen am 20.04.2024.