Wird einem der Heere seine Rolle zu schwer, weil der Feind eine andere Vertheilung gemacht hat als wir glaubten, erlebt es Unglücksfälle, so muß und darf dies keinen Einfluß auf die Thätigkeit der andern haben, oder man würde von Hause aus die Wahrscheinlichkeit des allgemeinen Erfolges gegen sich selbst wenden. Nur wenn die Mehrheit unglücklich ist oder die Haupttheile es sind, darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann ist nämlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten.
Eben diese Regel gilt für diejenigen Heere und Ab- theilungen welche ursprünglich zur Vertheidigung bestimmt sind und durch einen günstigen Erfolg derselben zum An- griff übergehen können, wenn es nicht vorzuziehen ist ihre überflüssigen Streitkräfte auf den Hauptpunkt der Offen- sive überzuführen, welches hauptsächlich von der geographi- schen Lage des Kriegstheaters abhängt.
Aber was wird unter diesen Umständen aus der geo- metrischen Gestalt und Einheit des ganzen Angriffs, was aus Flanken und Rücken der einem geschlagenen Theile benachbarten Abtheilungen?
Das ist es eben was wir hauptsächlich bekämpfen wollen. Dieses Zusammenleimen eines großen Angriffs in ein geometrisches Viereck ist eine Verirrung in ein falsches Gedankensystem hinein.
Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches gezeigt daß das geometrische Element in der Strategie nicht so wirksam ist als in der Taktik, und wir wollen hier nur das Resultat wiederholen daß besonders beim Angriff die wirk- lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr Rücksicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff nach und nach durch die Verschiedenheit der Erfolge ent- stehen kann.
Wird einem der Heere ſeine Rolle zu ſchwer, weil der Feind eine andere Vertheilung gemacht hat als wir glaubten, erlebt es Ungluͤcksfaͤlle, ſo muß und darf dies keinen Einfluß auf die Thaͤtigkeit der andern haben, oder man wuͤrde von Hauſe aus die Wahrſcheinlichkeit des allgemeinen Erfolges gegen ſich ſelbſt wenden. Nur wenn die Mehrheit ungluͤcklich iſt oder die Haupttheile es ſind, darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann iſt naͤmlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten.
Eben dieſe Regel gilt fuͤr diejenigen Heere und Ab- theilungen welche urſpruͤnglich zur Vertheidigung beſtimmt ſind und durch einen guͤnſtigen Erfolg derſelben zum An- griff uͤbergehen koͤnnen, wenn es nicht vorzuziehen iſt ihre uͤberfluͤſſigen Streitkraͤfte auf den Hauptpunkt der Offen- ſive uͤberzufuͤhren, welches hauptſaͤchlich von der geographi- ſchen Lage des Kriegstheaters abhaͤngt.
Aber was wird unter dieſen Umſtaͤnden aus der geo- metriſchen Geſtalt und Einheit des ganzen Angriffs, was aus Flanken und Ruͤcken der einem geſchlagenen Theile benachbarten Abtheilungen?
Das iſt es eben was wir hauptſaͤchlich bekaͤmpfen wollen. Dieſes Zuſammenleimen eines großen Angriffs in ein geometriſches Viereck iſt eine Verirrung in ein falſches Gedankenſyſtem hinein.
Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches gezeigt daß das geometriſche Element in der Strategie nicht ſo wirkſam iſt als in der Taktik, und wir wollen hier nur das Reſultat wiederholen daß beſonders beim Angriff die wirk- lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr Ruͤckſicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff nach und nach durch die Verſchiedenheit der Erfolge ent- ſtehen kann.
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Wird einem der Heere ſeine Rolle zu ſchwer, weil
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man wuͤrde von Hauſe aus die Wahrſcheinlichkeit des
allgemeinen Erfolges gegen ſich ſelbſt wenden. Nur wenn
die Mehrheit ungluͤcklich iſt oder die Haupttheile es ſind,
darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann
iſt naͤmlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten.
Eben dieſe Regel gilt fuͤr diejenigen Heere und Ab-
theilungen welche urſpruͤnglich zur Vertheidigung beſtimmt
ſind und durch einen guͤnſtigen Erfolg derſelben zum An-
griff uͤbergehen koͤnnen, wenn es nicht vorzuziehen iſt ihre
uͤberfluͤſſigen Streitkraͤfte auf den Hauptpunkt der Offen-
ſive uͤberzufuͤhren, welches hauptſaͤchlich von der geographi-
ſchen Lage des Kriegstheaters abhaͤngt.
Aber was wird unter dieſen Umſtaͤnden aus der geo-
metriſchen Geſtalt und Einheit des ganzen Angriffs, was
aus Flanken und Ruͤcken der einem geſchlagenen Theile
benachbarten Abtheilungen?
Das iſt es eben was wir hauptſaͤchlich bekaͤmpfen
wollen. Dieſes Zuſammenleimen eines großen Angriffs in
ein geometriſches Viereck iſt eine Verirrung in ein falſches
Gedankenſyſtem hinein.
Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches
gezeigt daß das geometriſche Element in der Strategie nicht ſo
wirkſam iſt als in der Taktik, und wir wollen hier nur das
Reſultat wiederholen daß beſonders beim Angriff die wirk-
lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr
Ruͤckſicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/201>, abgerufen am 28.03.2024.
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