Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

punkt uns in den Stand setzt, die zweite Hälfte des
Weges leichter zu durchlaufen. Ein kleiner Sprung ist
leichter als ein großer, aber darum wird doch Niemand,
der über einen breiten Graben setzen will, zuerst mit einem
halben Sprung hineinspringen.

Wenn wir näher ins Auge fassen, was dem Begriff
eines sogenannten methodischen Angriffskrieges zum Grunde
liegt, so sind es gewöhnlich folgende Gegenstände:

1. Eroberung der feindlichen Festungen, auf welche
man stößt;
2. Aufhäufung nöthiger Vorräthe;
3. Befestigung wichtiger Punkte, als: Niederlagen,
Brücken, Stellungen
u. s. w.;
4. Ausruhen der Kräfte im Winter und Erholungs-
quartiere;
5. Abwarten der Verstärkungen des folgenden Jahres;

Setzt man zur Erreichung aller dieser Zwecke einen
förmlichen Abschnitt im Laufe des Angriffs, einen Ruhe-
punkt in der Bewegung fest, so glaubt man eine neue
Basis und neue Kräfte zu gewinnen, als rückte der eigene
Staat hinter seiner Armee her, und als erhielte diese mit
jedem neuen Feldzuge eine neue Schwungkraft.

Alle diese preislichen Zwecke mögen den Angriffskrieg
bequemer machen, aber sie machen ihn nicht in seinen Fol-
gen sicherer, und sind meistens nur Scheinbenennungen
für gewisse Gegengewichte im Gemüthe des Feldherrn oder
in der Unentschlossenheit des Kabinets. Wir wollen sie
vom linken Flügel her aufzurollen suchen.

1. Das Abwarten neuer Kräfte ist eben so gut, und
man kann wohl sagen, mehr der Fall des Gegners.
Außerdem liegt es in der Natur der Sache daß
ein Staat an Streitkräften in einem Jahr ziemlich
III 9

punkt uns in den Stand ſetzt, die zweite Haͤlfte des
Weges leichter zu durchlaufen. Ein kleiner Sprung iſt
leichter als ein großer, aber darum wird doch Niemand,
der uͤber einen breiten Graben ſetzen will, zuerſt mit einem
halben Sprung hineinſpringen.

Wenn wir naͤher ins Auge faſſen, was dem Begriff
eines ſogenannten methodiſchen Angriffskrieges zum Grunde
liegt, ſo ſind es gewoͤhnlich folgende Gegenſtaͤnde:

1. Eroberung der feindlichen Feſtungen, auf welche
man ſtoͤßt;
2. Aufhaͤufung noͤthiger Vorraͤthe;
3. Befeſtigung wichtiger Punkte, als: Niederlagen,
Bruͤcken, Stellungen
u. ſ. w.;
4. Ausruhen der Kraͤfte im Winter und Erholungs-
quartiere;
5. Abwarten der Verſtaͤrkungen des folgenden Jahres;

Setzt man zur Erreichung aller dieſer Zwecke einen
foͤrmlichen Abſchnitt im Laufe des Angriffs, einen Ruhe-
punkt in der Bewegung feſt, ſo glaubt man eine neue
Baſis und neue Kraͤfte zu gewinnen, als ruͤckte der eigene
Staat hinter ſeiner Armee her, und als erhielte dieſe mit
jedem neuen Feldzuge eine neue Schwungkraft.

Alle dieſe preislichen Zwecke moͤgen den Angriffskrieg
bequemer machen, aber ſie machen ihn nicht in ſeinen Fol-
gen ſicherer, und ſind meiſtens nur Scheinbenennungen
fuͤr gewiſſe Gegengewichte im Gemuͤthe des Feldherrn oder
in der Unentſchloſſenheit des Kabinets. Wir wollen ſie
vom linken Fluͤgel her aufzurollen ſuchen.

1. Das Abwarten neuer Kraͤfte iſt eben ſo gut, und
man kann wohl ſagen, mehr der Fall des Gegners.
Außerdem liegt es in der Natur der Sache daß
ein Staat an Streitkraͤften in einem Jahr ziemlich
III 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="129"/>
punkt uns in den Stand &#x017F;etzt, die zweite Ha&#x0364;lfte des<lb/>
Weges leichter zu durchlaufen. Ein kleiner Sprung i&#x017F;t<lb/>
leichter als ein großer, aber darum wird doch Niemand,<lb/>
der u&#x0364;ber einen breiten Graben &#x017F;etzen will, zuer&#x017F;t mit einem<lb/>
halben Sprung hinein&#x017F;pringen.</p><lb/>
          <p>Wenn wir na&#x0364;her ins Auge fa&#x017F;&#x017F;en, was dem Begriff<lb/>
eines &#x017F;ogenannten methodi&#x017F;chen Angriffskrieges zum Grunde<lb/>
liegt, &#x017F;o &#x017F;ind es gewo&#x0364;hnlich folgende Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde:</p><lb/>
          <list>
            <item>1. Eroberung der feindlichen Fe&#x017F;tungen, auf welche<lb/>
man &#x017F;to&#x0364;ßt;</item><lb/>
            <item>2. Aufha&#x0364;ufung no&#x0364;thiger Vorra&#x0364;the;</item><lb/>
            <item>3. Befe&#x017F;tigung wichtiger Punkte, als: <hi rendition="#g">Niederlagen,<lb/>
Bru&#x0364;cken, Stellungen</hi> u. &#x017F;. w.;</item><lb/>
            <item>4. Ausruhen der Kra&#x0364;fte im Winter und Erholungs-<lb/>
quartiere;</item><lb/>
            <item>5. Abwarten der Ver&#x017F;ta&#x0364;rkungen des folgenden Jahres;</item>
          </list><lb/>
          <p>Setzt man zur Erreichung aller die&#x017F;er Zwecke einen<lb/>
fo&#x0364;rmlichen Ab&#x017F;chnitt im Laufe des Angriffs, einen Ruhe-<lb/>
punkt in der Bewegung fe&#x017F;t, &#x017F;o glaubt man eine neue<lb/>
Ba&#x017F;is und neue Kra&#x0364;fte zu gewinnen, als ru&#x0364;ckte der eigene<lb/>
Staat hinter &#x017F;einer Armee her, und als erhielte die&#x017F;e mit<lb/>
jedem neuen Feldzuge eine neue Schwungkraft.</p><lb/>
          <p>Alle die&#x017F;e preislichen Zwecke mo&#x0364;gen den Angriffskrieg<lb/>
bequemer machen, aber &#x017F;ie machen ihn nicht in &#x017F;einen Fol-<lb/>
gen &#x017F;icherer, und &#x017F;ind mei&#x017F;tens nur Scheinbenennungen<lb/>
fu&#x0364;r gewi&#x017F;&#x017F;e Gegengewichte im Gemu&#x0364;the des Feldherrn oder<lb/>
in der Unent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit des Kabinets. Wir wollen &#x017F;ie<lb/>
vom linken Flu&#x0364;gel her aufzurollen &#x017F;uchen.</p><lb/>
          <list>
            <item>1. Das Abwarten neuer Kra&#x0364;fte i&#x017F;t eben &#x017F;o gut, und<lb/>
man kann wohl &#x017F;agen, mehr der Fall des Gegners.<lb/>
Außerdem liegt es in der Natur der Sache daß<lb/>
ein Staat an Streitkra&#x0364;ften in einem Jahr ziemlich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III</hi> 9</fw><lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] punkt uns in den Stand ſetzt, die zweite Haͤlfte des Weges leichter zu durchlaufen. Ein kleiner Sprung iſt leichter als ein großer, aber darum wird doch Niemand, der uͤber einen breiten Graben ſetzen will, zuerſt mit einem halben Sprung hineinſpringen. Wenn wir naͤher ins Auge faſſen, was dem Begriff eines ſogenannten methodiſchen Angriffskrieges zum Grunde liegt, ſo ſind es gewoͤhnlich folgende Gegenſtaͤnde: 1. Eroberung der feindlichen Feſtungen, auf welche man ſtoͤßt; 2. Aufhaͤufung noͤthiger Vorraͤthe; 3. Befeſtigung wichtiger Punkte, als: Niederlagen, Bruͤcken, Stellungen u. ſ. w.; 4. Ausruhen der Kraͤfte im Winter und Erholungs- quartiere; 5. Abwarten der Verſtaͤrkungen des folgenden Jahres; Setzt man zur Erreichung aller dieſer Zwecke einen foͤrmlichen Abſchnitt im Laufe des Angriffs, einen Ruhe- punkt in der Bewegung feſt, ſo glaubt man eine neue Baſis und neue Kraͤfte zu gewinnen, als ruͤckte der eigene Staat hinter ſeiner Armee her, und als erhielte dieſe mit jedem neuen Feldzuge eine neue Schwungkraft. Alle dieſe preislichen Zwecke moͤgen den Angriffskrieg bequemer machen, aber ſie machen ihn nicht in ſeinen Fol- gen ſicherer, und ſind meiſtens nur Scheinbenennungen fuͤr gewiſſe Gegengewichte im Gemuͤthe des Feldherrn oder in der Unentſchloſſenheit des Kabinets. Wir wollen ſie vom linken Fluͤgel her aufzurollen ſuchen. 1. Das Abwarten neuer Kraͤfte iſt eben ſo gut, und man kann wohl ſagen, mehr der Fall des Gegners. Außerdem liegt es in der Natur der Sache daß ein Staat an Streitkraͤften in einem Jahr ziemlich III 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/143
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/143>, abgerufen am 29.03.2024.