Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

die es versuchten aus kleinen Staaten, vermittelst eines
mäßigen und sehr vervollkommneten Heeres, große Monar-
chien zu stiften und Alles vor sich niederwerfen. Hätten
sie es nur mit asiatischen Reichen zu thun gehabt, so wür-
den sie in ihrer Rolle dem Alexander ähnlicher geworden
sein. In jedem Fall kann man sie, in Rücksicht auf Das
was man im Kriege wagen dürfte, als die Vorläufer
Bonapartes ansehn.

Allein was der Krieg von der einen Seite an Kraft
und Consequenz gewann, ging ihm auf der anderen Seite
wieder verloren.

Die Heere wurden aus dem Schatz unterhalten, den
der Fürst halb und halb wie seine Privatkasse ansah oder
wenigstens wie einen der Regierung und nicht dem Volke
angehörigen Gegenstand. Die Verhältnisse mit den andern
Staaten berührten, ein Paar Handelsgegenstände ausge-
nommen, meistens nur das Interesse des Schatzes oder
der Regierung und nicht des Volkes; wenigstens waren
überall die Begriffe so gestellt. Das Kabinet sah sich also
an wie den Besitzer und Verwalter großer Güter, die es
stets zu vermehren trachtete, ohne daß die Gutsunter-
thanen bei dieser Vermehrung ein sonderliches Interesse
haben konnten. Das Volk also, welches bei den Tarta-
renzügen Alles im Kriege ist, bei den alten Republiken
und im Mittelalter, wenn man den Begriff desselben ge-
hörig auf die eigentlichen Staatsbürger beschränkt, sehr
Vieles gewesen war, ward bei diesem Zustand des achtzehn-
ten Jahrhunderts unmittelbar Nichts, sondern hatte bloß
durch seine allgemeinen Tugenden oder Fehler noch einen
mittelbaren Einfluß auf den Krieg.

Auf diese Weise wurde der Krieg, in eben dem Maaße
wie sich die Regierung vom Volke trennte und sich als

die es verſuchten aus kleinen Staaten, vermittelſt eines
maͤßigen und ſehr vervollkommneten Heeres, große Monar-
chien zu ſtiften und Alles vor ſich niederwerfen. Haͤtten
ſie es nur mit aſiatiſchen Reichen zu thun gehabt, ſo wuͤr-
den ſie in ihrer Rolle dem Alexander aͤhnlicher geworden
ſein. In jedem Fall kann man ſie, in Ruͤckſicht auf Das
was man im Kriege wagen duͤrfte, als die Vorlaͤufer
Bonapartes anſehn.

Allein was der Krieg von der einen Seite an Kraft
und Conſequenz gewann, ging ihm auf der anderen Seite
wieder verloren.

Die Heere wurden aus dem Schatz unterhalten, den
der Fuͤrſt halb und halb wie ſeine Privatkaſſe anſah oder
wenigſtens wie einen der Regierung und nicht dem Volke
angehoͤrigen Gegenſtand. Die Verhaͤltniſſe mit den andern
Staaten beruͤhrten, ein Paar Handelsgegenſtaͤnde ausge-
nommen, meiſtens nur das Intereſſe des Schatzes oder
der Regierung und nicht des Volkes; wenigſtens waren
uͤberall die Begriffe ſo geſtellt. Das Kabinet ſah ſich alſo
an wie den Beſitzer und Verwalter großer Guͤter, die es
ſtets zu vermehren trachtete, ohne daß die Gutsunter-
thanen bei dieſer Vermehrung ein ſonderliches Intereſſe
haben konnten. Das Volk alſo, welches bei den Tarta-
renzuͤgen Alles im Kriege iſt, bei den alten Republiken
und im Mittelalter, wenn man den Begriff deſſelben ge-
hoͤrig auf die eigentlichen Staatsbuͤrger beſchraͤnkt, ſehr
Vieles geweſen war, ward bei dieſem Zuſtand des achtzehn-
ten Jahrhunderts unmittelbar Nichts, ſondern hatte bloß
durch ſeine allgemeinen Tugenden oder Fehler noch einen
mittelbaren Einfluß auf den Krieg.

Auf dieſe Weiſe wurde der Krieg, in eben dem Maaße
wie ſich die Regierung vom Volke trennte und ſich als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="111"/>
die es ver&#x017F;uchten aus kleinen Staaten, vermittel&#x017F;t eines<lb/>
ma&#x0364;ßigen und &#x017F;ehr vervollkommneten Heeres, große Monar-<lb/>
chien zu &#x017F;tiften und Alles vor &#x017F;ich niederwerfen. Ha&#x0364;tten<lb/>
&#x017F;ie es nur mit a&#x017F;iati&#x017F;chen Reichen zu thun gehabt, &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ie in ihrer Rolle dem Alexander a&#x0364;hnlicher geworden<lb/>
&#x017F;ein. In jedem Fall kann man &#x017F;ie, in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Das<lb/>
was man im Kriege wagen du&#x0364;rfte, als die Vorla&#x0364;ufer<lb/>
Bonapartes an&#x017F;ehn.</p><lb/>
          <p>Allein was der Krieg von der einen Seite an Kraft<lb/>
und Con&#x017F;equenz gewann, ging ihm auf der anderen Seite<lb/>
wieder verloren.</p><lb/>
          <p>Die Heere wurden aus dem Schatz unterhalten, den<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;t halb und halb wie &#x017F;eine Privatka&#x017F;&#x017F;e an&#x017F;ah oder<lb/>
wenig&#x017F;tens wie einen der Regierung und nicht dem Volke<lb/>
angeho&#x0364;rigen Gegen&#x017F;tand. Die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e mit den andern<lb/>
Staaten beru&#x0364;hrten, ein Paar Handelsgegen&#x017F;ta&#x0364;nde ausge-<lb/>
nommen, mei&#x017F;tens nur das Intere&#x017F;&#x017F;e des Schatzes oder<lb/>
der Regierung und nicht des Volkes; wenig&#x017F;tens waren<lb/>
u&#x0364;berall die Begriffe &#x017F;o ge&#x017F;tellt. Das Kabinet &#x017F;ah &#x017F;ich al&#x017F;o<lb/>
an wie den Be&#x017F;itzer und Verwalter großer Gu&#x0364;ter, die es<lb/>
&#x017F;tets zu vermehren trachtete, ohne daß die Gutsunter-<lb/>
thanen bei die&#x017F;er Vermehrung ein &#x017F;onderliches Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
haben konnten. Das Volk al&#x017F;o, welches bei den Tarta-<lb/>
renzu&#x0364;gen Alles im Kriege i&#x017F;t, bei den alten Republiken<lb/>
und im Mittelalter, wenn man den Begriff de&#x017F;&#x017F;elben ge-<lb/>
ho&#x0364;rig auf die eigentlichen Staatsbu&#x0364;rger be&#x017F;chra&#x0364;nkt, &#x017F;ehr<lb/>
Vieles gewe&#x017F;en war, ward bei die&#x017F;em Zu&#x017F;tand des achtzehn-<lb/>
ten Jahrhunderts unmittelbar Nichts, &#x017F;ondern hatte bloß<lb/>
durch &#x017F;eine allgemeinen Tugenden oder Fehler noch einen<lb/>
mittelbaren Einfluß auf den Krieg.</p><lb/>
          <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e wurde der Krieg, in eben dem Maaße<lb/>
wie &#x017F;ich die Regierung vom Volke trennte und &#x017F;ich als<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0125] die es verſuchten aus kleinen Staaten, vermittelſt eines maͤßigen und ſehr vervollkommneten Heeres, große Monar- chien zu ſtiften und Alles vor ſich niederwerfen. Haͤtten ſie es nur mit aſiatiſchen Reichen zu thun gehabt, ſo wuͤr- den ſie in ihrer Rolle dem Alexander aͤhnlicher geworden ſein. In jedem Fall kann man ſie, in Ruͤckſicht auf Das was man im Kriege wagen duͤrfte, als die Vorlaͤufer Bonapartes anſehn. Allein was der Krieg von der einen Seite an Kraft und Conſequenz gewann, ging ihm auf der anderen Seite wieder verloren. Die Heere wurden aus dem Schatz unterhalten, den der Fuͤrſt halb und halb wie ſeine Privatkaſſe anſah oder wenigſtens wie einen der Regierung und nicht dem Volke angehoͤrigen Gegenſtand. Die Verhaͤltniſſe mit den andern Staaten beruͤhrten, ein Paar Handelsgegenſtaͤnde ausge- nommen, meiſtens nur das Intereſſe des Schatzes oder der Regierung und nicht des Volkes; wenigſtens waren uͤberall die Begriffe ſo geſtellt. Das Kabinet ſah ſich alſo an wie den Beſitzer und Verwalter großer Guͤter, die es ſtets zu vermehren trachtete, ohne daß die Gutsunter- thanen bei dieſer Vermehrung ein ſonderliches Intereſſe haben konnten. Das Volk alſo, welches bei den Tarta- renzuͤgen Alles im Kriege iſt, bei den alten Republiken und im Mittelalter, wenn man den Begriff deſſelben ge- hoͤrig auf die eigentlichen Staatsbuͤrger beſchraͤnkt, ſehr Vieles geweſen war, ward bei dieſem Zuſtand des achtzehn- ten Jahrhunderts unmittelbar Nichts, ſondern hatte bloß durch ſeine allgemeinen Tugenden oder Fehler noch einen mittelbaren Einfluß auf den Krieg. Auf dieſe Weiſe wurde der Krieg, in eben dem Maaße wie ſich die Regierung vom Volke trennte und ſich als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/125
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/125>, abgerufen am 19.04.2024.