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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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scheinlichkeit sein Charakter sich dem absoluten Kriege
nähert, je mehr die Umrisse die Masse der kriegführenden
Staaten umfassen und in den Strudel hineinziehen: um
so leichter wird der Zusammenhang seiner Begebenheiten,
um so nothwendiger nicht den ersten Schritt zu thun ohne
an den letzten zu denken.


Drittes Kapitel. B.
Von der Größe des kriegerischen Zwecks
und der Anstrengung
.

Der Zwang, welchen wir unserem Gegner anthun
müssen, wird sich nach der Größe unserer und seiner poli-
tischen Forderungen richten. Insofern diese gegenseitig
bekannt sind, würde es dasselbe Maaß der Anstrengung
geben; allein sie liegen nicht immer so offen da, und dies
kann ein erster Grund zur Verschiedenheit in den Mitteln
sein, die Beide aufbieten.

Die Lage und Verhältnisse der Staaten sind einander
nicht gleich, dies kann ein zweiter Grund werden.

Die Willensstärke, der Charakter, die Fähigkeiten
der Regierungen sind sich eben so wenig gleich, dies ist
ein dritter Grund.

Diese drei Rücksichten bringen eine Ungewißheit in
die Berechnung des Widerstandes welchen man finden
wird, folglich der Mittel die man anwenden soll, und des
Ziels welches man sich setzen darf.

Da im Kriege aus unzureichenden Anstrengungen nicht
bloß ein Nichterfolg, sondern positiver Schaden entstehen
kann, so treibt das beide Theile sich einander zu überbieten,
wodurch eine Wechselwirkung entsteht.

ſcheinlichkeit ſein Charakter ſich dem abſoluten Kriege
naͤhert, je mehr die Umriſſe die Maſſe der kriegfuͤhrenden
Staaten umfaſſen und in den Strudel hineinziehen: um
ſo leichter wird der Zuſammenhang ſeiner Begebenheiten,
um ſo nothwendiger nicht den erſten Schritt zu thun ohne
an den letzten zu denken.


Drittes Kapitel. B.
Von der Groͤße des kriegeriſchen Zwecks
und der Anſtrengung
.

Der Zwang, welchen wir unſerem Gegner anthun
muͤſſen, wird ſich nach der Groͤße unſerer und ſeiner poli-
tiſchen Forderungen richten. Inſofern dieſe gegenſeitig
bekannt ſind, wuͤrde es daſſelbe Maaß der Anſtrengung
geben; allein ſie liegen nicht immer ſo offen da, und dies
kann ein erſter Grund zur Verſchiedenheit in den Mitteln
ſein, die Beide aufbieten.

Die Lage und Verhaͤltniſſe der Staaten ſind einander
nicht gleich, dies kann ein zweiter Grund werden.

Die Willensſtaͤrke, der Charakter, die Faͤhigkeiten
der Regierungen ſind ſich eben ſo wenig gleich, dies iſt
ein dritter Grund.

Dieſe drei Ruͤckſichten bringen eine Ungewißheit in
die Berechnung des Widerſtandes welchen man finden
wird, folglich der Mittel die man anwenden ſoll, und des
Ziels welches man ſich ſetzen darf.

Da im Kriege aus unzureichenden Anſtrengungen nicht
bloß ein Nichterfolg, ſondern poſitiver Schaden entſtehen
kann, ſo treibt das beide Theile ſich einander zu uͤberbieten,
wodurch eine Wechſelwirkung entſteht.

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[102/0116] ſcheinlichkeit ſein Charakter ſich dem abſoluten Kriege naͤhert, je mehr die Umriſſe die Maſſe der kriegfuͤhrenden Staaten umfaſſen und in den Strudel hineinziehen: um ſo leichter wird der Zuſammenhang ſeiner Begebenheiten, um ſo nothwendiger nicht den erſten Schritt zu thun ohne an den letzten zu denken. Drittes Kapitel. B. Von der Groͤße des kriegeriſchen Zwecks und der Anſtrengung. Der Zwang, welchen wir unſerem Gegner anthun muͤſſen, wird ſich nach der Groͤße unſerer und ſeiner poli- tiſchen Forderungen richten. Inſofern dieſe gegenſeitig bekannt ſind, wuͤrde es daſſelbe Maaß der Anſtrengung geben; allein ſie liegen nicht immer ſo offen da, und dies kann ein erſter Grund zur Verſchiedenheit in den Mitteln ſein, die Beide aufbieten. Die Lage und Verhaͤltniſſe der Staaten ſind einander nicht gleich, dies kann ein zweiter Grund werden. Die Willensſtaͤrke, der Charakter, die Faͤhigkeiten der Regierungen ſind ſich eben ſo wenig gleich, dies iſt ein dritter Grund. Dieſe drei Ruͤckſichten bringen eine Ungewißheit in die Berechnung des Widerſtandes welchen man finden wird, folglich der Mittel die man anwenden ſoll, und des Ziels welches man ſich ſetzen darf. Da im Kriege aus unzureichenden Anſtrengungen nicht bloß ein Nichterfolg, ſondern poſitiver Schaden entſtehen kann, ſo treibt das beide Theile ſich einander zu uͤberbieten, wodurch eine Wechſelwirkung entſteht.

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/116>, abgerufen am 29.03.2024.