Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
6.
Laß die Seule die dich hielte/
Als dein Leib von grosser Pein
Keine Lebens-Kräffte fühlte/
Mir die Flammen-Seule seyn/
Die mich durch das todte Meer/
Und der Teufel finstres Heer/
Wenn ich soll mit ihnen streiten/
Mag biß in dein Reich begleiten.
Uber die Creutzigung Christi.
Sonnet.
O Wunder die kein Mensch mit Sinnen kan ergründen!
Den die erboßte Schaar dort an das Creutze schlägt/
Ist der/ nach dessen Winck das Firmament sich regt.
Die Unschuld wird gestrafft/ und büß't für fremde Sünden.
Der Tod und Teufel zwingt/ läß't sich mit Stricken binden/
Der Heyland leydet Noth/ doch wird sein Hertz bewegt/
Daß Er mit denen selbst ein recht Erbarmen trägt/
Die sich zu seinem Schimpf und Tod versamlet finden.
GOtt stirbt/ der grosse GOtt in dem das Leben lebt.
Was wunder daß der Bau der schweren Erde bebt?
Daß sich der Sonnen-Gluth bey Tage muß verstecken?
Daß Felß und Vorhang reiß't/ daß Leichen aufferstehn?
Ich wundre mich vielmehr/ daß nicht für Schaam und
Schrecken/

Felß/ Erde/ Sonn und Welt zerschmeltzen und vergehn.
Kampff wider die Sünde.
1.
EMpöre dich mein Geist/ es muß gewaget seyn/
Auf! setze dich dem Schwarm der Lüste frisch entge-
gen:

Greiff an das grosse Werck/ dran alles ist gelegen/
Und räume deinem Feind nicht allen Vortheil ein.
Ver-
6.
Laß die Seule die dich hielte/
Als dein Leib von groſſer Pein
Keine Lebens-Kraͤffte fuͤhlte/
Mir die Flammen-Seule ſeyn/
Die mich durch das todte Meer/
Und der Teufel finſtres Heer/
Wenn ich ſoll mit ihnen ſtreiten/
Mag biß in dein Reich begleiten.
Uber die Creutzigung Chriſti.
Sonnet.
O Wunder die kein Menſch mit Siñen kan ergruͤnden!
Den die eꝛboßte Schaar doꝛt an das Cꝛeutze ſchlaͤgt/
Iſt der/ nach deſſen Winck das Firmament ſich regt.
Die Unſchuld wird geſtꝛafft/ und buͤß’t fuͤr fremde Suͤndẽ.
Der Tod und Teufel zwingt/ laͤß’t ſich mit Stricken bindẽ/
Der Heyland leydet Noth/ doch wird ſein Hertz bewegt/
Daß Er mit denen ſelbſt ein recht Erbarmen traͤgt/
Die ſich zu ſeinem Schimpf und Tod verſamlet finden.
GOtt ſtirbt/ der groſſe GOtt in dem das Leben lebt.
Was wunder daß der Bau der ſchweren Erde bebt?
Daß ſich der Sonnen-Gluth bey Tage muß verſtecken?
Daß Felß und Voꝛhang reiß’t/ daß Leichen aufferſtehn?
Ich wundre mich vielmehr/ daß nicht fuͤr Schaam und
Schrecken/

Felß/ Erde/ Sonn und Welt zeꝛſchmeltzen und vergehn.
Kampff wider die Suͤnde.
1.
EMpoͤre dich mein Geiſt/ es muß gewaget ſeyn/
Auf! ſetze dich dem Schwarm der Luͤſte friſch entge-
gen:

Greiff an das groſſe Werck/ dran alles iſt gelegen/
Und raͤume deinem Feind nicht allen Vortheil ein.
Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <pb facs="#f0029" n="16"/>
        <lg n="6">
          <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head><lb/>
          <l>Laß die Seule die dich hielte/</l><lb/>
          <l>Als dein Leib von gro&#x017F;&#x017F;er Pein</l><lb/>
          <l>Keine Lebens-Kra&#x0364;ffte fu&#x0364;hlte/</l><lb/>
          <l>Mir die Flammen-Seule &#x017F;eyn/</l><lb/>
          <l>Die mich durch das todte Meer/</l><lb/>
          <l>Und der Teufel fin&#x017F;tres Heer/</l><lb/>
          <l>Wenn ich &#x017F;oll mit ihnen &#x017F;treiten/</l><lb/>
          <l>Mag biß in dein Reich begleiten.</l>
        </lg>
      </lg><lb/>
      <lg type="poem">
        <head> <hi rendition="#b">Uber die Creutzigung Chri&#x017F;ti.<lb/>
Sonnet.</hi> </head><lb/>
        <lg n="1">
          <l><hi rendition="#in">O</hi> Wunder die kein Men&#x017F;ch mit Sin&#x0303;en kan ergru&#x0364;nden!</l><lb/>
          <l>Den die e&#xA75B;boßte Schaar do&#xA75B;t an das C&#xA75B;eutze &#x017F;chla&#x0364;gt/</l><lb/>
          <l>I&#x017F;t der/ nach de&#x017F;&#x017F;en Winck das Firmament &#x017F;ich regt.</l><lb/>
          <l>Die Un&#x017F;chuld wird ge&#x017F;t&#xA75B;afft/ und bu&#x0364;ß&#x2019;t fu&#x0364;r fremde Su&#x0364;nde&#x0303;.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="2">
          <l>Der Tod und Teufel zwingt/ la&#x0364;ß&#x2019;t &#x017F;ich mit Stricken binde&#x0303;/</l><lb/>
          <l>Der Heyland leydet Noth/ doch wird &#x017F;ein Hertz bewegt/</l><lb/>
          <l>Daß Er mit denen &#x017F;elb&#x017F;t ein recht Erbarmen tra&#x0364;gt/</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;ich zu &#x017F;einem Schimpf und Tod ver&#x017F;amlet finden.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="3">
          <l>GOtt &#x017F;tirbt/ der gro&#x017F;&#x017F;e GOtt in dem das Leben lebt.</l><lb/>
          <l>Was wunder daß der Bau der &#x017F;chweren Erde bebt?</l><lb/>
          <l>Daß &#x017F;ich der Sonnen-Gluth bey Tage muß ver&#x017F;tecken?</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="4">
          <l>Daß Felß und Vo&#xA75B;hang reiß&#x2019;t/ daß Leichen auffer&#x017F;tehn?</l><lb/>
          <l>Ich wundre mich vielmehr/ daß nicht fu&#x0364;r Schaam und<lb/><hi rendition="#et">Schrecken/</hi></l><lb/>
          <l>Felß/ Erde/ Sonn und Welt ze&#xA75B;&#x017F;chmeltzen und vergehn.</l>
        </lg>
      </lg><lb/>
      <lg type="poem">
        <head> <hi rendition="#b">Kampff wider die Su&#x0364;nde.</hi> </head><lb/>
        <lg n="1">
          <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">E</hi>Mpo&#x0364;re dich mein Gei&#x017F;t/ es muß gewaget &#x017F;eyn/</l><lb/>
          <l>Auf! &#x017F;etze dich dem Schwarm der Lu&#x0364;&#x017F;te fri&#x017F;ch entge-<lb/><hi rendition="#et">gen:</hi></l><lb/>
          <l>Greiff an das gro&#x017F;&#x017F;e Werck/ dran alles i&#x017F;t gelegen/</l><lb/>
          <l>Und ra&#x0364;ume deinem Feind nicht allen Vortheil ein.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0029] 6. Laß die Seule die dich hielte/ Als dein Leib von groſſer Pein Keine Lebens-Kraͤffte fuͤhlte/ Mir die Flammen-Seule ſeyn/ Die mich durch das todte Meer/ Und der Teufel finſtres Heer/ Wenn ich ſoll mit ihnen ſtreiten/ Mag biß in dein Reich begleiten. Uber die Creutzigung Chriſti. Sonnet. O Wunder die kein Menſch mit Siñen kan ergruͤnden! Den die eꝛboßte Schaar doꝛt an das Cꝛeutze ſchlaͤgt/ Iſt der/ nach deſſen Winck das Firmament ſich regt. Die Unſchuld wird geſtꝛafft/ und buͤß’t fuͤr fremde Suͤndẽ. Der Tod und Teufel zwingt/ laͤß’t ſich mit Stricken bindẽ/ Der Heyland leydet Noth/ doch wird ſein Hertz bewegt/ Daß Er mit denen ſelbſt ein recht Erbarmen traͤgt/ Die ſich zu ſeinem Schimpf und Tod verſamlet finden. GOtt ſtirbt/ der groſſe GOtt in dem das Leben lebt. Was wunder daß der Bau der ſchweren Erde bebt? Daß ſich der Sonnen-Gluth bey Tage muß verſtecken? Daß Felß und Voꝛhang reiß’t/ daß Leichen aufferſtehn? Ich wundre mich vielmehr/ daß nicht fuͤr Schaam und Schrecken/ Felß/ Erde/ Sonn und Welt zeꝛſchmeltzen und vergehn. Kampff wider die Suͤnde. 1. EMpoͤre dich mein Geiſt/ es muß gewaget ſeyn/ Auf! ſetze dich dem Schwarm der Luͤſte friſch entge- gen: Greiff an das groſſe Werck/ dran alles iſt gelegen/ Und raͤume deinem Feind nicht allen Vortheil ein. Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/29
Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/29>, abgerufen am 18.04.2024.