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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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fehlbar verlezt sein würdest. Dahin gehören die
Zusammenkünfte der Zänker, Schläger, falschen
Spieler, Betrüger und der Niederträchtigen, die
im Weine und mit dem andern Geschlechte aus-
schweifen, der Geselschaft der Narren nicht zu
gedenken. Hüte dich aber auch im Gegentheil,
gegen dis Gesindel zu deklamiren und zu predigen,
wie ein Kapuziner, so lange du jung bist. Das
jugendliche Alter hat noch nicht den Beruf des
Reformators der Moralität und der Sitten. Er-
halte deine eignen Sitten rein und unbeflekt, und
überlaß Leute dieses Gelichters dem gerechten Un-
willen oder der Verachtung der Guten.

Es gibt eine dritte Art von Geselschaft, welche,
wenn gleich nicht so schändlich, doch unter der
Würde eines verständigen Mannes ist, ich meine
nemlich die Geselschaft gemeiner Leute. Junge
Leute von Stande und Geburt verfallen bei ihrem
ersten Eintrit in die Welt aus einer gewissen Schüch-
ternheit, unzeitigen Scham und Trägheit, die
schwer abzulegen ist, leicht dahin, solche Gesel-
schaften zu lieben. Wenn du nur ein Jahr lang
dahineingeräthst, so wirst du dich nimmer daraus

empor-
C 3

fehlbar verlezt ſein wuͤrdeſt. Dahin gehoͤren die
Zuſammenkuͤnfte der Zaͤnker, Schlaͤger, falſchen
Spieler, Betruͤger und der Niedertraͤchtigen, die
im Weine und mit dem andern Geſchlechte aus-
ſchweifen, der Geſelſchaft der Narren nicht zu
gedenken. Huͤte dich aber auch im Gegentheil,
gegen dis Geſindel zu deklamiren und zu predigen,
wie ein Kapuziner, ſo lange du jung biſt. Das
jugendliche Alter hat noch nicht den Beruf des
Reformators der Moralitaͤt und der Sitten. Er-
halte deine eignen Sitten rein und unbeflekt, und
uͤberlaß Leute dieſes Gelichters dem gerechten Un-
willen oder der Verachtung der Guten.

Es gibt eine dritte Art von Geſelſchaft, welche,
wenn gleich nicht ſo ſchaͤndlich, doch unter der
Wuͤrde eines verſtaͤndigen Mannes iſt, ich meine
nemlich die Geſelſchaft gemeiner Leute. Junge
Leute von Stande und Geburt verfallen bei ihrem
erſten Eintrit in die Welt aus einer gewiſſen Schuͤch-
ternheit, unzeitigen Scham und Traͤgheit, die
ſchwer abzulegen iſt, leicht dahin, ſolche Geſel-
ſchaften zu lieben. Wenn du nur ein Jahr lang
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[37/0043] fehlbar verlezt ſein wuͤrdeſt. Dahin gehoͤren die Zuſammenkuͤnfte der Zaͤnker, Schlaͤger, falſchen Spieler, Betruͤger und der Niedertraͤchtigen, die im Weine und mit dem andern Geſchlechte aus- ſchweifen, der Geſelſchaft der Narren nicht zu gedenken. Huͤte dich aber auch im Gegentheil, gegen dis Geſindel zu deklamiren und zu predigen, wie ein Kapuziner, ſo lange du jung biſt. Das jugendliche Alter hat noch nicht den Beruf des Reformators der Moralitaͤt und der Sitten. Er- halte deine eignen Sitten rein und unbeflekt, und uͤberlaß Leute dieſes Gelichters dem gerechten Un- willen oder der Verachtung der Guten. Es gibt eine dritte Art von Geſelſchaft, welche, wenn gleich nicht ſo ſchaͤndlich, doch unter der Wuͤrde eines verſtaͤndigen Mannes iſt, ich meine nemlich die Geſelſchaft gemeiner Leute. Junge Leute von Stande und Geburt verfallen bei ihrem erſten Eintrit in die Welt aus einer gewiſſen Schuͤch- ternheit, unzeitigen Scham und Traͤgheit, die ſchwer abzulegen iſt, leicht dahin, ſolche Geſel- ſchaften zu lieben. Wenn du nur ein Jahr lang dahineingeraͤthſt, ſo wirſt du dich nimmer daraus empor- C 3

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/43>, abgerufen am 29.03.2024.