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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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nachsint, an die Menuet, so würd' er, deucht
mich, einen armseeligen Mathematiker abgeben.)

(Es ist den Tag über Zeit genug für alles, wenn
du nur eine Sache auf einmahl thust; wilst du aber
zwei Dinge zugleich vornehmen, so ist in dem ganzen
Jahre nicht Zeit genug. Der holländische Pensionär
von Witt verwaltete die ganzen Geschäfte der
Republik, und hatte doch noch Zeit genug übrig,
Abends in Geselschaft zu gehen, und da zu spei-
sen. Als man ihn nun fragte: wo er doch mög-
licher Weise Zeit hernähme, so viele Geschäfte zu
verrichten, und sich doch auch des Abends zu belu-
stigen? gab er zur Antwort: nichts wäre leichter;
man dürfte nur immer ein Ding auf einmahl thun,
und nichts auf morgen verschieben, das heute könte
verrichte werden.)

(Diese standhafte, von Zerstreuung entfernte
Aufmerksamkeit auf eine einzige Sache ist ein siche-
res Merkmal eines erhabnen Geistes; so wie
dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe
untriegliche Zeichen eines schwachen und albernen
Verstandes sind. Liesest du den Horaz, so merke
auf die Richtigkeit seiner Gedanken, die glückliche

Wahl

nachſint, an die Menuet, ſo wuͤrd’ er, deucht
mich, einen armſeeligen Mathematiker abgeben.)

(Es iſt den Tag uͤber Zeit genug fuͤr alles, wenn
du nur eine Sache auf einmahl thuſt; wilſt du aber
zwei Dinge zugleich vornehmen, ſo iſt in dem ganzen
Jahre nicht Zeit genug. Der hollaͤndiſche Penſionaͤr
von Witt verwaltete die ganzen Geſchaͤfte der
Republik, und hatte doch noch Zeit genug uͤbrig,
Abends in Geſelſchaft zu gehen, und da zu ſpei-
ſen. Als man ihn nun fragte: wo er doch moͤg-
licher Weiſe Zeit hernaͤhme, ſo viele Geſchaͤfte zu
verrichten, und ſich doch auch des Abends zu belu-
ſtigen? gab er zur Antwort: nichts waͤre leichter;
man duͤrfte nur immer ein Ding auf einmahl thun,
und nichts auf morgen verſchieben, das heute koͤnte
verrichte werden.)

(Dieſe ſtandhafte, von Zerſtreuung entfernte
Aufmerkſamkeit auf eine einzige Sache iſt ein ſiche-
res Merkmal eines erhabnen Geiſtes; ſo wie
dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe
untriegliche Zeichen eines ſchwachen und albernen
Verſtandes ſind. Lieſeſt du den Horaz, ſo merke
auf die Richtigkeit ſeiner Gedanken, die gluͤckliche

Wahl
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[18/0024] nachſint, an die Menuet, ſo wuͤrd’ er, deucht mich, einen armſeeligen Mathematiker abgeben.) (Es iſt den Tag uͤber Zeit genug fuͤr alles, wenn du nur eine Sache auf einmahl thuſt; wilſt du aber zwei Dinge zugleich vornehmen, ſo iſt in dem ganzen Jahre nicht Zeit genug. Der hollaͤndiſche Penſionaͤr von Witt verwaltete die ganzen Geſchaͤfte der Republik, und hatte doch noch Zeit genug uͤbrig, Abends in Geſelſchaft zu gehen, und da zu ſpei- ſen. Als man ihn nun fragte: wo er doch moͤg- licher Weiſe Zeit hernaͤhme, ſo viele Geſchaͤfte zu verrichten, und ſich doch auch des Abends zu belu- ſtigen? gab er zur Antwort: nichts waͤre leichter; man duͤrfte nur immer ein Ding auf einmahl thun, und nichts auf morgen verſchieben, das heute koͤnte verrichte werden.) (Dieſe ſtandhafte, von Zerſtreuung entfernte Aufmerkſamkeit auf eine einzige Sache iſt ein ſiche- res Merkmal eines erhabnen Geiſtes; ſo wie dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe untriegliche Zeichen eines ſchwachen und albernen Verſtandes ſind. Lieſeſt du den Horaz, ſo merke auf die Richtigkeit ſeiner Gedanken, die gluͤckliche Wahl

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/24>, abgerufen am 29.03.2024.