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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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verletzung, Eigenthumsbeschädigung gerichtet war, oder nicht.
Und auch hier muß der Satz gelten, daß diese Erfolge nur
so weit zum Dolus zuzurechnen sind, als sie wirklich gewollt
waren, die den Willen übersteigende Anzahl der Erfolge,
oder der größere Umfang des Erfolgs, aber nur eine Fahr-
lässigkeit involviren können. Vergiftet Jemand den Brunnen
eines einsam gelegenen Gehöftes, damit die wenigen Bewohner
desselben sich den Tod daraus trinken sollen, ein zufällig
vorüberkommendes Regiment Soldaten genießt aber von dem
Wasser; oder verursacht Jemand eine Ueberschwemmung in der
Voraussetzung, daß nur eine bestimmt abgegrenzte Fläche
durch die Fluthen werde verheert werden, aber das Wasser
verbreitet sich auch über anstoßendes, schlecht geschütztes,
Gelände, oder es wird durch dasselbe gegen Erwarten ein
Mensch getödtet, so wird bezüglich dieses weiteren Umfangs
der zum Eintritt gelangten Erfolge nur Haftbarkeit für
Fahrlässigkeit begründet sein; vielleicht aber sogar auch nur
casus vorliegen. Die eigenthümliche Schwierigkeit bei den
gemeingefährlichen Verbrechen liegt in concreto nur in der
Feststellung der Anzahl oder des Umfangs der gewollten
beziehungsweise vorausschbar gewesenen Erfolge, durch welche
Feststellung natürlich die Größe der Strafe für Vollendung,
Versuch und Fahrlässsgkeit bedingt erscheint.

Könnte man der von Hälschner, Goltdammers Archiv
B. XVIII, S. 665 flg. ausgesprochenen Ansicht zustimmen,
so würde allerdings, jedenfalls in Ansehung der gemein-
gefährlichen Eigenthumsbeschädigungen, diese Schwierigkeit
beseitigt erscheinen. -- Hälschner meint, wenn der eine und
selbige beabsichtigte Erfolg sich in einem größeren Umfange
verwirklicht habe, als von dem Thäter beabsichtigt gewesen
sei, -- wenn zwei Häuser abgebrannt seien, obwohl nur eines
habe zerstört werden sollen -- so könne von einer Concurrenz

verletzung, Eigenthumsbeſchädigung gerichtet war, oder nicht.
Und auch hier muß der Satz gelten, daß dieſe Erfolge nur
ſo weit zum Dolus zuzurechnen ſind, als ſie wirklich gewollt
waren, die den Willen überſteigende Anzahl der Erfolge,
oder der größere Umfang des Erfolgs, aber nur eine Fahr-
läſſigkeit involviren können. Vergiftet Jemand den Brunnen
eines einſam gelegenen Gehöftes, damit die wenigen Bewohner
deſſelben ſich den Tod daraus trinken ſollen, ein zufällig
vorüberkommendes Regiment Soldaten genießt aber von dem
Waſſer; oder verurſacht Jemand eine Ueberſchwemmung in der
Vorausſetzung, daß nur eine beſtimmt abgegrenzte Fläche
durch die Fluthen werde verheert werden, aber das Waſſer
verbreitet ſich auch über anſtoßendes, ſchlecht geſchütztes,
Gelände, oder es wird durch daſſelbe gegen Erwarten ein
Menſch getödtet, ſo wird bezüglich dieſes weiteren Umfangs
der zum Eintritt gelangten Erfolge nur Haftbarkeit für
Fahrläſſigkeit begründet ſein; vielleicht aber ſogar auch nur
casus vorliegen. Die eigenthümliche Schwierigkeit bei den
gemeingefährlichen Verbrechen liegt in concreto nur in der
Feſtſtellung der Anzahl oder des Umfangs der gewollten
beziehungsweiſe vorausſchbar geweſenen Erfolge, durch welche
Feſtſtellung natürlich die Größe der Strafe für Vollendung,
Verſuch und Fahrläſſſgkeit bedingt erſcheint.

Könnte man der von Hälſchner, Goltdammers Archiv
B. XVIII, S. 665 flg. ausgeſprochenen Anſicht zuſtimmen,
ſo würde allerdings, jedenfalls in Anſehung der gemein-
gefährlichen Eigenthumsbeſchädigungen, dieſe Schwierigkeit
beſeitigt erſcheinen. — Hälſchner meint, wenn der eine und
ſelbige beabſichtigte Erfolg ſich in einem größeren Umfange
verwirklicht habe, als von dem Thäter beabſichtigt geweſen
ſei, — wenn zwei Häuſer abgebrannt ſeien, obwohl nur eines
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[43/0047] verletzung, Eigenthumsbeſchädigung gerichtet war, oder nicht. Und auch hier muß der Satz gelten, daß dieſe Erfolge nur ſo weit zum Dolus zuzurechnen ſind, als ſie wirklich gewollt waren, die den Willen überſteigende Anzahl der Erfolge, oder der größere Umfang des Erfolgs, aber nur eine Fahr- läſſigkeit involviren können. Vergiftet Jemand den Brunnen eines einſam gelegenen Gehöftes, damit die wenigen Bewohner deſſelben ſich den Tod daraus trinken ſollen, ein zufällig vorüberkommendes Regiment Soldaten genießt aber von dem Waſſer; oder verurſacht Jemand eine Ueberſchwemmung in der Vorausſetzung, daß nur eine beſtimmt abgegrenzte Fläche durch die Fluthen werde verheert werden, aber das Waſſer verbreitet ſich auch über anſtoßendes, ſchlecht geſchütztes, Gelände, oder es wird durch daſſelbe gegen Erwarten ein Menſch getödtet, ſo wird bezüglich dieſes weiteren Umfangs der zum Eintritt gelangten Erfolge nur Haftbarkeit für Fahrläſſigkeit begründet ſein; vielleicht aber ſogar auch nur casus vorliegen. Die eigenthümliche Schwierigkeit bei den gemeingefährlichen Verbrechen liegt in concreto nur in der Feſtſtellung der Anzahl oder des Umfangs der gewollten beziehungsweiſe vorausſchbar geweſenen Erfolge, durch welche Feſtſtellung natürlich die Größe der Strafe für Vollendung, Verſuch und Fahrläſſſgkeit bedingt erſcheint. Könnte man der von Hälſchner, Goltdammers Archiv B. XVIII, S. 665 flg. ausgeſprochenen Anſicht zuſtimmen, ſo würde allerdings, jedenfalls in Anſehung der gemein- gefährlichen Eigenthumsbeſchädigungen, dieſe Schwierigkeit beſeitigt erſcheinen. — Hälſchner meint, wenn der eine und ſelbige beabſichtigte Erfolg ſich in einem größeren Umfange verwirklicht habe, als von dem Thäter beabſichtigt geweſen ſei, — wenn zwei Häuſer abgebrannt ſeien, obwohl nur eines habe zerſtört werden ſollen — ſo könne von einer Concurrenz

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/47>, abgerufen am 20.04.2024.