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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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wenn der Wille auf eine solche Unregelmäßigkeit gerichtet
gewesen sei. -- Freilich je unregelmäßiger für die allgemeine
Anschauung der Eintritt des Erfolgs ist, je weniger Gründe
für die Erreichbarkeit desselben sprechen, desto weniger wird
angenommen werden können, daß der Wille des Handelnden
auf Herbeiführung desselben gerichtet gewesen sei. Und wenn
der Eintritt des Erfolgs so unwahrscheinlich ist, daß man
denselben nach allgemeiner Ueberzeugung gar nicht wollen
kann, so kann durchgängig auch nicht angenommen werden,
daß ihn der Handelnde gewollt gehabt habe. Sollte selbst
ein Geständniß des Handelnden vorliegen, so kann hierauf
kein Gewicht gelegt werden, weil das bloße Geständniß als
reiner Ausfluß der Subjectivität nicht im Stande ist, dem
Willen die ihm fehlende, zu seinem Erkennen erforderliche,
äußere Gestalt zu verleihen (m. Abh. über Versuch Gerichts-
saal 1867 H. 1, S. 62). An und für sich aber kann man
auch das Unwahrscheinliche, ja das anscheinend Unmögliche,
erreichen wollen, insofern man es irrthümlicher Weise für
erreichbar gehalten hatte. Es liegt dann ein wirklicher
Willenszusammenhang zwischen der Handlung und dem etwa
dennoch unter Mitwirkung der eigenen Thätigkeit einge-
tretenen Erfolge vor, welcher Haftbarkeit für diesen Erfolg
nach sich ziehen muß -- vorausgesetzt nur, daß der dem
Handelnden unterlaufene Jrrthum äußerlich erkennbar ist.
Unter dieser Voraussetzung muß der Handelnde für den
Erfolg haften, wenn er aus total verfehlten Gründen auf
den Hinzutritt einer Naturkraft zu seiner Thätigkeit gerechnet
hatte, auf welche nach allgemeinem menschlichem Ermessen so
wenig zu rechnen war, daß der spätere wirkliche Eintritt
derselben nur als eine Zufälligkeit aufgefaßt werden kann. --
Hierher dürfte auch das v. B. S. 5 Anmerk. ohne Angabe
von Gründen perhorrescirte Beispiel vom Todtbeten zu

wenn der Wille auf eine ſolche Unregelmäßigkeit gerichtet
geweſen ſei. — Freilich je unregelmäßiger für die allgemeine
Anſchauung der Eintritt des Erfolgs iſt, je weniger Gründe
für die Erreichbarkeit deſſelben ſprechen, deſto weniger wird
angenommen werden können, daß der Wille des Handelnden
auf Herbeiführung deſſelben gerichtet geweſen ſei. Und wenn
der Eintritt des Erfolgs ſo unwahrſcheinlich iſt, daß man
denſelben nach allgemeiner Ueberzeugung gar nicht wollen
kann, ſo kann durchgängig auch nicht angenommen werden,
daß ihn der Handelnde gewollt gehabt habe. Sollte ſelbſt
ein Geſtändniß des Handelnden vorliegen, ſo kann hierauf
kein Gewicht gelegt werden, weil das bloße Geſtändniß als
reiner Ausfluß der Subjectivität nicht im Stande iſt, dem
Willen die ihm fehlende, zu ſeinem Erkennen erforderliche,
äußere Geſtalt zu verleihen (m. Abh. über Verſuch Gerichts-
ſaal 1867 H. 1, S. 62). An und für ſich aber kann man
auch das Unwahrſcheinliche, ja das anſcheinend Unmögliche,
erreichen wollen, inſofern man es irrthümlicher Weiſe für
erreichbar gehalten hatte. Es liegt dann ein wirklicher
Willenszuſammenhang zwiſchen der Handlung und dem etwa
dennoch unter Mitwirkung der eigenen Thätigkeit einge-
tretenen Erfolge vor, welcher Haftbarkeit für dieſen Erfolg
nach ſich ziehen muß — vorausgeſetzt nur, daß der dem
Handelnden unterlaufene Jrrthum äußerlich erkennbar iſt.
Unter dieſer Vorausſetzung muß der Handelnde für den
Erfolg haften, wenn er aus total verfehlten Gründen auf
den Hinzutritt einer Naturkraft zu ſeiner Thätigkeit gerechnet
hatte, auf welche nach allgemeinem menſchlichem Ermeſſen ſo
wenig zu rechnen war, daß der ſpätere wirkliche Eintritt
derſelben nur als eine Zufälligkeit aufgefaßt werden kann. —
Hierher dürfte auch das v. B. S. 5 Anmerk. ohne Angabe
von Gründen perhorrescirte Beiſpiel vom Todtbeten zu

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[22/0026] wenn der Wille auf eine ſolche Unregelmäßigkeit gerichtet geweſen ſei. — Freilich je unregelmäßiger für die allgemeine Anſchauung der Eintritt des Erfolgs iſt, je weniger Gründe für die Erreichbarkeit deſſelben ſprechen, deſto weniger wird angenommen werden können, daß der Wille des Handelnden auf Herbeiführung deſſelben gerichtet geweſen ſei. Und wenn der Eintritt des Erfolgs ſo unwahrſcheinlich iſt, daß man denſelben nach allgemeiner Ueberzeugung gar nicht wollen kann, ſo kann durchgängig auch nicht angenommen werden, daß ihn der Handelnde gewollt gehabt habe. Sollte ſelbſt ein Geſtändniß des Handelnden vorliegen, ſo kann hierauf kein Gewicht gelegt werden, weil das bloße Geſtändniß als reiner Ausfluß der Subjectivität nicht im Stande iſt, dem Willen die ihm fehlende, zu ſeinem Erkennen erforderliche, äußere Geſtalt zu verleihen (m. Abh. über Verſuch Gerichts- ſaal 1867 H. 1, S. 62). An und für ſich aber kann man auch das Unwahrſcheinliche, ja das anſcheinend Unmögliche, erreichen wollen, inſofern man es irrthümlicher Weiſe für erreichbar gehalten hatte. Es liegt dann ein wirklicher Willenszuſammenhang zwiſchen der Handlung und dem etwa dennoch unter Mitwirkung der eigenen Thätigkeit einge- tretenen Erfolge vor, welcher Haftbarkeit für dieſen Erfolg nach ſich ziehen muß — vorausgeſetzt nur, daß der dem Handelnden unterlaufene Jrrthum äußerlich erkennbar iſt. Unter dieſer Vorausſetzung muß der Handelnde für den Erfolg haften, wenn er aus total verfehlten Gründen auf den Hinzutritt einer Naturkraft zu ſeiner Thätigkeit gerechnet hatte, auf welche nach allgemeinem menſchlichem Ermeſſen ſo wenig zu rechnen war, daß der ſpätere wirkliche Eintritt derſelben nur als eine Zufälligkeit aufgefaßt werden kann. — Hierher dürfte auch das v. B. S. 5 Anmerk. ohne Angabe von Gründen perhorrescirte Beiſpiel vom Todtbeten zu

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/26>, abgerufen am 18.04.2024.