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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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das Strafrecht lediglich mit dem Jndividuum zu thun hat.
Darum mag zwar das Civilrecht Jeden ohne Ausnahme
nach der diligentia eines b. p. f. beurtheilen, das Strafrecht
aber kann bei seiner Beurtheilung nicht außer Berücksichtigung
lassen, ob nicht etwa gerade das in Rede stehende Jndividuum
eine größere oder geringere Jntelligenz besitzt, als diejenige
eines Durchschnittsmenschen. Für diese Beurtheilung kann
der Schwerpunkt nicht in der Handlung gefunden werden,
wie dies von v. B. geschieht, sondern nur in der Wirksamkeit
der Handlung -- dem Erfolge -- und dem Verhältniß des
Subjects zum Erfolge -- also gerade in dessen Voraus-
sehbarkeit für das Subject. -- Die Ansicht, daß zwischen
einer der Regel des Lebens entsprechenden Handlung und
dem durch sie herbeigeführten Erfolge ein Causalzusammenhang
nicht bestehe, soll zwar eine directe Bestätigung in den Quellen
nicht finden. Aber es trete doch wenigstens in der Ent-
scheidung Ulpians l. 11 pr. D. ad legem Aquil., daß, wenn
Jemand sich an einem belebten Orte rasiren lasse, und nun
der von einem Dritten gestoßene Barbier ihn beschädige,
"ipsum de se queri debere", das Princip hervor, daß die
Regelwidrigkeit des Sichrasirenlassens an einem solchen Orte
den Causalzusammenhang zwischen dem unabsichtlichen Stoße
und der verursachten Beschädigung aufhebe. Jn Wirklichkeit
aber spricht diese Entscheidung nicht entfernt für eine solche
Aufhebung des Causalzusammenhangs und verneint vielmehr
lediglich nur den Anspruch des Verletzten auf Schadensersatz.
-- Jn den Quellenstellen, mit welchen v. B. zu beweisen
sucht, daß das Vorhersehen des Schadens einer der Regel
des Lebens entsprechenden Handlung noch keine Verantwort-
lichkeit begründe, mangelt es -- wenn etwa der Aedil bei der
Freihaltung der Passage fremdes Eigenthum demolirt -- an
einer injuria. -- Daß endlich die culpa des Beschädigten

das Strafrecht lediglich mit dem Jndividuum zu thun hat.
Darum mag zwar das Civilrecht Jeden ohne Ausnahme
nach der diligentia eines b. p. f. beurtheilen, das Strafrecht
aber kann bei ſeiner Beurtheilung nicht außer Berückſichtigung
laſſen, ob nicht etwa gerade das in Rede ſtehende Jndividuum
eine größere oder geringere Jntelligenz beſitzt, als diejenige
eines Durchſchnittsmenſchen. Für dieſe Beurtheilung kann
der Schwerpunkt nicht in der Handlung gefunden werden,
wie dies von v. B. geſchieht, ſondern nur in der Wirkſamkeit
der Handlung — dem Erfolge — und dem Verhältniß des
Subjects zum Erfolge — alſo gerade in deſſen Voraus-
ſehbarkeit für das Subject. — Die Anſicht, daß zwiſchen
einer der Regel des Lebens entſprechenden Handlung und
dem durch ſie herbeigeführten Erfolge ein Cauſalzuſammenhang
nicht beſtehe, ſoll zwar eine directe Beſtätigung in den Quellen
nicht finden. Aber es trete doch wenigſtens in der Ent-
ſcheidung Ulpians l. 11 pr. D. ad legem Aquil., daß, wenn
Jemand ſich an einem belebten Orte raſiren laſſe, und nun
der von einem Dritten geſtoßene Barbier ihn beſchädige,
„ipsum de se queri debere“, das Princip hervor, daß die
Regelwidrigkeit des Sichraſirenlaſſens an einem ſolchen Orte
den Cauſalzuſammenhang zwiſchen dem unabſichtlichen Stoße
und der verurſachten Beſchädigung aufhebe. Jn Wirklichkeit
aber ſpricht dieſe Entſcheidung nicht entfernt für eine ſolche
Aufhebung des Cauſalzuſammenhangs und verneint vielmehr
lediglich nur den Anſpruch des Verletzten auf Schadenserſatz.
— Jn den Quellenſtellen, mit welchen v. B. zu beweiſen
ſucht, daß das Vorherſehen des Schadens einer der Regel
des Lebens entſprechenden Handlung noch keine Verantwort-
lichkeit begründe, mangelt es — wenn etwa der Aedil bei der
Freihaltung der Paſſage fremdes Eigenthum demolirt — an
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[12/0016] das Strafrecht lediglich mit dem Jndividuum zu thun hat. Darum mag zwar das Civilrecht Jeden ohne Ausnahme nach der diligentia eines b. p. f. beurtheilen, das Strafrecht aber kann bei ſeiner Beurtheilung nicht außer Berückſichtigung laſſen, ob nicht etwa gerade das in Rede ſtehende Jndividuum eine größere oder geringere Jntelligenz beſitzt, als diejenige eines Durchſchnittsmenſchen. Für dieſe Beurtheilung kann der Schwerpunkt nicht in der Handlung gefunden werden, wie dies von v. B. geſchieht, ſondern nur in der Wirkſamkeit der Handlung — dem Erfolge — und dem Verhältniß des Subjects zum Erfolge — alſo gerade in deſſen Voraus- ſehbarkeit für das Subject. — Die Anſicht, daß zwiſchen einer der Regel des Lebens entſprechenden Handlung und dem durch ſie herbeigeführten Erfolge ein Cauſalzuſammenhang nicht beſtehe, ſoll zwar eine directe Beſtätigung in den Quellen nicht finden. Aber es trete doch wenigſtens in der Ent- ſcheidung Ulpians l. 11 pr. D. ad legem Aquil., daß, wenn Jemand ſich an einem belebten Orte raſiren laſſe, und nun der von einem Dritten geſtoßene Barbier ihn beſchädige, „ipsum de se queri debere“, das Princip hervor, daß die Regelwidrigkeit des Sichraſirenlaſſens an einem ſolchen Orte den Cauſalzuſammenhang zwiſchen dem unabſichtlichen Stoße und der verurſachten Beſchädigung aufhebe. Jn Wirklichkeit aber ſpricht dieſe Entſcheidung nicht entfernt für eine ſolche Aufhebung des Cauſalzuſammenhangs und verneint vielmehr lediglich nur den Anſpruch des Verletzten auf Schadenserſatz. — Jn den Quellenſtellen, mit welchen v. B. zu beweiſen ſucht, daß das Vorherſehen des Schadens einer der Regel des Lebens entſprechenden Handlung noch keine Verantwort- lichkeit begründe, mangelt es — wenn etwa der Aedil bei der Freihaltung der Paſſage fremdes Eigenthum demolirt — an einer injuria. — Daß endlich die culpa des Beſchädigten

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/16>, abgerufen am 29.03.2024.