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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.malt hat. Damit legte sie ihr eigenes Leid dem höchsten
und heiligsten Mutterschmerz zu Füßen.

Der Dom, welcher das meiste von dieser Tragödie in
seiner Nähe gesehen, wurde mit Wein abgewaschen und neu
geweiht. Noch immer stand von der Hochzeit her der
Triumphbogen, bemalt mit den Thaten Astorre's und mit
den Lobversen dessen, der uns dieses Alles erzählt, des
guten Matarazzo.

Es entstand eine ganz sagenhafte Vorgeschichte der
Baglionen, welche nur ein Reflex dieser Gräuel ist. Alle
von diesem Hause seien von jeher eines bösen Todes ge-
storben, einst 27 miteinander; schon einmal seien ihre Häuser
geschleift und mit den Ziegeln davon die Gassen gepflastert
worden u. dgl. Unter Paul III. trat dann die Schleifung
ihrer Paläste wirklich ein.

Fortwirken des
Fluches.
Einstweilen aber scheinen sie gute Vorsätze gefaßt, in
ihrer eignen Partei Ordnung geschafft und die Beamten
gegen die adlichen Bösewichter geschützt zu haben. Allein
der Fluch brach später doch wieder wie ein nur scheinbar
gedämpfter Brand hervor; Gianpaolo wurde unter Leo X.
1520 nach Rom gelockt und enthauptet; der eine seiner
Söhne, Orazio, der Perugia nur zeitweise und unter den
gewaltsamsten Umständen besaß, nämlich als Parteigänger
des ebenfalls von den Päpsten bedrohten Herzogs von Ur-
bino, wüthete noch einmal im eigenen Hause auf das
Gräßlichste. Ein Oheim und drei Vettern wurden ermordet,
worauf ihm der Herzog sagen ließ, es sei jetzt genug. 1)
Sein Bruder Malatesta Baglione ist der florentinische Feld-
herr, welcher durch den Verrath von 1530 unsterblich ge-
worden, und dessen Sohn Ridolfo ist jener letzte des Hauses
welcher in Perugia durch Ermordung des Legaten und der

1) Varchi, stor. fiorent. I, p. 242, s.

1. Abſchnitt.malt hat. Damit legte ſie ihr eigenes Leid dem höchſten
und heiligſten Mutterſchmerz zu Füßen.

Der Dom, welcher das meiſte von dieſer Tragödie in
ſeiner Nähe geſehen, wurde mit Wein abgewaſchen und neu
geweiht. Noch immer ſtand von der Hochzeit her der
Triumphbogen, bemalt mit den Thaten Aſtorre's und mit
den Lobverſen deſſen, der uns dieſes Alles erzählt, des
guten Matarazzo.

Es entſtand eine ganz ſagenhafte Vorgeſchichte der
Baglionen, welche nur ein Reflex dieſer Gräuel iſt. Alle
von dieſem Hauſe ſeien von jeher eines böſen Todes ge-
ſtorben, einſt 27 miteinander; ſchon einmal ſeien ihre Häuſer
geſchleift und mit den Ziegeln davon die Gaſſen gepflaſtert
worden u. dgl. Unter Paul III. trat dann die Schleifung
ihrer Paläſte wirklich ein.

Fortwirken des
Fluches.
Einſtweilen aber ſcheinen ſie gute Vorſätze gefaßt, in
ihrer eignen Partei Ordnung geſchafft und die Beamten
gegen die adlichen Böſewichter geſchützt zu haben. Allein
der Fluch brach ſpäter doch wieder wie ein nur ſcheinbar
gedämpfter Brand hervor; Gianpaolo wurde unter Leo X.
1520 nach Rom gelockt und enthauptet; der eine ſeiner
Söhne, Orazio, der Perugia nur zeitweiſe und unter den
gewaltſamſten Umſtänden beſaß, nämlich als Parteigänger
des ebenfalls von den Päpſten bedrohten Herzogs von Ur-
bino, wüthete noch einmal im eigenen Hauſe auf das
Gräßlichſte. Ein Oheim und drei Vettern wurden ermordet,
worauf ihm der Herzog ſagen ließ, es ſei jetzt genug. 1)
Sein Bruder Malateſta Baglione iſt der florentiniſche Feld-
herr, welcher durch den Verrath von 1530 unſterblich ge-
worden, und deſſen Sohn Ridolfo iſt jener letzte des Hauſes
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1) Varchi, stor. fiorent. I, p. 242, s.
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[32/0042] malt hat. Damit legte ſie ihr eigenes Leid dem höchſten und heiligſten Mutterſchmerz zu Füßen. 1. Abſchnitt. Der Dom, welcher das meiſte von dieſer Tragödie in ſeiner Nähe geſehen, wurde mit Wein abgewaſchen und neu geweiht. Noch immer ſtand von der Hochzeit her der Triumphbogen, bemalt mit den Thaten Aſtorre's und mit den Lobverſen deſſen, der uns dieſes Alles erzählt, des guten Matarazzo. Es entſtand eine ganz ſagenhafte Vorgeſchichte der Baglionen, welche nur ein Reflex dieſer Gräuel iſt. Alle von dieſem Hauſe ſeien von jeher eines böſen Todes ge- ſtorben, einſt 27 miteinander; ſchon einmal ſeien ihre Häuſer geſchleift und mit den Ziegeln davon die Gaſſen gepflaſtert worden u. dgl. Unter Paul III. trat dann die Schleifung ihrer Paläſte wirklich ein. Einſtweilen aber ſcheinen ſie gute Vorſätze gefaßt, in ihrer eignen Partei Ordnung geſchafft und die Beamten gegen die adlichen Böſewichter geſchützt zu haben. Allein der Fluch brach ſpäter doch wieder wie ein nur ſcheinbar gedämpfter Brand hervor; Gianpaolo wurde unter Leo X. 1520 nach Rom gelockt und enthauptet; der eine ſeiner Söhne, Orazio, der Perugia nur zeitweiſe und unter den gewaltſamſten Umſtänden beſaß, nämlich als Parteigänger des ebenfalls von den Päpſten bedrohten Herzogs von Ur- bino, wüthete noch einmal im eigenen Hauſe auf das Gräßlichſte. Ein Oheim und drei Vettern wurden ermordet, worauf ihm der Herzog ſagen ließ, es ſei jetzt genug. 1) Sein Bruder Malateſta Baglione iſt der florentiniſche Feld- herr, welcher durch den Verrath von 1530 unſterblich ge- worden, und deſſen Sohn Ridolfo iſt jener letzte des Hauſes welcher in Perugia durch Ermordung des Legaten und der Fortwirken des Fluches. 1) Varchi, stor. fiorent. I, p. 242, s.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/42>, abgerufen am 29.03.2024.