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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.florentinische Miliz 1), bei Anlaß der Musterungen und
später bei einer besondern Jahresfeier. Diese sind von
allgemein patriotischem Inhalt; es hielt sie in der Kirche
jedes Quartiers vor den dort versammelten Milizen ein
Bürger im Brustharnisch, mit dem Schwert in der Hand.

Lateinische Pre-
digt.
Endlich ist im XV. Jahrhundert die eigentliche Predigt
bisweilen kaum mehr von der Rede zu scheiden, insofern viele
Geistliche in den Bildungskreis des Alterthums mit einge-
treten waren und etwas darin gelten wollten. Hat doch
selbst der schon bei Lebzeiten heilige, vom Volk angebetete
Gassenprediger Bernardino da Siena es für seine Pflicht
gehalten, den rhetorischen Unterricht des berühmten Guarino
nicht zu verschmähen, obwohl er nur italienisch zu predigen
hatte. Die Ansprüche, zumal an die Fastenprediger, waren
damals ohne Zweifel so groß als je; hie und da gab es
auch ein Auditorium, welches sehr viel Philosophie auf der
Kanzel vertragen konnte und, scheint es, von Bildung wegen
verlangte 2). Doch wir haben es hier mit den vornehmen
lateinischen Casualpredigern zu thun. Manche Gelegenheit
nahmen ihnen, wie gesagt, gelehrte Laien vom Munde weg.
Reden an bestimmten Heiligentagen, Leichen- und Hochzeits-
reden, Einführungen von Bischöfen u. s. w., ja sogar die
Rede bei der ersten Messe eines befreundeten Geistlichen
und die Festrede bei einem Ordenscapitel werden wohl Laien
überlassen 3). Doch predigten wenigstens vor dem päpst-
lichen Hof im XV. Jahrhundert in der Regel Mönche,

1) Archiv. stor. XV. p. 113. 121, Canestrini's Einleitung; p. 342, s.
der Abdruck zweier Soldatenreden; die erste von Alamanni, ist aus-
gezeichnet schön und des Momentes (1528) würdig.
2) Hierüber Faustinus Terdoceus, in seiner Satire De triumpho stul-
titiae, lib. II.
3) Diese beiden erstaunlichen Fälle kommen bei Sabellicus vor (Opera,
fol. 61--82, De origine et auctu religionis,
zu Verona vor dem
Capitel der Barfüßer von der Kanzel gehalten, und: De sacerdotii
laudibus,
zu Venedig gehalten). Vgl. S. 230, Anm. 1.

3. Abſchnitt.florentiniſche Miliz 1), bei Anlaß der Muſterungen und
ſpäter bei einer beſondern Jahresfeier. Dieſe ſind von
allgemein patriotiſchem Inhalt; es hielt ſie in der Kirche
jedes Quartiers vor den dort verſammelten Milizen ein
Bürger im Bruſtharniſch, mit dem Schwert in der Hand.

Lateiniſche Pre-
digt.
Endlich iſt im XV. Jahrhundert die eigentliche Predigt
bisweilen kaum mehr von der Rede zu ſcheiden, inſofern viele
Geiſtliche in den Bildungskreis des Alterthums mit einge-
treten waren und etwas darin gelten wollten. Hat doch
ſelbſt der ſchon bei Lebzeiten heilige, vom Volk angebetete
Gaſſenprediger Bernardino da Siena es für ſeine Pflicht
gehalten, den rhetoriſchen Unterricht des berühmten Guarino
nicht zu verſchmähen, obwohl er nur italieniſch zu predigen
hatte. Die Anſprüche, zumal an die Faſtenprediger, waren
damals ohne Zweifel ſo groß als je; hie und da gab es
auch ein Auditorium, welches ſehr viel Philoſophie auf der
Kanzel vertragen konnte und, ſcheint es, von Bildung wegen
verlangte 2). Doch wir haben es hier mit den vornehmen
lateiniſchen Caſualpredigern zu thun. Manche Gelegenheit
nahmen ihnen, wie geſagt, gelehrte Laien vom Munde weg.
Reden an beſtimmten Heiligentagen, Leichen- und Hochzeits-
reden, Einführungen von Biſchöfen u. ſ. w., ja ſogar die
Rede bei der erſten Meſſe eines befreundeten Geiſtlichen
und die Feſtrede bei einem Ordenscapitel werden wohl Laien
überlaſſen 3). Doch predigten wenigſtens vor dem päpſt-
lichen Hof im XV. Jahrhundert in der Regel Mönche,

1) Archiv. stor. XV. p. 113. 121, Caneſtrini's Einleitung; p. 342, s.
der Abdruck zweier Soldatenreden; die erſte von Alamanni, iſt aus-
gezeichnet ſchön und des Momentes (1528) würdig.
2) Hierüber Fauſtinus Terdoceus, in ſeiner Satire De triumpho stul-
titiæ, lib. II.
3) Dieſe beiden erſtaunlichen Fälle kommen bei Sabellicus vor (Opera,
fol. 61—82, De origine et auctu religionis,
zu Verona vor dem
Capitel der Barfüßer von der Kanzel gehalten, und: De sacerdotii
laudibus,
zu Venedig gehalten). Vgl. S. 230, Anm. 1.
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[232/0242] florentiniſche Miliz 1), bei Anlaß der Muſterungen und ſpäter bei einer beſondern Jahresfeier. Dieſe ſind von allgemein patriotiſchem Inhalt; es hielt ſie in der Kirche jedes Quartiers vor den dort verſammelten Milizen ein Bürger im Bruſtharniſch, mit dem Schwert in der Hand. 3. Abſchnitt. Endlich iſt im XV. Jahrhundert die eigentliche Predigt bisweilen kaum mehr von der Rede zu ſcheiden, inſofern viele Geiſtliche in den Bildungskreis des Alterthums mit einge- treten waren und etwas darin gelten wollten. Hat doch ſelbſt der ſchon bei Lebzeiten heilige, vom Volk angebetete Gaſſenprediger Bernardino da Siena es für ſeine Pflicht gehalten, den rhetoriſchen Unterricht des berühmten Guarino nicht zu verſchmähen, obwohl er nur italieniſch zu predigen hatte. Die Anſprüche, zumal an die Faſtenprediger, waren damals ohne Zweifel ſo groß als je; hie und da gab es auch ein Auditorium, welches ſehr viel Philoſophie auf der Kanzel vertragen konnte und, ſcheint es, von Bildung wegen verlangte 2). Doch wir haben es hier mit den vornehmen lateiniſchen Caſualpredigern zu thun. Manche Gelegenheit nahmen ihnen, wie geſagt, gelehrte Laien vom Munde weg. Reden an beſtimmten Heiligentagen, Leichen- und Hochzeits- reden, Einführungen von Biſchöfen u. ſ. w., ja ſogar die Rede bei der erſten Meſſe eines befreundeten Geiſtlichen und die Feſtrede bei einem Ordenscapitel werden wohl Laien überlaſſen 3). Doch predigten wenigſtens vor dem päpſt- lichen Hof im XV. Jahrhundert in der Regel Mönche, Lateiniſche Pre- digt. 1) Archiv. stor. XV. p. 113. 121, Caneſtrini's Einleitung; p. 342, s. der Abdruck zweier Soldatenreden; die erſte von Alamanni, iſt aus- gezeichnet ſchön und des Momentes (1528) würdig. 2) Hierüber Fauſtinus Terdoceus, in ſeiner Satire De triumpho stul- titiæ, lib. II. 3) Dieſe beiden erſtaunlichen Fälle kommen bei Sabellicus vor (Opera, fol. 61—82, De origine et auctu religionis, zu Verona vor dem Capitel der Barfüßer von der Kanzel gehalten, und: De sacerdotii laudibus, zu Venedig gehalten). Vgl. S. 230, Anm. 1.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/242>, abgerufen am 28.03.2024.